Kay Rohnke ist Commercial Director Structural Heart D-A-CH bei Abbott Vascular. Auf dem coliquio Summit am 17. November in Berlin wird er als Speaker auf dem Podium stehen. Wir haben vorab mit ihm über die Veränderungen im MedTech-Marketing gesprochen und darüber, wie der Außendienst von orchestrierten Marketing Maßnahmen profitieren kann.

Med-Tech Marketing: Von der Beziehungspflege zum definierten Zielgruppen Marketing

Lysander Fuchs: Guten Tag Herr Rohnke, eine Standort-Analyse vorweg: Wie haben sich Marketing & Sales in den letzten Jahren in der Med-Tech-Branche verändert?

Kay Rohnke: Besonders in den Bereichen, in denen Abbott Vascular aktiv ist, also der Kardiologie und Herzchirurgie, hat sich viel getan. Wir arbeiten im Marketing vor allem mit den großen Herzzentren, Universitäten und größeren Klinken. Vor 20 Jahren waren wir in erster Linie im Kontakt mit den direkten Anwendern unserer Produkte. Damals war Marketing sehr beziehungsgetrieben: Waren die Anwender von unseren Produkten überzeugt, haben sie die Entscheidungen getroffen.

Heute müssen Sie ein sehr viel differenzierteres Zielgruppen Marketing betreiben und viel mehr Parteien mit im Blick behalten und z.B. Einkaufsgruppen haben heute einen großen Einfluss im Markt. Auch die Geschäftsführung müssen Sie involvieren.  „Den Anwender“ gibt es nicht mehr, da Chefärzte z.B. heute für das wirtschaftliche Ergebnis ihrer Abteilungen verantwortlich sind. Ihre Entscheidungen hängen unter anderem also von der Kosteneffizienz ihrer Produkte ab. Der operierende Arzt hat wieder andere Informationsbedürfnisse.

Und Sie müssen heute auch den Patienten adressieren: Er ist heute wesentlich aufgeklärter und stellt Fragen zur Therapie und zum Device an sich. Der Patient erkundigt sich auch verstärkt danach, welche Nebenwirkungen er erwarten muss. Und wenn es nicht der Patient selbst ist, suchen Angehörige im Internet nach Antworten und Alternativen.

Beziehungen werden auch weiterhin im Marketing eine wichtige Rolle spielen, vor allem bei neuen Produkten. Als einzige Maßnahme reichen sie allerdings nicht mehr aus.

Lysander Fuchs: Wenn Marketing heute zielgruppenspezifisch funktioniert, wie sieht das in Ihrem Unternehmen konkret aus? Welche Kanäle bespielt Abbott Vascular?

Kay Rohnke: Abbott Vascular bespielt ein großes Spektrum an Kanälen, das geht von der Fachpresse bis hin zur Yellow Press, über die wir Patienten informieren, aber auch niedergelassene und zuweisende Ärzte. Die ganz klassische Post ist immer noch ein Teil unserer Marketing-Maßnahmen.

Eine große Rolle spielen mittlerweile digitale Plattformen. Vor allem Communities sind, neben der Patienten-Website, wichtige Kanäle. coliquio ist eine Plattform, auf der wir mit einem Infocenter vertreten sind. Und mit unseren Advanced Heart Therapies haben wir eine Art eigene Community aufgebaut, die sich auf technischer Ebene an die Anwender unserer MitraClip-Therapie richtet. Dieser Bereich steht für uns im Moment sehr im Fokus.

Ein entscheidender Kanal bleibt weiterhin der Außendienst, wobei es den klassischen Außendienst nicht mehr gibt. Er ist heute sehr spezialisiert und auf die einzelnen Bedürfnisse zugeschnitten. Einen Anwender, der ein neues Verfahren testen möchte, müssen Sie anders adressieren als einen Geschäftsführer, dem Sie erklären müssen, warum das für das wirtschaftliche Ergebnis und das Überleben seiner Klinik gut ist. Der Außendienst stellt bereits in sich mehrere „Kanäle“ dar, da unterschiedlich spezialisierte Mitarbeiter unterschiedliche Zielgruppen bedienen.

Spezialisierte Kanäle kommunizieren und lernen voneinander

Lysander Fuchs: Mit Zielgruppen-Spezialisierung ist es heute nicht mehr alleine getan. Was sind die nächsten Schritte von Abbott Vascular im Med-Tech Marketing?

Kay Rohnke: Der nächste zentrale Schritt muss jetzt die Orchestrierung sein. Kanäle müssen nicht nur spezialisiert, sondern auch synchronisiert sein. Alle Informationen, die wir im Kaufprozess erzeugen und die wir von den analogen und digitalen Kanälen erhalten, müssen richtig aufbereitet werden, damit der Außendienst sie nutzen kann. Gleichzeitig erzeugt jede Aktivität des Außendienstes beim Kunden Erkenntnisse, die wieder in die digitalen Kanäle zurückfließen müssen. Das ist die Vorstellung. Bis das perfekt funktioniert, wird allerdings noch etwas Zeit vergehen.

