Selbstoptimierung durch Fitness und gesunde Ernährung sind zu einem dominierenden Lifestyle geworden, der sich in einem boomenden Markt für Apps und Wearables manifestiert. Schritte werden gezählt, Fitnesseinheiten geplant, Kalorien addiert, der Blutdruck überwacht, das Schlafverhalten analysiert. Der smart patient, der seinen Gesundheitszustand mit digitalen Hilfsmitteln optimieren will, birgt enorme Potentiale für Pharma.

Nur wem es jetzt gelingt, in den mHealth-Markt einzusteigen, wird langfristig Wettbewerbsvorteile sichern. Dieser Artikel bietet eine kurze Übersicht der 3 wichtigsten Chancen.

So tickt der smart patient

Apps und Wearables bieten dem Patienten heute vielfältige Möglichkeiten, seine Gesundheit zu managen – so gibt es bereits digitale Lösungen für den Umgang mit Essstörungen, Depression, Diabetes und vieles mehr. Davon profitieren vor allem chronisch Kranke: digitale Therapieassistenten, die die Einhaltung der Medikamenteneinnahme oder die Kontrolle des Blutzuckerspiegels erleichtern, schaffen Lebensqualität. Der smart patient lernt mehr über seine Krankheit und trägt aktiv zum Behandlungserfolg bei.

Arztbesuche gewinnen an Qualität

Mithilfe des Smartphones kann der smart patient seinen Zustand kontrollieren, in die Praxis kommt er nur dann, wenn er benachrichtigt wird, dass etwas nicht stimmt. Dadurch nimmt die face-2-face-Kommunikation zwischen Patient und Arzt langfristig ab. In der Praxis werden bereits vielfältige Modelle wie Telemedizin und Videosprechstunden erprobt. Das wird in Zukunft nicht nur Ärzte entlasten, sondern kommt auch Patienten entgegen, wie die Bertelsmann Stiftung jüngst herausfand. Denn mit dem Arzt zu skypen lässt sich einfacher in den Tagesablauf integrieren als der Gang in die Praxis zu fixen Sprechstundenzeiten. Die fachliche Einordnung des behandelnden Arztes bleibt wichtig, doch der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient gewinnt an Qualität. 

Die 3 wichtigsten strategischen Vorteile

1. Bessere Positionierung bei Arzt und Patient

Pharma begegnet dem boomenden Angebot an Fitness-Trackern, Wearables und Gesundheits-Apps noch mit Skepsis. Ein Grund ist, dass dieser neue Markt massiv von digitalen Start-ups besetzt wurde. Eine Ausnahme ist die App 7 Minute Workout von Johnson & Johnson, die im Fitnessmarkt mitmischt. Eine ebenfalls breite Zielgruppe spricht Sanofi mit ihrer App „PillReminder“ für die konsequente Einnahme der Antibabypille an. Die meisten Pharmafirmen richten sich mit ihrem mHealth-Angebot jedoch nicht an Gesunde, sondern an – vorwiegend chronisch kranke – Patienten. Sie setzen auf spezielle Indikationsgebiete, in denen sie bereits mit Produkten im Markt vertreten sind. Sanofi bietet mit GoMeals beispielsweise die therapiebegleitende App für Diabetespatienten, die die Kontrolle des Blutzuckerspiegels im Alltag erleichtert. Novartis bietet Krebspatienten die App Leben mit CML an, die neben einer Erinnerungs- und Dokumentationsfunktion auch Hinweise zur Einnahme und Wechselwirkungen des Medikaments beinhaltet.

App

In Zukunft wird der Arzt dem Patienten eine zum Präparat passende App empfehlen anstelle ihm eine Broschüre mitzugeben. Auf diese Weise kann Pharma dem Arzt ein wertvolles Tool bieten, das offene Fragen des Patienten beantwortet. Imagegewinn und Glaubwürdigkeit sind damit die größten Pluspunkte. Doch auch ein Bezahlmodell ist denkbar. Bisher sind die meisten Apps für den Nutzer kostenlos, doch die Bereitschaft von Patienten, für diesen Service auch zu bezahlen, steigt. Die jährliche Studie ePatient ermittelte, dass sich dieses Jahr schon 50 % der Befragten bereit zeigen, für Apps oder Online-Dienste zu bezahlen. 2015 war nur jeder fünfte Befragte dazu bereit.  

