Ein 50-jähriger Mann, Berufskraftfahrer und Inhaber einer Spedition, leidet unter einem Obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS), welches er erfolgreich mit Continuous Positive Airway Pressure (nCPAP) behandelt. Die Behandlung bewirkt, dass er nicht mehr unter Tagesmüdigkeit leidet.

Ein verkehrsmedizinisches Gutachten zieht nun den Schluss, dass Fahrtauglichkeit nur gegeben ist, wenn die nCPAP-Behandlung weiterhin regelmäßig während der Bettzeit in der Nacht angewendet wird und der Patient nachts kein KFZ führt. Das ist für einen selbständigen Spediteur aber undenkbar.

Sein Arzt wendet sich nun an die Community und bittet fachkundige Kollegen um Rat in diesem Fall:

  • Der Patient will das Gutachten nicht akzeptieren. Wenn er nachts nicht fahren dürfe, könne er seinen Laden gleich zu machen. Wie sehen das verkehrsmedizinisch tätige Kollegen?

    Facharzt für Innere Medizin

Die Diskussion zeigt, wie Ärzte auf coliquio gemeinsam nach Lösungen für ihre Patienten suchen:

Für mich wäre die grundsätzliche Anwendung des nCPAP ausschlaggebend unabhängig von der Tages- bzw. Nachtzeit der Anwendung. Schließlich geht es um die Vermeidung von Hypoxien während der Schlafphase, egal wann diese nun stattfindet. Zu diskutieren wären meines Erachtens darüber hinaus verkürzte Untersuchungsintervalle (2-3 Jahre) mit vorangehender Schlaflaborkontrolle.

Facharzt für Arbeitsmedizin

Akzeptiert ist eine regelmäßige! Anwendung von > 4 h / d im Schlaf. Es ist egal wann der Schlaf stattfindet, zur Tages- oder Nachtzeit. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und der Patient mittels CPAP nachweislich suffizient behandelt ist, bestehen keine Einschränkung für seine berufliche Tätigkeit. Ich bin keine Verkehrsmedizinerin, aber eine Schlafmedizinerin.

Fachärztin für Innere Medizin

Entwicklung der AU-Fälle aufgrund von Schlafstörungen

(Indexdarstellung 2005 = 100)

Schlafapnoe AU-Fälle
Quelle: DAK-AU-Daten 2005-2009

Wie die Analysen zeigen, ist die Erkrankungshäufigkeit aufgrund von Insomnien im Zeitraum 2005 bis 2009 um 61 Prozent gestiegen. Dem steht gegenüber, dass die AU-Fälle der Kategorie „Schlafstörungen insgesamt“ sich in diesem Zeitraum rückläufig entwickelt haben (minus 10 %). Noch ausgeprägter verlief die Entwicklung in Bezug auf die Einzeldiagnose „Schlafapnoe“. Die Zahl der AU-Fälle ging in diesem Zeitraum um 27 Prozent zurück.

Nicht nur medizinisches Wissen ist gefragt. Ein Kollege weist darauf hin, dass die Behörden das Gutachten möglicherweise falsch auslegen:

Ich würde mir als Hausarzt mal das verkehrsmedizinische Gutachten und das Schreiben der Fahrerlaubnisstelle ansehen. Ich kann mir ehrlich nicht vorstellen, dass der Verkehrsmediziner wirklich auf die Nacht abgehoben hat. Was dann die Straßenverkehrsbehörde daraus macht, ist dann wieder was Anderes. Möglicherweise haben die gar nicht darüber nachgedacht, dass man auch tagsüber schlafen kann.

Facharzt für Allgemeinmedizin

Wenn sich der Delinquent nun sein erholsames Schlafpensum außerhalb der typischen Nachtschlafzeiten einfährt und dabei sein CPAP-Gerät einsetzt, so sollten die Ordnungsamt-Mitarbeiter bei bestehenden verkehrsmedizinischen und schlafmedizinischen Erkenntnisgrundlagen ja hoffentlich nicht beratungsresistent sein. Ich kenne als „auch“ Verkehrsmediziner keine Verfügung oder Weisung eines Nachtschlafgebotes.

Facharzt für Arbeitsmedizin

Bei Schichtarbeit ist die Gesamtschlafzeit und Benutzungszeit des CPAP’s ausschlaggebend. … Den Verkehrsgutachter kann ich gerne durch ein fachspezifisches Kurzgegengutachten widerlegen, bzw. die Aussage klarstellen.
Im Führerscheingesetz: 2006/126/EG Annex III, §11 Abs. 2-5 ist es recht gut geregelt, dass bei Berufskraftfahrern (Führerscheingruppe 2) die jährliche Kontrolle mit Vigilanz-Test entscheidend ist (§11.Abs.5.).

