Gastbeitrag von Hanno Wolfram   Aktuell steht die Pharmabranche an einem Scheideweg: Entweder werden immer mehr Produkte zu austauschbaren No-Name-Commodities oder die Unternehmen beginnen, ihr Geschäftsmodell zu erneuern.

Neue Angebote und Geschäftsmodelle – Kreativität ist gefragt!

Patentablauf, Zwangsrabatt, Preismoratorium und kein Zusatznutzen: manchmal hat man kein Glück und dann kommt auch noch Pech dazu. Dies trifft immer häufiger die Pharmaindustrie. Es sind Teile des Geschäftsmodells, die nicht mehr zu funktionieren scheinen. Unstrittig ist, dass die Pharmaindustrie einen erheblichen Teil zur steigenden Lebenserwartung beigetragen hat. Millionen von Patienten wissen Leistungen und Beiträge zur Heilung und Linderung von Krankheiten und zur Verbesserung individueller Lebensqualität zu schätzen. Die Forderung an die Pharmaindustrie, Beiträge jenseits der Tablettenschachteln zu leisten, gibt es schon lange. Doch Zweifel bezüglich des ROI, zweckgebundene Budgets, gesetzliche Beschränkungen sind nur einige Gründe, die die Kreativität zu hemmen scheinen.

Innovative Services und Kooperationen: Vorbild Automobilindustrie

Die Automobilindustrie zeigt, wie es gehen kann: mit Services, die „beyond the car“ alles umfassen, was neben dem Fahrzeug-Kauf relevant und profitabel ist. Immer mehr Unternehmen entwickeln sich zum Anbieter von Mobilitätslösungen. Dies können CarSharing-Modelle, wie Car2Go, oder die strategische Zusammenarbeit mit dem weltweit agierenden Taxidienst Uber sein.

Mehr noch: Seit vielen Jahren haben die meisten Autohersteller eine Banklizenz und bieten ihren Autokunden alle relevanten Bankdienstleistungen an. In Zeiten mit geringem Absatz stellen Autobanken mit ihren Services den konsolidierten Profit der Unternehmen sicher. Die Automobilindustrie bietet Services an, die von den Kunden gesucht und deren Marge nachhaltig ist. Kunden kaufen nicht mehr nur Autos, sondern erwerben Mobilität.

Individuelle Lösungen anstelle von “me too“

Gemeinsam mit dem bisherigen Geschäftsmodell sterben Begriffe wie „one size fits all“, „benchmark“ und „best practice“. Die Anzahl der Pharma-Geschäftsmodelle wird sich in der Zukunft vermehren und sie werden sich deutlich voneinander unterscheiden – müssen! Projekte, in denen sich Pharma-Unternehmen mit Googles Gesundheitsunternehmen Verily zusammentun oder sich Dr. Watson von IBM nähern, sind bereits interessante Ansätze „beyond the pill“.

Nirgendwo anders ist so viel Wissen zu den jeweiligen Indikationen und Krankheitsbildern verfügbar, wie in der pharmazeutischen Industrie. Dieses Wissen liegt in aller Regel in medizinischen Abteilungen verborgen. Dieser Schatz kann gehoben und Leistungserbringern und Patienten „beyond the pill“ verfügbar gemacht werden.

Die Adaption erfolgreicher Prozesse schafft mehr Effizienz im Gesundheitssystem

Es gibt eine weitere Disziplin, die Pharma-Unternehmen beherrschen, die dem Gesundheitswesen bis heute weitgehend fehlt: Effizienz durch Arbeitsabläufe und qualitätsüberwachte Prozesse. Hier gibt es großen Bedarf bei den Leistungserbringern und große Kenntnisse bei den Pharma-Unternehmen.

Als „Standard Operating Procedures“ sind viele Prozesse seit Jahrzehnten in jedem Unternehmen etabliert. Wenn es gelänge, qualitätsgesicherte Prozesse in der Versorgung von Patienten zu etablieren, dann werden nicht nur die Ergebnisse für den Patienten spürbar besser. Mehr Zeiteffizienz, höhere Produktivität und besserer Outcome sind das Ergebnis klarer und ständig verbesserter Abläufe. Und gleichbedeutend mit mehr Lebensqualität für Leistungserbringer und ihre Patienten.

Noch tun sich Versorgungsforschung und die Pharmaindustrie allerdings schwer, den Patienten einzubeziehen. Smartphone-Apps und andere technische Möglichkeiten könnten Genesung und Wohlbefinden von Patienten schon heute wesentlich fördern. Nur adaptierte Unternehmensziele, deren nachgeordnete Strategien und das richtige Mindset der handelnden Personen, werden strukturelle Veränderungen der Industrie ermöglichen.

Fazit:

Falls es der Pharmaindustrie gelingt, ihren Wissensschatz zum Nutzen der Leistungserbringer und Kranken zu heben, wird es nicht nur Patienten, sondern auch der Industrie bessergehen. Ob Pharmaunternehmen rechtzeitig einen Fuß in diese Drehtür nötiger Veränderung bekommen, ist eine Frage von Agilität und Kreativität.

Wenn Sie auch für Ihr Unternehmen über neue Geschäftsmodelle nachdenken, melden Sie sich zum Pharma-Colloquium an: Die HealthcareShapers haben es als Katalysator neuer Geschäftsmodelle konzipiert. Entscheider und Gestalter sind herzlich eingeladen, in der DenkWerkstatt zu überlegen, wie die Fähigkeiten und das umfassende Wissen von Pharmaunternehmen für eine bessere Patientenversorgung eingesetzt und daraus zukunftsrobuste Geschäftsmodelle begründet werden können.

Der Autor

Hanno Wolfram, geboren 1950 in Offenbach, startete 1975 im Pharmaaußendienst in sein Berufsleben. Später war er in der Branche als Regionalleiter, Personalleiter und Area Manager Europe tätig.

Nach 20 Jahren Pharmaindustrie gründete Hanno Wolfram sein Unternehmen Innov8 und unterstützt seitdem Kunden in mehr als 25 Ländern bei Veränderungsprozessen. Im Januar 2015 erschien sein Buch „KAM in Pharma 3.0“.

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