Doktortitel in der Medizin:
Nach welchen Kriterien sucht sich ein Patient seinen Arzt aus? Ist es für ihn wichtig, ob der Arzt einen Doktortitel besitzt? Wie stehen Sie dazu: sagt der Doktortitel etwas über die Kompetenz des Arztes aus? Laut einer aktuellen Umfrage des Hartmannbundes möchte die große Mehrheit der Medizinstudierenden einen Doktortitel erwerben.
Unter den Assistenzärzten waren 60 Prozent der Meinung, dass der Doktortitel keinen Nutzen für die ärztliche Tätigkeit habe. Auch die Arbeitgeber legen ihrer Einschätzung nach keinen besonderen Wert auf eine abgeschlossene Promotion.
Als Gründe, weshalb die große Mehrheit dennoch den „Dr. med.“ anstrebt, wurden unter anderem das Prestige und das Ansehen seitens der Patienten genannt. Entsprechend gehöre aus Sicht der angehenden Ärzte der Titel zum Arztberuf dazu.
Wir haben Ärzte auf coliquio gefragt: „Wie bewerten Sie den Nutzen des Titels im ärztlichen Alltag in Praxis und Klinik?“ Lesen Sie hier unterschiedliche Meinungen aus der Community und warum sich eine Ärztin kurz vor dem Ruhestand doch noch entschloss, zu promovieren:
Doktortitel bringt keine Vorteile im Praxisalltag
Der Nutzen des Doktortitels in der allgemeinärztlichen Praxis geht gegen Null.
Ich bin selber nicht promoviert, bin für meine Patienten auch so der „Herr Doktor“ (da kann ich richtigstellen, so viel ich will) und habe mehr Arbeit, als mir lieb ist.
Arzt für Allgemeinmedizin
Absolut lächerlich, ich habe meinen Dr. med. dent. auf dem Praxisschild stehen und fertig, nicht an der Türklingel, nicht auf dem privaten Briefkasten, noch nicht einmal in den Ausweis eingetragen.
Zahnarzt
Wir haben Ärzte auf coliquio gefragt: „Haben Sie Ihr Medizinstudium mit einer Promotion abgeschlossen?“ (Einfachauswahl-Frage)
Umfrage-Zeitraum: April 2017
Mein Physik-Assistent im ersten Semester sagte dazu sehr treffend: „Geistes- und Naturwissenschaftler machen den Doktor, Mediziner und Zahnmediziner den Onkel Doktor.“
Beruflich, fachlich und menschlich tut der Dr. nichts zur Sache (der Prof. auch nicht immer…). Allerdings muss ich gestehen, dass es bei Hotelreservierungen oder Pizzabestellungen durchaus schon mal einen gefühlten Unterschied gibt, zumindest in der Art, wie einem begegnet wird. Wenn ich mich von der Praxis aus mit dem gewohnheitsmäßigen Dr. am Telefon vorstelle und um Lieferung etc. bitte, habe ich zumindest das Gefühl, dass das Gegenüber … respektvoller im Umgang wird. Im Alltag selbst reicht der autoritative Respekt vor der Person des Behandlers vollkommen aus, da tut der Dr. (selten) was zur Sache.
Zahnarzt
Da wäre eine Patientenumfrage interessant – würden die eher zu einem promovierten als nicht promovierten gehen? Ich bin promoviert und denke, es ist nicht wichtig im Ansehen der Patienten, sondern eher die Mundpropaganda.
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Das würde ich differenzierter sehen. In der älteren Generation gibt es gewisse Vertreter, die einen Doktor ohne Titel für einen Arzt zweiter Klasse halten.
Mir persönlich war und ist das egal – wenn ich durch meine Arbeit nicht überzeugen kann, hilft mir auch ein Titel nicht …
Facharzt für Rheumatologie
Fort- und Weiterbildung wichtiger als Doktortitel
Natürlich kann man ein guter Arzt ohne und ein schlechter Arzt mit Doktortitel sein.
ABER: Der Erwerb des Doktortitels signalisiert, dass man sich zumindest einmal im Leben wissenschaftlich mit einer medizinischen Fragestellung auseinandergesetzt hat. …
Insofern tendieren Ärzte mit Doktortitel auch Jahre nach der Ausbildung eher zu einem fundierteren medizinischen Wissen als Ärzte ohne, meine ich postulieren zu können. Noch wichtiger ist natürlich regelmäßige Weiterbildung und das Abonnement mind. einer WISSENSCHAFTLICHEN (!) Fachzeitschrift.
Facharzt für Radiologie
Der Hartmannbund befragte 1.027 Assistenzärzte: „Sehen Sie in der Promotion einen Nutzen für Ihre ärztliche Tätigkeit?“
Umfrage-Zeitraum: Dezember 2016 bis Januar 2017
Wenn es grundsätzlich so wäre, dass einer Dissertation eine „echte wissenschaftliche Arbeit“ zugrunde läge. In der Zahnmedizin gehen da schon sehr oft die Themen in den Bereich der Literatur-Recherche, Meta-Analysen etc. … Meine eigene war auch als reine Literatur-Arbeit angelegt, habe sie daher nach einer Weile auch abgebrochen und meine wertvolle Zeit in intensive Fort- und Weiterbildung gesteckt. Davon haben meine Patienten tagtäglich deutlich mehr Benefit und der fehlende „Dr.“ auf dem Praxisschild hat noch keinem geschadet.
