Durch unsere Umfrage zum aktuellen Informationsbedürfnis der Ärzte konnten wir wertvolle Erkenntnisse über die verschiedenen Facharztgruppen gewinnen. Doch was wäre eine Studie ohne eine qualitative Stichprobe der Ergebnisse? Deshalb haben wir vier Fachärzte noch einmal persönlich gefragt, was sich durch Covid-19 für sie verändert hat und wie ihre ideale Informationsbeschaffung aussehen würde.

Befragt haben wir einen Allgemeinmediziner, einen Rheumatologen, eine Gynäkologin und eine Dermatologin. Da wir an authentischen Antworten interessiert waren, haben wir den befragten Ärzten Anonymität versprochen und die persönlichen Angaben unserer Interviewpartner geändert.

Michael, 50 Jahre, Allgemeinmediziner

Arzt-Steckbrief Michael
Wie sah ihr Arbeitsalltag vor der Corona-Krise aus?

Als Betriebsarzt bin ich fast durchgehend mit der Untersuchung von Patienten und der Behandlung einzelner Notfälle beschäftigt. Während des Praxisalltags bleibt nur wenig Zeit, sich zu informieren – das mache ich überwiegend nach der Arbeit. Wenn ich für einen Patiententermin noch bestimmte Informationen brauche, beispielsweise zu einem neuen Medikament, recherchiere ich dazu online während den Pausen. Dabei orientiere ich mich vor allem an der Roten Liste.

Im meiner Freizeit informiere ich mich breiter über spezielle Medikamente, Indikationen und Studien – unter der Woche komme ich so auf etwa 1,5 Stunden pro Tag, die ich mit Online-Recherche verbringe. Am Wochenende ist die Informationsbeschaffung noch intensiver, weil ich häufig auf Fortbildungen gehe, die gerne mal vier bis sechs Stunden dauern. Im Jahr besuche ich knapp 30 Präsenzveranstaltungen. 

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag durch die Corona-Krise verändert?

Die größte Veränderung war, dass alle Präsenzveranstaltungen weggefallen sind. Stattdessen habe ich mich überwiegend online und über Fachzeitschriften informiert – ich habe mich aber auf ein paar wenige Quellen beschränkt. Da ich mich auch schon vor der Pandemie im Internet informiert habe, ist die Zeit für die Online-Recherche während der Krise nicht besonders stark gestiegen, vielleicht um 10 Prozent. Es gab natürlich auch viele digitale Fortbildungen in dieser Zeit – das war für mich aber kein passender Ersatz für Fortbildungen vor Ort. Mir fehlt dabei der Austausch mit Kollegen und die Anschauungsmaterialien, die solche Veranstaltungen lebendiger machen.

Während der Krise kamen auch keine Mitarbeiter von Pharmaunternehmen vorbei. Stattdessen haben wir Telefonate oder Video Calls geführt. Generell haben mir Video Calls besser gefallen als reine Anrufe, aber die Verbindung war nicht immer gut. 

In einer idealen Welt: Wie würde die Informationsbeschaffung für Sie aussehen?

Bisher suche ich die Informationen, die ich brauche, im Internet heraus. Das Problem dabei ist, dass es sehr viele Quellen gibt. Es ist nicht immer klar, welche davon auch verlässliche medizinische Informationen bereitstellen. Ich würde mir hier eine Art Wissensdatenbank wünschen, die immer aktuell ist und alle Informationen über eine einfache Suche zugänglich macht. Derzeit ist es so, dass ich über die Suchmaschine nur selten genau die Informationen finde, die ich gerade brauche. Ich bekomme auch viele Newsletter per E-Mail. Bei denen, die mich interessieren, schaue ich mir die Überschriften der verschiedenen Themen an und entscheide daraufhin, ob ich die Beiträge lesen möchte. Wenn die Artikel länger als eine Seite sind, muss mich das Thema schon sehr interessieren, dass ich mir dafür die Zeit nehme.

Besuche von Pharmaunternehmen fände ich weiterhin gut – aber lieber persönlich als digital. Ähnlich wie bei Fortbildungen finde ich den Austausch einfach interessanter, wenn ich die Person direkt vor mir habe. Ich würde mir aber wünschen, dass mir die Vertreter nicht nur Produkte vorstellen, sondern mich stärker zu den Präparaten und zur Indikation beraten und dazu passende Produktmuster mitbringen. 

Simone, 40 Jahre, Gynäkologin

Arzt-Steckbrief Simone
Wie sah ihr Arbeitsalltag vor der Corona-Krise aus?

