Der 13. März 2015 war das Datum, an dem ich konvertierte. Ich wechselte die Konfession, entsagte dem Windows-Universum und wurde ein Apple-Jünger. Ich kaufte mir ein Macbook Pro. Doch bevor ich einen Apple-Store von innen sah, wühlte ich mich mithilfe meiner digitalen Kanäle durch die Untiefen der verfügbaren Informationen im World Wide Web.

Ich erforschte die Produktseiten auf apple.com, saugte Testberichte auf, las jede Rezension auf diversen Foren und nervte meine Freunde auf Facebook und Twitter, ob ich im Begriff war, die richtige Entscheidung zu treffen.

Dies alles tat ich, ohne auch nur einmal mit einem Apple-Berater gesprochen zu haben. Erst danach ging ich physisch in einen Store und präsentierte dem Verkäufer die Früchte meiner Recherche.

Und was hat der Wechsel meines Betriebssystems mit Content-Strategie und Pharma-Marketing zu tun? Nun, Ihre Kunden werden sich ähnlich verhalten.

Und im schlimmsten Fall bekommen Sie das noch nicht einmal mit.

The Age of the Customer – was bedeutet das?

Bevor Nutzer in Kontakt mit Ihnen treten, um weiteres Informationsmaterial oder eine Produktprobe zu erhalten, werden sie sich vollkommen autark über Ihr Unternehmen sowie Ihre Produkte und Dienstleistungen informieren. Für dieses Verhalten gibt es einen Begriff: Age of the Customer – das Zeitalter des Kunden.

Age of the Customer beschreibt einen Paradigmen-Wechsel im Kundenverhalten. Strategien im Marketing und Vertrieb müssen dies reflektieren. Kunden sind mächtig geworden. Digitale Technologien und Innovationen in den letzten zehn Jahren befähigen Ihre Kunden, autark komplexe Kaufentscheidungen zu treffen.

Das Zeitalter der Unternehmen ist vorbei. Der Ansatz von Unternehmen, sich zuerst auf die eigene Marke und dann erst auf die Interessen und Bedürfnisse der Kunden zu konzentrieren, kann nicht mehr funktionieren.

Was macht The Age of the Customer aus?

Warum müssen Unternehmen umdenken? Nun, unser tägliches Leben ist mittlerweile hochgradig digital. Wir nutzen Smartphones als Wecker, als Zeitung, als Navigationsinstrument, als Lexikon und natürlich zur Kommunikation.

Wir sind jederzeit vernetzt mit unserer Community und haben direkten Zugriff auf Informationen, wann immer wie sie brauchen.

Wir haben gelernt, mit diesen Technologien selbstständig umzugehen und für unseren täglichen Bedarf optimal zu nutzen.

Aldo Cundari, CEO einer Agentur mit Spezialisierung auf Integriertes Marketing, hat in seinem Buch „Customer-Centric Marketing“ dem Phänomen Age of the Customer ein ganzes Kapitel gewidmet. Seiner Ansicht nach führt die Nutzung von digitalen Technologien zu fundamentalen Veränderungen im Nutzerverhalten Ihrer Kunden.

  • Age of the Costumer is much more disruptive and has dramatically changed how customers behave, purchase, and engage brands.

    Aldo Cundari

Kunden treten erst nach einer autarken Recherche in Kontakt mit den physischen Touchpoints eines Unternehmens. Bevor also ein Vertreter Ihres Unternehmens mit einem potenziellen Kunden spricht, hat der sich schon vorab über Ihre Produkte und Dienstleistungen informiert.

Die Herausforderung für Unternehmen besteht nun darin, sich auf die Bedürfnisse der Kunden zu konzentrieren, genau zu analysieren und herauszufinden, welchen Content die potenziellen Kunden in dieser Stufe der Customer Journey benötigen und diesen auch bereitzustellen.

Um wirklich aussagekräftige Informationen zu erhalten, sollten Sie verstehen, welche Faktoren einen Einfluss auf das Verhalten Ihrer Nutzer haben.