Zahnarzt
Ich bin nicht promoviert. Habe 1981 eine Diplomarbeit verteidigt (zahnmedizinisches Thema) und danach eine Fachzahnarztausbildung absolviert. Da ich zwischenzeitlich 2 Kinder bekam, war für Promotion keine Zeit und keine Gelegenheit. Die Promotion fiel dann anderen Kosten zum Opfer, dafür habe ich mein Curriculum Implantologie mit tollen Fortbildungen in In- und Ausland durchgeführt inkl. Abschlussprüfung. Das war mir wichtig. Der Dr.-Titel nie. Diese Urkunde hängt auch in meiner Praxis für Patienten aus. Sozusagen als Qualifikations-Nachweis. Viele kennen hier den Begriff „Dipl.-Stom.“ nicht und fragen dann. Einfach ein Zahnarzt mit Diplom, ähnlich wie der Ingenieur …. Bisher kam ich damit durch mein Berufsleben und es hat mich nie gestört, keinen Dr.-Titel vorweisen zu können.
Zahnarzt
In Forschung, Lehre und Klinik hat der Doktortitel mehr Bedeutung
Auf dem Praxisschild oder in der täglichen Arbeit hat der Doktortitel sicherlich keine große Bedeutung, geht man aber in Forschung und Lehre, sollte man mindestens promoviert sein.
Ich habe während des Studiums eine Promotion begonnen und konnte diese nicht weiterführen und dann später neben meiner Praxistätigkeit promoviert. Das hat drei Jahre gedauert, beinhaltete wissenschaftliche Arbeit und ich bin stolz darauf. Wie mich meine Patientinnen anreden, ist mir allerdings egal.
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Klar, ein Doktortitel macht keinen besseren Arzt und keinen besseren Menschen, aber er signalisiert (sofern man ihn wirklich selbst erarbeitet hat) der Umwelt, dass man nicht den Weg des geringsten Widerstands gegangen ist. Und für einen selbst ist es gut für das Ego.
Ich habe meine … Promotion am Ende des Pflichtassistenzjahres eingereicht. Allerdings stand in meinem Weiterbildungsvertrag, dass ich bis spätestens Ende des dritten Weiterbildungsjahres die Promotion einreichen oder die Uniklinik verlassen muss. …
Naja, und ein Chefarzt ohne akademischen Titel sieht gegen seinen promovierten Assistenten doch etwas seltsam aus …
Facharzt für Radiologie
Der Hartmannbund befragte 1.027 Assistenzärzte: „Glauben Sie, dass die Promotion Einfluss darauf hat, wie Ärztinnen und Ärzte von Ihren Patienten wahrgenommen werden?“
Umfrage-Zeitraum: Dezember 2016 bis Januar 2017
… Wirklich neue wissenschaftliche Erkenntnisse werden heute wohl kaum auf Ebene der Doktoranden gemacht. Dafür dürften an den Unis, soweit überhaupt noch, wohl die Köpfe ein paar Ränge höher gut sein, noch eher aber die bezahlte Industrie.
Zahnarzt
In meinem unmittelbaren Tätigkeitsbereich in meiner Praxis ist der „Dr.“ vor dem Namen schmückende Dekoration, die der Patient, …, ohnehin meist voraussetzt. Schon in meiner Assistentenzeit, als die Promotion noch in den Sternen stand, war ich ebenfalls sofort „Herr Doktor“, wobei jede Erklärung dem Patienten gegenüber dabei sinnlos war.
Mitunter ist der Titel im normalen Leben durchaus hilfreich, weil das Gegenüber damit unbewusst Autorität verbindet, auch wenn diese gar nicht vorhanden ist. Das habe ich im Laufe der Zeit erfahren, nutze das aber praktisch nicht, weil ich es kaum benötige.
Ich habe allerdings durchaus schon gehört, dass in bestimmten Bereichen, z.B. im klinischen Bereich oder in der medizinischen Industrie, der Titel für ein berufliches Vorankommen nützlich sein kann …, weil sich Unternehmen mit dieser vermeintlichen Qualifikation ihrer Mitarbeiter nach außen darstellen. … Insgesamt ist durch den „Dr.“ vor dem Namen wohl noch niemand ein besserer Mensch geworden.
Zahnarzt
Der Hartmannbund befragte 2.291 Medizinstudenten: „Sehen Sie in der Erlangung der Promotion einen Nutzen für Ihre spätere ärztliche Tätigkeit?“
Umfrage-Zeitraum: Februar 2017 bis März 2017
Nice to have: Doktortitel für das Ego
Habe mit 3 kleinen Kindern kurz hintereinander, Staatsexamen, Vollzeitarbeit im Krankenhaus, irgendwie keine Zeit dafür gehabt. Dann kam die Praxis, die immer rappelvoll war. Irgendwann sind die Kinder ausgezogen und die ausschließliche Praxistätigkeit wurde mir zu langweilig. Habe dann in den letzten Jahren vor meinem Ruhestand noch eine Arbeit begonnen und inzwischen abgeschlossen. Der Dr. med. hat mir nie gefehlt. Ist aber doch „nice to have“, habe ich dann festgestellt, als ich ihn hatte. Mein Großvater, Vater, meine Schwester, 2 meiner Kinder sind promoviert. Alles keine Mediziner. Für deren Beruf war der Dr. wichtig.
Wichtig für meinen beruflichen Erfolg war er nicht. Da haben andere Kompetenzen viel größere Bedeutung.
Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
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Wichtig ist, dass ein Mensch, der kranke Menschen behandelt, das erforderliche Wissen dafür hat und die Behandlung human vollzieht. Es gibt viele Patienten, die informiert sein möchten, was viele Ärzte nicht tun.