Facharzt für Innere Medizin

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Einige Kollegen haben bereits Erfahrung mit betroffenen LKW-Fahrern und Piloten:

Ich habe seit den späten 90ern viele Bus- und LKW-Fahrer mit OSAS diagnostiziert und wieder zur Fahrtauglichkeit geführt, immer unter der Voraussetzung, dass die nCPAP Behandlung konsequent fortgeführt wird. Der Nachweis ist bei den neuen Geräten einfach. In ein Gutachten hineinzuschreiben, nCPAP müsse „nachts“ angewandt werden, zeugt von extremer Kurzsichtigkeit des Gutachters, sinnvoll ist die Formulierung „während der Schlafenszeit und in Ruhepausen, die zum Schlafen verwendet werden“. Wer selbst nicht nachts arbeitet und den nCPAP Gebrauch in der Nacht vorgibt, weil er meint, genau dann müsse „man“ schlafen, zeigt wenig Verständnis für Menschen, die nachts arbeiten.

Facharzt für Arbeitsmedizin

Das Verbot nachts zu fahren macht keinen Sinn. Wichtig ist der Nachweis der konstanten Nutzung des Gerätes, egal ob bei Tage oder bei Nacht geschlafen wird. Ich bin Flugmediziner. Schlafapnoe-Piloten erhalten eine Sondergenehmigung, natürlich auch für Nachtflüge. Bei den Tauglichkeitsuntersuchungen verlange ich die Vorlage des Gerätes oder des SD-Chips und überprüfe so die regelmäßige Nutzung.

Facharzt für Innere Medizin

Entwicklung der AU-Tage aufgrund von Schlafstörungen

(Indexdarstellung 2005 = 100)

Schlafapnoe AU-Tage
Quelle: DAK-AU-Daten 2005-2009

Die Zahl der Fehltage aufgrund von Insomnien entwickelten sich im gleichen Zeitraum ─ trotz eines Rückgangs in 2007 sowie auch in 2009 ─ um 50 Prozent ansteigend.

In der DAK-Bevölkerungsbefragung wurde erhoben, wie oft es vorgekommen ist, dass die Befragten wegen Schlafproblemen bzw. nicht erholsamen Schlafs nicht zur Arbeit gehen konnten, zum anderen, wie oft es vorgekommen ist, dass der Drang empfunden wurde, am Arbeitsplatz einzuschlafen. Nur sehr wenige Befragte geben an, dass sie überhaupt einmal aus diesem Grund bei der Arbeit gefehlt haben: 8,5 %.

91,5 Prozent haben noch nie wegen Schlafproblemen gefehlt.

Ein Zahnmediziner weist auf eine alternative Behandlungsmethode hin, die besonders für den mobilen Einsatz einfach anzuwenden ist:

Ich bin Zahnarzt mit Tätigkeitsbereich Schlafmedizin und entsprechender Ausbildung.
Der medizinische Inhalt dieses Gutachtens zielt ja eigentlich nur auf die tägliche Schlafruhe ab und nicht auf den Zeitpunkt, wann diese eingehalten wird.
Als Alternative zu nCPAP-Masken haben sich gerade auch für Berufskraftfahrer bei leichter bis mittelschwerer OSAS die Unterkieferprotrusionsschienen bewährt, diese sind portabel und brauchen keinen Stromanschluss.
Für den Beweis der „Nachtruhe“ lassen die sich sogar mit einem auslesbaren „Tragechip“ ausrüsten. Eventuell erleichtert solch eine Schiene die Entscheidung.

Zahnarzt

Fazit

Die Kollegen sind sich einig, dass einzig die regelmäßige Nutzung des Gerätes ausschlaggebend ist und es nicht darauf ankommt, zu welcher Tageszeit man arbeitet oder schläft.

Der Blogbeitrag macht deutlich, dass sich Ärzte kollegial und gewissenhaft, auch jenseits ihrer medizinischen Kerndisziplin, mit behördlichen Angelegenheiten ihrer Patienten auseinandersetzen.

  • Vielen Dank für die überwiegend problembezogenen Antworten. Die Antworten stufe ich als überwiegend hilfreich ein. Mal sehen ob sich das Straßenverkehrsamt auch im Sinn des Betroffenen überzeugen lässt. Dank an die Kollegen.

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