Die Medizin ist längst weiblich – nicht nur im Studium, sondern auch in der beruflichen Praxis. 2024 hat die Bundesärztekammer erstmals mehr berufstätige Ärztinnen als Ärzte gezählt. Damit ist der Kipppunkt bei der Geschlechterverteilung in der ärztlichen Versorgung erreicht – mit klaren Auswirkungen auf Kommunikation, Produkte und Marketing.

Mit einem Anteil von 50,1 Prozent ist erstmals die Mehrzahl der berufstätigen Ärzteschaft in Deutschland weiblich (Bundesärztekammer – Ärztestatistik 2024). Trotzdem zeigt sich im ärztlichen Berufsalltag: Frauen haben nicht dieselben Chancen, erleben höhere Belastung und werden strukturell benachteiligt. Wer Healthcare Marketing wirklich zielgerichtet gestalten will, sollte genau hinschauen – denn die Bedürfnisse von Ärztinnen unterscheiden sich in vielen Punkten deutlich von denen ihrer männlichen Kollegen.

coliquio hat in zwei aktuellen Reports die Stimmung und das Einkommen der Ärzteschaft untersucht. Besonders die Perspektive der Ärztinnen verdient dabei besondere Aufmerksamkeit. Sie sind keine Randgruppe mehr, sondern eine zentrale Zielgruppe – mit eigener Realität. Die Daten aus dem coliquio-Gehaltsreport 2025 und dem Stimmungsbarometer 2025 machen deutlich: Ärztinnen erleben den Berufsalltag anders Ärzte – mit eigenen Herausforderungen, eigenen Hürden und anderen Bedürfnissen.

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Gender Pay Gap: Eine Lücke, die Karrieren formt

Laut Gehaltsreport verdienen Ärztinnen im Schnitt 114.800 €, Ärzte dagegen 182.100 €. Das ist eine Differenz von über 67.000 € jährlich. Auch bei Vollzeit sieht es nicht besser aus:

  • Ärztinnen in Vollzeit: Ø 138.600 €
  • Ärzte in Vollzeit: Ø 203.700 €
  • Gender Pay Gap: 32 %

Diese Lücke ist kein Nebeneffekt von Elternzeit oder Teilzeit. Sie bleibt auch dann bestehen, wenn man vergleichbare Arbeitszeitmodelle betrachtet. Es ist ein strukturelles Problem.

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Teilzeit ist weiblich – und bringt doppelte Nachteile

Teilzeit bedeutet nicht automatisch weniger Leistung – aber fast immer weniger Einkommen, weniger Führungsverantwortung und schlechtere Aufstiegschancen.

  • 46 % der Ärztinnen arbeiten in Teilzeit.
  • Bei Ärzten sind es nur 18 %.

Hinzu kommt: Viele Ärztinnen erleben einen „unsichtbaren Druck“, sich zwischen Familie und Beruf entscheiden zu müssen. Die Folge: Frust, Überlastung – oder der Rückzug aus anspruchsvollen Rollen.

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Gefühlte Fairness: Ärztinnen fühlen sich seltener gerecht behandelt

Im coliquio-Stimmungsbarometer zeigt sich: Frauen in der Medizin fühlen sich signifikant häufiger unfair bezahlt – und häufiger benachteiligt aufgrund ihres Geschlechts.

Vor allem in folgenden Gruppen ist die gefühlte Unfairness hoch:

  • Ärztinnen unter 45 Jahren
  • Ärztinnen in MVZs
  • Ärztinnen in den neuen Bundesländern

Dieses Gefühl ist kein subjektives Empfinden, denn es deckt sich mit den Gehaltszahlen. Und es wirkt sich aus: auf Motivation, Identifikation mit dem Beruf – und auf die Offenheit für neue Angebote, Arbeitgeber oder Karrierewege.

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Emotionale Belastung: Die Systemprobleme treffen Ärztinnen besonders

57 % der Befragten empfinden ihre Arbeitsbelastung als hoch oder sehr hoch. Viele Kommentare aus der offenen Umfrage stammen von Ärztinnen – und zeichnen ein deutliches Bild.

Diese Punkte wurden immer wieder genannt:

  • „Ich wünsche mir mehr Zeit für meine Patient:innen.“
  • „Ich fühle mich von Bürokratie erdrückt.“
  • „Die Vereinbarkeit mit meinem Privatleben ist kaum machbar.“

In den Top-5-Wünschen spiegelt sich das besonders:

  1. Weniger Papierkram
  2. Faire Vergütung
  3. Mehr Zeit
  4. Mehr Personal
  5. Funktionierende Digitalisierung

Viele dieser Punkte betreffen Ärztinnen gleich doppelt: durch Teilzeitmodelle, Doppelbelastung mit Care-Arbeit und selteneren Zugang zu Führungspositionen.

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Die stille Belastung: Fehlende Anerkennung, zu wenig Sichtbarkeit

In vielen Kommentaren des Stimmungsbarometers zeigt sich: Wertschätzung fehlt. Nicht nur in der Bezahlung, sondern auch im Alltag:

  • Kaum Lob oder Anerkennung durch Vorgesetzte
  • Wenig Verständnis für flexible Arbeitszeiten oder Auszeiten
  • Fehlende Vorbilder in Führungsrollen

Viele Ärztinnen fühlen sich nicht gesehen – obwohl sie viel leisten.

Was bedeuten diese Insights fürs Healthcare Marketing?

Wenn Sie Ärztinnen gezielt ansprechen wollen, müssen Sie ihre Lebensrealität verstehen – und ernst nehmen. Diese Zielgruppe braucht Wertschätzung statt Werbesprache und Empathie für Vereinbarkeitsfragen. Inhalte sollten unterstützen statt überfordern und Angebote dürfen keine zusätzliche Belastung bedeuten.

So erreichen Sie Ärztinnen im Marketing besser:

  • Gender-sensible Personas entwickeln: Denken Sie gezielt aus der Perspektive einer Ärztin mit Teilzeitmodell, Praxisalltag und familiärer Verantwortung.
  • Sichtbarkeit fördern: Nutzen Sie Ihre Plattform, um Frauen in der Medizin eine Bühne zu geben – als Sprecherinnen, Case Studies oder Expertinnen.
  • Sprache anpassen: Vermeiden Sie Floskeln und Heldennarrative. Setzen Sie auf echte Wertschätzung und sachliche Unterstützung. Achten Sie darauf, Ärztinnen auch direkt im Femininum anzusprechen.
  • Rollenvielfalt zeigen: Nicht jede Ärztin will Karriere machen – aber jede will ernst genommen werden.

Fazit: Mehr als eine Zielgruppe – eine systematisch benachteiligte Community

Ärztinnen tragen einen erheblichen Teil der medizinischen Versorgung in Deutschland. Und trotzdem verdienen sie weniger, werden seltener gehört und fühlen sich häufiger unter Druck. Die coliquio-Reports machen diese Realität sichtbar. Für das Healthcare Marketing ergibt sich daraus eine klare Verantwortung – und eine große Chance: Relevanter zu werden. Empathischer zu kommunizieren. Und die zu oft „übersehene Hälfte“ endlich wirklich zu erreichen.

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Kristina Lutilsky
Kristina Lutilsky
ist Redaktionsleiterin von coliquio Insights und berichtet als Senior Content & Communications Specialist über wirksames Healthcare Marketing sowie die spannendsten Trends im Gesundheitswesen.