Lysander Fuchs: Welche Voraussetzung muss erfüllt sein, damit die Orchestrierung funktionieren kann?

Kay Rohnke: Die zentrale Voraussetzung sind die Schnittstellen – die müssen definiert sein. Sie müssen einen Ort schaffen, wo alle Informationen zusammenfließen. Das setzen wir um in Form einer Plattform. Eine CRM-Lösung auf Salesforce-Basis, mit der wir alle unsere Kanäle vernetzen. Es ist noch ein weiter Weg, bis das perfekt funktioniert, wir stehen noch am Anfang und es ist noch viel Handarbeit nötig. Abbott ist ein großer Konzern mit Leitung aus USA. Das bedeutet, wir müssen CRM-Systeme schaffen, die auch für andere Geschäftsbereiche nutzbar sind, um eine Kosteneffizienz zu garantieren.

Lysander Fuchs: Welche Bedeutung hat eine solche Plattform?

Kay Rohnke: Wir versuchen mit den Aktivitäten auf den digitalen Plattformen und den herkömmlichen Marketing-Aktivitäten – auch bei Kongressen usw. – in Kombination mit dem Außendienst unsere Reichweite extrem zu erhöhen. Mit der Synchronisierung können wir unsere Effektivität maßgeblich steigern. Wir können keinen Außendienst einstellen, der 50.000 niedergelassene Ärzte besucht. Das macht keinen Sinn für uns. Wir können aber durch die Kombination verschiedener Kanäle genau die richtigen Ärzte finden und damit eine hohe Effektivität erreichen. Auf der anderen Seite bedeutet das auch, mit diesen Aktivitäten eine enge Verbindung zu den Kunden herzustellen und fokussiert an sie heranzutreten.

Durch Synchronisation können wir die richtigen Themen mit den Zielgruppen besprechen und nachhaltige Informationen liefern. Das sehe ich als Vorteil – nicht nur für den Außendienst – sondern für den gesamten Geschäftsbereich und den weiteren Aufbau der MitraClip-Therapie. Und sicherlich eignen sich dafür auch andere Therapien.

Lysander Fuchs: Haben Sie ein Beispiel wie eine solche Synchronisierung jetzt schon funktioniert?

Kay Rohnke: Ich gebe Ihnen ein konkretes Beispiel: Führt ein Arzt eine OP durch, können wir feststellen, von welchem Arzt der Patient kommt. Ist dieser Arzt bei Advanced Heart Therapies angemeldet, können wir über die Plattform eine Verbindung herstellen. Nicht namentlich, aber wir erhalten Informationen über die Region und die Stadt. So können wir die Daten unserer digitalen Kanäle mit den Daten unseres CRM-Tools vernetzen und daraus Erkenntnisse ableiten.

Wir haben auch eine einfache Smartcard für den postalischen Weg entwickelt, über die Informationen angefordert werden können. Die Rückläufer waren überraschend hoch. Aufgrund dieser Informationen konnten wir feststellen, dass auch hier Deckungsgleichheit besteht. Darauf können wir aufbauen und Aktivitäten beim Außendienst triggern.

In Deutschland sind es ca. 50.000 Ärzte, die für uns interessant ist. Wir müssen diejenigen identifizieren, die an weiteren Informationen interessiert sind und das triggert dann Aktivität beim Außendienst.

Der Außendienst spielt dann Informationen an die Plattform zurück und hält fest, ob der Arzt Interesse an weiteren Informationen hat. So lernt er aus den digitalen und analogen Kanälen.

Der Vorteil: Der Außendienst kann die richtigen Ärzte identifizieren und gezielt mehr Informationen liefern.

Lysander Fuchs: Der Außendienst lernt also von den digitalen Kanälen und wendet dieses Wissen konkret an. Funktioniert das auch andersherum?

Kay Rohnke: Das kann zum Beispiel so aussehen: Ein Außendienst-Mitarbeiter besucht den niedergelassenen Arzt und sie unterhalten sich. Nach dem Gespräch gibt der Außendienst-Mitarbeiter am i-pad einige Punkte in sein Softwaretool ein und wir senden dem Arzt über unsere digitalen Kanäle am nächsten Tag weitere Informationen. Das ist die ideale Vorstellung, wie diese Verbindung ganz konkret aussehen kann. Gleichzeitig kann man in einer zentralen Abfrage schauen: Wie viele Besuche hat der Außendienst-Mitarbeiter gemacht?  Wie viele Informationen wurden danach angefordert? Was hat das für Auswirkungen auf das Ärzte-Verhalten? Sie können also schöne Dinge damit machen.

Lysander Fuchs: Was heißt das für den Außendienst? Wie wird sich seine Rolle verändern?

Kay Rohnke: Der Außendienst wird Teil eines Gesamtsystems. Wir gehen weg vom reinen beziehungsgetriebenen Außendienst. Beziehungen werden immer wichtig bleiben und auch in Zukunft wird der Außendienst bei interessierten Ärzten auftauchen. Man kann nicht alles digital machen. Wir können das aber optimieren. Wir haben sehr viele Ansprechpartner, die wir alle adressieren wollen. Eine Plattform ist der ideale Ansatz, damit Sie effektiver in der Ansprache werden und auch Feedback bekommen. So lernen Sie, was funktioniert und was nicht.