2. Mehr Umsatz durch verbesserte Adhärenz

Was bei Fitness-Apps so hervorragend funktioniert ist, dass das Smartphone einen immer wieder erinnert, wenn es Zeit für den nächsten Workout ist. Was als Motivationsschub für den nächsten Lauf funktioniert, lässt sich auch auf Apps für chronische Patienten übertragen. Man wird regelmäßig erinnert, den Blutzucker zu messen, ein Medikament zu nehmen oder einen Tagebucheintrag zu machen, ohne ständig auf die Uhr zu schauen.

Das erleichtert den Umgang mit der eigenen Krankheit und hat den Effekt, dass der Nutzer sein Medikament mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßiger einnimmt.

Pillendose

Dass dies auch in der Altersgruppe 60+ funktionieren kann, hat eine Pilotstudie der Berliner Charité ergeben: Bei chronisch Kranken, die die App MyTherapy als Therapieassistenten nutzten, konnten die Forscher eine signifikante Verbesserung der Adhärenz und ein gesteigertes psychisches Wohlbefinden beobachten.

3. Wertvolle Insights durch Daten

Die mit Abstand größten Marktchancen liegen langfristig in den Daten, die eine Patienten-App liefern kann. Mit einer therapiebegleitenden App könnten Pharmaunternehmen in Zukunft erstmals Einblicke in lückenlos dokumentierte Daten erhalten. Insbesondere sogenannte „connected health solutions“, bei denen nicht nur Patientendaten, sondern auch klinische Daten wie Laborwerte gespeichert werden, bieten Anknüpfungspunkte für die Weiterentwicklung von Medikamenten und Geschäftsstrategien. Leo Pharma, ein Hersteller im Bereich Dermatologie hat beispielsweise Millionen in die App SkinVision investiert – eine App, mit der man seine Muttermale auf Hautkrebs kontrollieren kann. Die Vision dahinter beschreibt Leo Pharma so:

Spritze1
  • The internet is dramatically changing how consumers manage their health and that creates new opportunities for us to deliver innovative, value-added services. We are very pleased to collaborate with SkinVision, because we will gain unique learnings about the convergence of digital technologies with medical applications.

    Kim Kjoeller Senior Vice President of Global Development Leo Pharma

Smarte Lösungen für smarte Patienten

Patienten werden durch digitale Hilfsmittel immer mehr zu Experten ihrer Krankheit. In der zunehmenden Präventionsbereitschaft der Patienten liegen Chancen, die das Gesundheitssystem effizienter machen können. Wer dem smart patient heute zielgerichtete Serviceangebote macht, kann in Zukunft entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern.

Insbesondere Apps, die den Therapieerfolg des eigenen Medikaments stützen und Patientendaten mit klinischen Werten kombinieren, gewinnen in den nächsten Jahren an Bedeutung.

Rettungsring

Das kann eine vielversprechende Antwort auf die drängende Frage nach dem Geschäftsmodell beyond the pill sein. Wer zukunftsfähig bleiben will, wird es sich nicht leisten können, auf das Potential von verbesserter Therapietreue und neuer Erkenntnisse für die Forschung zu verzichten.

Weitere Best Practice Beispiele für mehr Inspiration

Welche neuen Player bereits erfolgreich Apps im Gesundheitsmarkt anbieten, verrät der Artikel 10 eHealth-Startups, die die Medizin verändern werden.

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren
3 Kommentare
  • Jörg von Hübbenet

    ja, so ticken die modernen Patienten/ANwender. Warum aber spielen Ärzte so wenig mit. Ist es die Sorge einem gut informierten Patienten nicht auf Augenhöhe begegnen zu können.

  • Nathalie Haidlauf

    Für Ärzte ist es tatsächlich eine Umstellung: Der Arzt muss einem informierten Patienten, der eventuell schon mit einer Handlungsempfehlung in die Praxis kommt, ganz anders begegnen als einem ratlosen Patienten. Ideal ist es, wenn Arzt und Patient auf demselben Informationsstand sind, beispielsweise durch eine therapiebegleitende App, auf deren Daten beide zugreifen können.

pingbacks / trackbacks

Hinterlassen Sie einen Kommentar
E-Mail-Adressen werden nicht veröffentlicht.

Ich möchte Benachrichtigungen erhalten bei weiteren Kommentaren.

Nathalie Haidlauf
Nathalie Haidlauf
berichtet für coliquio Insights über die wichtigsten Marketing-Trends und liefert Inspirationen für die Pharmakommunikation der Zukunft.