Ich arbeite zweieinhalb Tage pro Woche in einer gynäkologischen Gemeinschaftspraxis und habe zwischen meinen Patiententerminen in der Regel keine Pausen. Ich kann mich also erst nach der Arbeit oder an meinen freien Tagen über medizinische Themen informieren oder zu offenen Fragen aus Patiententerminen recherchieren – dazu nutze ich fast ausschließlich das Internet. Nur wenn es um die Blickdiagnostik von Hautveränderungen geht, schaue ich auch mal in Büchern nach, da das eigentlich nicht mein Fachgebiet ist. Ich habe auch einen Ordner mit Notizen und Zusammenfassungen von interessanten Artikeln angelegt. Hier schlage ich gerne zu Fällen nach, die nur ein- oder zweimal im Jahr vorkommen und deshalb nicht so präsent sind. Um mich weiterzubilden, besuche ich zwei Kongresse im Jahr und bin in zwei verschiedenen Qualitätszirkeln vertreten, bei denen ich mich mit Kollegen aus meiner Umgebung austauschen kann.

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag durch die Corona-Krise verändert?

Ich nehme jetzt noch mehr an digitalen Fortbildungen teil, gerne auch von Pharmaunternehmen. Häufig finden diese Veranstaltungen aber zu Zeiten statt, an denen ich nicht live dabei sein kann – deshalb sind Aufzeichnungen für mich immer sehr wichtig. Neben Relevanz ist die Dauer für mich ein entscheidender Faktor, ob ich an einer digitalen Veranstaltung interessiert bin oder nicht. Ein Webinar über vier Stunden zu verfolgen, ist unrealistisch – ein bis zwei Stunden lassen sich mit meinem Alltag noch vereinbaren. Ich denke, dass digitale Veranstaltungen auch nach der Krise Bestand haben werden, weil sie zeitlich flexibler sind und man nirgendwo hinfahren muss.

Was mir aber fehlt, ist der Austausch mit Kollegen. Deshalb hoffe ich, dass auch Präsenzveranstaltungen, wie beispielsweise die Qualitätszirkel, wieder stattfinden werden. Aber gerade die Fortbildungen, die von Pharmaunternehmen angeboten werden, funktionieren digital sehr gut.

In einer idealen Welt: Wie würde die Informationsbeschaffung für Sie aussehen?

Ich empfinde Online-Recherchen als sehr zeitaufwändig, weil ich viele Seiten durchforsten muss, um die für mich relevanten Informationen zu finden. Oft lande ich dabei auf nicht verlässlichen Internetseiten für werdende Eltern oder auf zu wissenschaftlichen Beiträgen von Universitätsprofessoren – das kostet mich viel Zeit. Deshalb fände ich es super, wenn es jemanden gäbe, der für mich die Informationen suchen würde. Ähnlich wie Politiker Redenschreiber beauftragen, hätte ich gerne jemanden, der mir die Antworten auf meine Fragen recherchiert und schriftlich so aufbereitet, wie ich am besten damit arbeiten kann. Am Ende hätte ich dann eine Sammlung von Handouts, in der ich schnell nochmal etwas nachschlagen kann.

Patrick, 40 Jahre, Rheumatologe

Arzt-Steckbrief Patrick
Wie sah Ihr Arbeitsalltag vor der Corona-Krise aus?

Ich verbringe etwa 75 Prozent meiner Arbeitszeit mit der ambulanten Betreuung von Rheumapatienten. Es gibt immer wieder Fälle, bei denen ich kurz etwas zu den Laborwerten, der Dosierung von Medikamenten oder den Therapiemöglichkeiten nachschauen muss – das mache ich während der Arbeitszeit. Für eine tiefgreifendere Recherche, beispielsweise zu Zusammenhängen zwischen Rheuma und anderen Erkrankungen, habe ich aber nur nach der Arbeit Zeit.

Um auf dem Laufenden zu bleiben, besuche ich am liebsten Fortbildungen vor Ort, weil ich die Inhalte viel besser aufnehmen kann als bei digitalen Veranstaltungen. Zudem möchte ich auch mitdiskutieren und mich mit Kollegen austauschen – das finde ich bei Webinaren schwierig. 

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag durch die Corona-Krise verändert?

In meinem Berufsalltag habe ich die Krise am meisten durch den Patientenrückgang zu spüren bekommen. Viele Termine mussten abgesagt werden, sodass ich nur noch 25 Prozent meiner Arbeitszeit mit der Betreuung von Patienten verbracht habe – das war eine enorme Umstellung für mich. Den Rest der Zeit habe ich dazu genutzt, Organisatorisches zu erledigen und mich weiterzubilden.