Lysander Fuchs: Wie messen Sie die Synergieeffekte einer zentralen Plattform, die Kanäle miteinander vernetzt?

Kay Rohnke: Da sind wir noch ganz am Anfang und es sind kleine Schritte bis jetzt. Wir versuchen die Zusammenhänge herzustellen. Irgendwann werden wir über das Software-Tool auch sehen, wie sich die einzelnen Produkte entwickeln. Bis dahin sind aber viele kleine Schritte dazwischen notwendig. Bis jetzt ist es ein großes Thema, das sich nicht ganz einfach gestalten wird.

Die nächsten Schritte der Med-Tech Branche

Lysander Fuchs: Was sind denn die nächsten konkreten Schritte für Ihr Unternehmen, wenn wir über Synchronisierung, Außendienst und Kanäle reden?

Kay Rohnke: Sie haben sicherlich Verständnis, dass wir nicht über alles, das Abbott Vascular plant, reden können. Ich gebe Ihnen einen Aspekt: wir werden sehr viel Energie investieren, um uns vom reinen Produktverkäufer zum Systemanbieter und strategischen Partner für Kliniken zu entwickeln. Gleichzeitig wollen wir auch den Patienten die Vorteile einer digitalen Zusammenarbeit aufzeigen. Das passiert z.B. über Öffentlichkeitsarbeit. Wir haben eine Website herzklappenhilfe.de, auf der sich Patienten über unseren Mitra-Clip informieren können. Hier können wir Kliniken mit ihrer Internetseite verlinken, wenn sie das möchten. Das wird es künftig natürlich nicht mehr gratis geben – das ist ein Beispiel, wie wir auch Dienstleistungen verkaufen werden.

Da geht der Trend für uns hin: Dienstleistungen verkaufen, Produkte als Teil eines Gesamtpaketes vertreiben und intensive Kooperationen mit den Kliniken eingehen. Wir wollen uns viel enger mit den Prozessen in Kliniken verbinden – sowohl technisch, strategisch als auch was Marketing-Aktivitäten betrifft.

Für Kliniken bietet das große Vorteile. Sie haben heute auch die Aufgabe, Marketing für ihre Angebote zu betreiben. Da haben wir natürlich Möglichkeiten, effektiv zusammenzuarbeiten und den Kliniken zu zeigen, welche Möglichkeiten es zur Zusammenarbeit mit der Industrie gibt.

Lysander Fuchs: Wo wird die Medtech-Branche und Ihr Unternehmen in 5 Jahren stehen? Wie schätzen Sie das ein?

Kay Rohnke: Über ein paar Ansätze haben wir in der letzten halben Stunde schon gesprochen. In diesen Bereichen gibt es große Möglichkeiten und sie werden sich in den nächsten Jahren verstärken.

Auf der anderen Seite werden wir aber auch speziell in Deutschland einen weiteren Kostendruck, Preisverfall und Werteverfall in der Med-Tech-Branche sehen. Man wird eine weitere Konzentration von Kliniken sehen, aber auch die, die in den nächsten 5 Jahren von der Bildfläche verschwinden.

Es wird ein Marktkonzentrations- und Veränderungsprozess in der Kliniklandschaft stattfinden.

Und es wird in Deutschland sehr viel schwieriger sein, Produktinnovationen in den Markt zu bringen. Das bedeutet für sehr innovative Firmen, zu denen ich Abbott Vascular dazuzählen würde, dass es extrem schwierig sein wird, jedes Jahr eine neue Innovation im Markt einzuführen. Für die Kliniken wird es schwierig, immer etwas Neues anzubieten, weil sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland ändern.

Die Med-Tech Branche wird neue Felder öffnen müssen und die Kosten anders darstellen. Das geht bis hin zu: Wie groß muss der Außendienst noch sein? Das wird beeinflusst von der Qualität, die die digitalen Plattformen erreichen. Wir haben klar gesagt, 1 zu 1 persönlich wird immer nötig sein, aber wie viel brauchen Sie denn noch dafür, wenn Sie Ihre Zielgruppen mit digitalen Kanälen effektiv adressieren können. Das sind Bereiche, die einen solchen Prozess beschleunigen.

Lysander Fuchs: Und eine letzte Frage: Sie sind Speaker auf dem coliquio Summit, worauf freuen Sie sich?

Kay Rohnke: Ich freue mich auf die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch und die Möglichkeit für neue Impulse. Manchmal geht das ganz schnell, wenn jemand ein Projekt schildert, und Sie denken sich „Ach Mensch, da hätte ich auch selber draufkommen können!“ Es ist auch eine gute Gelegenheit gleich nachzufragen: „Was haben Sie für Erfahrungen damit gemacht?“ Gleichzeitig ist es immer eine gute Gelegenheit, sein Netzwerk zu erweitern und Best Practices zu teilen.

Lysander Fuchs: Herr Rohnke, vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf Ihren Vortrag am 17. November in Berlin.

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