Micro-Moments: Was Ihre Kunden zum Handeln veranlasst

Der Begriff wurde durch Google geprägt und analysiert. Welche Momente dies sind, zeigt das folgende Video anschaulich.

Micro-Moments sind also Zeitpunkte im Leben von Menschen, die eine unmittelbare Handlung auslösen. Meist ist diese Aktion die aktive Suche nach Informationen, Produkten oder Dienstleistungen. Es ist ein Moment, in dem der Kunde ein dringendes Bedürfnis hat, Informationen zu erhalten, die ihm in diesem Moment weiterhelfen.

Die Kunst, so Google, besteht darin, diese in Echtzeit stattfindenden Suchanfragen zu verstehen, die dazugehörigen Touchpoints zu identifizieren und diese mit Informationen in Form von Content zu füttern.

Im Pharma-Marketing könnte das so aussehen:

Die Ärztin trifft eine Diagnose, die eine bestimmte Behandlung erfordert, ist sich aber unsicher, ob die Therapie in diesem speziellen Fall die passende ist. Sie sucht nach vergleichbaren Therapien und nach Beschreibungen ähnlicher Fälle, die Kollegen auf coliquio eingestellt haben. Während ihrer Suche stößt sie auf fundierte Informationen Ihres Unternehmens, die Sie auf Ihrem coliquio-Infocenter bereitgestellt haben. Diese beschreiben zum einen das Krankheitsbild und stellen zum anderen eine konkrete Behandlungsmöglichkeit vor. Die Ärztin ist interessiert und tritt mit Ihrem Außendienst in Kontakt.

Der Kunde trifft komplexe Entscheidungen selbst

Wir haben fast auf das gesamte Wissen der Welt Zugriff, und zwar mit einem Fingerwisch – egal an welchem Ort und zu welcher Zeit (vorausgesetzt, Sie haben Zugriff auf das Internet). Dadurch sind wir theoretisch in der Lage, immer komplexere Entscheidungen zu treffen, ohne auf die direkte Hilfe von Dritten angewiesen zu sein.

Gleichzeitig schwindet jedoch die Zeit, die Menschen für die Informationssuche, -aufnahme und, vielleicht am wichtigsten, deren Verifikation aufbringen können.

Ihre Kunden stehen tagtäglich vor schwierigen Entscheidungen, da die Gesundheit anderer Menschen auf dem Spiel steht.

Diese Kombination, immer mehr Zugriff auf Informationen bei gleichzeitig schwindender Aufmerksamkeit, erfordert eine klare Strukturierung Ihres Contents. Information allein reicht nicht mehr aus. Sie muss leicht zugänglich und verständlich an das Nutzungsverhalten Ihrer Kunden angepasst werden.

Beispielsweise mit einer „mobile-first-Strategie“, welche die stark steigende mobile Nutzung von Inhalten berücksichtigt. Oder in Form von modularem Content, bei dem Inhalte in kleine Stücke aufgeteilt, und anschließend in mehreren Formaten wiederverwendet werden.

Dadurch ermöglichen Sie Ihren Kunden, selbstständig komplexe Entscheidungen zu treffen, was diese wiederum mit Vertrauen und Kundenbindung entlohnen.

Social Validation: Der Einfluss der Community wächst

Auf der selbstständigen Suche nach Informationen spielt die eigene Community eine wichtige Rolle. Kunden haben genug von traditionellen Kommunikationsbotschaften, Marketing und Werbung. Sie sind skeptischer und zynischer. Sie vertrauen dem Marketing-Sprech auf Unternehmenswebseiten immer weniger, dafür umso mehr den Mitgliedern ihrer eigenen Community. Sie recherchieren mehr und gehen online, um eine Aufgabe zu erfüllen.

Dieses Verhalten wird auch „Social Validation“ genannt, kommt ursprünglich aus der Verhaltensforschung und meint die Abstimmung des eigenen Verhaltens mit dem Verhalten der eigenen Community.