Gerade zu Beginn der Pandemie gab es viele Fortbildungen zu Covid-19, oft auch mit Videoinhalten – das fand ich sehr spannend. Ich habe auch mit Pharmavertretern telefonisch über mögliche Therapien und die Verwendung von Rheuma-Medikamenten gesprochen. Ich hatte online darüber gelesen und dann selbst einen Vertreter dieser Präparate per E-Mail kontaktiert. Die Gespräche, die daraufhin entstanden sind, waren sehr hilfreich.  

In einer idealen Welt: Wie würde die Informationsbeschaffung für Sie aussehen?

Ich würde auf jeden Fall zu bestimmten Präsenzveranstaltungen gehen, weil mir die Atmosphäre und der Austausch mit Kollegen dort gefällt. Ich würde mich aber auch online informieren und weiterbilden. Da würde ich mir vor allem von Pharmaunternehmen wünschen, dass sie Informationen präzise zusammenfassen und online zur Verfügung stellen oder mir die Inhalte in wirklich kurzen Gesprächen effektiv vermitteln. Die persönlichen Gespräche fände ich vor allem dann hilfreich, wenn ich meine Fragen gezielt stellen könnte und schnell eine Antwort bekommen würde. Der Außendienstmitarbeiter muss die Antwort nicht sofort parat haben – er könnte sie mir auch innerhalb von ein bis zwei Tagen per E-Mail liefern. 

Monika, 65 Jahre, Dermatologin

Arzt-Steckbrief Monika
Wie sah Ihr Arbeitsalltag vor der Corona-Krise aus?

In der Praxis ohne Grenzen teile ich mir den Behandlungsraum mit einem anderen Facharzt, sodass einer von uns vormittags und der andere nachmittags arbeitet. Die Überschneidungszeit nutzen wir, um uns fachübergreifend im Team auszutauschen. Abends finden regelmäßig fachspezifische Veranstaltungen statt, wie der Allergieklüngel oder verschiedene Qualitätszirkel. Die Wochenenden nutze ich, um mich auf Präsenzveranstaltungen weiterzubilden – gerade die Angebote der Ärztekammer nehme ich gerne wahr.

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag durch die Corona-Krise verändert?

Während der Corona-Krise habe ich mich sehr viel mehr online informiert. Ich hatte schon davor viele Newsletter abonniert, um immer die aktuellsten Informationen zu erhalten. Da ich während der Krise mehr Zeit hatte, konnte ich diese Informationsquelle viel intensiver nutzen und deutlich mehr Beiträge lesen als zuvor.

Was jedoch gefehlt hat, waren die Informationen, die man sonst auf kurzem Weg durch den persönlichen Austausch mit Kollegen erhalten hat. Gerade die Kollegen, die zu Experten für Covid-19 wurden, waren so eingespannt, dass es kaum möglich war, mit ihnen ins Gespräch zu kommen

In einer idealen Welt: Wie würde die Informationsbeschaffung für Sie aussehen?

Ich würde den allgemeinen dermatologischen Qualitätszirkel besuchen und viele Angebote der Ärztekammer – seien es Fortbildungen oder Gesprächsrunden – annehmen, um mich weiterzubilden und mit Kollegen auszutauschen. Webinare fände ich auch spannend, wenn die Redner wirklich kompetent sind und im Anschluss an den Vortrag eine interessante Diskussion entsteht.

Ich würde mich auch weiterhin online informieren, allerdings würde ich mir hier eine Art Filter wünschen, um nur noch die Informationen zu bekommen, die für mich relevant sind. Es wäre aber wichtig, dass diese Filter flexibel sind, weil sich meine Interessen auch verändern. Deshalb wäre es toll, eine Plattform zu haben, bei der man seine Interessen immer wieder neu bestimmen könnte und sich die Informationen, die man bekommt, entsprechend anpassen.

Ich finde aber auch den persönlichen Austausch mit Pharmaunternehmen wichtig. Ich würde mir einen Ansprechpartner wünschen, an den ich meine Fragen zu einem Präparat richten kann, der mir aber auch einen Überblick über die Indikation und die Studienlage gibt. Ich finde es allerdings immer schwierig, Außendienstmitarbeiter im Praxisalltag zu empfangen, weil man gleichzeitig Patienten warten lässt. Hier würde ich mir eine Alternative wünschen.

Arztkommunikation

Jeder Arzt ist anders

Unsere Umfrage hat Unterschiede und Tendenzen einzelner Facharztgruppen aufgezeigt. Diese qualitative Stichprobe verdeutlicht aber auch: Jeder Arzt ist anders. Deshalb ist eine individuelle Ansprache Ihrer Zielärzte heute wichtiger denn je.

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Daniela Drescher
Daniela Drescher
berichtet für coliquio Insights über die wichtigsten Marketing-Trends und liefert Inspirationen für die Pharmakommunikation der Zukunft.