In meinem Fall war das in der Tat ein wichtiger Punkt. Denn bevor ich mir einen Apple Rechner kaufte, habe ich erst mal die Meinung meiner eigenen Community eingeholt. Viele Mitglieder dieser Community haben gute Erfahrungen mit ihren Apple-Produkten gemacht. Dadurch fühlte ich mich in meiner eigenen Kaufabsicht bestärkt und entschied mich letztendlich auch für das MacBook.

Content, den Sie als Pharmaunternehmen auf einer Ärztecommunity wie coliquio bereitstellen, profitiert von diesem Effekt und erhält dort eine höhere Glaubwürdigkeit als auf einer Produktwebsite.

Zusätzliche Authentizität und Transparenz erhält Ihre Marke, wenn Ihr eigener Content durch User-Generated-Content ergänzt wird. Dies können beispielsweise Kommentare von Ärzten auf Ihrem Infocenter sein.

Produktinnovationen durch User-Generated-Content

User-Generated-Content ist aber nicht nur hilfreich für die eigene Reputation. Er kann auch zu Produktinnovationen oder zur Veränderung der führen, was in meinen Augen eine der wichtigsten Auswirkungen im Kundenzeitalter ist.

In der Vergangenheit hat sich die Marketing-Praxis von Organisationen schon oft durch technologische Neuerungen verändert. Diese Veränderungen wurden aber zumeist durch Marketeers initiiert. Kunden hatten jedoch kaum Einfluss darauf, wie Produkte auf den Markt gebracht wurden. Dies hat sich im Zeitalter des Kunden gewaltig verändert.

Im Fall der Pharmaindustrie ist der direkte Einfluss von Patienten auf die Entwicklung von Medikamenten verständlicherweise sehr gering, allein schon aus rechtlichen Gründen. Das ist auch gut so. Im Kommunikationsbereich sind die Möglichkeiten dagegen größer. Ein gutes Beispiel dafür ist das durch die AOK unterstützte Online-Projekt „washabich.de“. Hier übersetzen Medizin-Studenten kostenlos Arztbefunde in eine für Patienten leicht verständlichen Sprache.

Cundari, der bereits weiter oben zitiert wurde, beschreibt diese Entwicklung mit folgenden Worten:

  • In previous eras, innovations in manufacturing, information, and communications sparked new marketing practices. These practices were mainly driven by the marketer and unaffected by the hands of the customers, but in this new era [Age of the Customer, Anm. des Autors], it´s the customers who have a prominent and leading role in the relationship and we´re even seeing their increased participation in strategic planning, product development, and marketing program development.

    Aldo Cundari

Folgendes Schaubild verdeutlicht diese Entwicklung:

Grafik_Cundari
Quelle: Aldo Cundari, 2015, S. 9

Unternehmen müssen größeres Einfühlungsvermögen entwickeln, mehr Erkenntnisse über ihre Kunden erlangen. Dies ist ohne Interaktion mit den Kunden schwer möglich.

Fazit

Digitale Technologien und Innovationen haben das Marketing von Heute gründlich auf den Kopf gestellt.

Die Art, wie Unternehmen mit Ihren Kunden sprechen oder Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringen, ist maßgeblich vom Kundenverhalten geprägt.

Im digitalen Zeitalter sind Kunden zunehmend dominierend, haben mehr Kontrolle, sind ungeduldiger und weniger loyal – dies führt zu steigender Unzufriedenheit.

Die Customer Journey Ihrer Kunden beginnt in der Regel mit einer autark geführten Informationsrecherche. Organisationen müssen sich dieser Entwicklung anpassen.

Dies schaffen Sie, indem Sie Strukturen und Prozesse im Unternehmen aufbauen, die dabei helfen, Kundenverhalten durch Datenerhebungen zu analysieren, den Kunden zu verstehen und Kontext-basierte Informationen bereitzustellen.

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