Kaufentscheidungen werden heute online getroffen – das klassische Verkaufsgespräch hat den kleinsten Anteil am Erfolg. Dieser Wandel betrifft den kompletten B2C-Markt und damit auch die Hersteller von OTC-Präparaten, also nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

Wie Pharmaunternehmen die veränderte Customer Journey für sich nutzen können? Indem sie genau dort relevante Informationen platzieren, wo Patienten nach Krankheitsbildern und Behandlungsmöglichkeiten recherchieren – das ist heute online. Dieser Artikel liefert neue Studienergebnisse und Best Practice Beispiele aus der Branche.

Die Customer Journey hat sich verändert …

Die Customer Journey, also der Weg vom ersten Stimulus bis zum Kauf besteht aus vielen kleinen Momenten, in denen sich unsere Wünsche in Kaufabsichten verwandeln. Besonders zentral ist der erste Stimulus, der erste Moment, in dem ein initialer Wunsch entsteht. Google fasst dies in den Begriff „Micro-Moments“. Ein Micro-Moment ist also ein Zeitpunkt, in dem der Kunde ein dringendes Bedürfnis bekommt, etwas zu tun, zu kaufen oder zu erleben. Wie das genau funktioniert veranschaulicht dieses Video.

Was geschieht in diesen Micro-Moments – wie reagieren wir, wenn ein Bedürfnis aufkommt? Die Erkenntnis ist wenig überraschend: wir wenden uns direkt an unser Smartphone, um Informationen zu erhalten. In einer Studie, die Google in den USA durchführte, gaben 96 % der Befragten an, das Smartphone zu nutzen, wenn eine Frage oder ein Bedürfnis auftaucht. Und wiederum jeder zweite derer, die das Smartphone nutzen, navigieren auf direktem Weg zu Google, um zur schnellsten Lösung zu gelangen.

Geht es um konkrete Kaufabsichten, zeigt sich ein ähnliches Bild. Google bezeichnet diese Art der Micro-Moments als „I-want-to-buy-Moments“ und stellt fest: Wann immer Geld ausgegeben wird, spielt das Internet eine große Rolle: 79 % der Studienteilnehmer nutzen ihr Smartphone bevor sie einen Einkauf tätigen – sie suchen die nächsten Geschäfte, vergleichen Produkte und Dienstleistungen und vergleichen Preise, während Sie sich schon im Geschäft befinden.

… auch in der Gesundheitsbranche …

Ob ich den günstigsten Flug suche, das beste Restaurant in der Nähe oder den besten Hustensaft macht keinen Unterschied. Ich habe ein Bedürfnis oder und will sofort handeln. Der Anteil an Patienten, die sich online zu Krankheitsbildern und Behandlungsmethoden informieren steigt zunehmend. Zu diesem Ergebnis kam kürzlich auch der Gesundheitsmonitor des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller: Etwa jeder zweite Deutsche hat schon einmal online nach Krankheitsbildern und Behandlungsmöglichkeiten recherchiert. 3/4 der Befragten wollen dieses Wissen nutzen, um bei Ärzten und Apothekern gezielter nachzufragen. 2/3 geben an, sich dadurch über alternative Behandlungsmöglichkeiten oder Arzneimittel zu informieren.

Genau in diesem Prozess entstehen Kaufabsichten.

… und ganz besonders im Bereich der OTC-Präparate

Im Gegensatz zu Rx-Präparaten, bei denen Ärzte und Apotheker meist das letzte Wort haben, liegt die Entscheidungsmacht bei OTC-Präparaten ganz auf Seite der Patienten. Das „Age of the Customer“, also das Zeitalter, in dem der Konsument seine Kaufentscheidung autark trifft, ist in Kanada bereits spürbar. Eine neue Studie von Google hat untersucht, welche Rolle die Online-Recherche auf der Customer Journey bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Kanada spielt. Die Zahlen sind vergleichbar mit den Ergebnissen des Gesundheitsmonitors: Fast die Hälfte aller Kanadier recherchiert online zu OTC-Arzneimitteln, bevor sie sich für ein Produkt entscheiden.

Die häufigsten Suchanfragen, die die Studie ermittelte, spiegeln ganz klar wider, dass die Nutzer ein akutes Gesundheitsproblem lösen wollen:

thinkwithgoogle
Quelle: https://www.thinkwithgoogle.com

Informationen zu Arzneimitteln sichtbar machen

Jedes Pharmaunternehmen sollte sich fragen, ob es mit seinem Produkt- und Indikations-Know-how dort präsent ist, wo sich der Nutzer informiert. Das gelingt, indem man Themengebiete rund um das Arzneimittel besetzt und durch Know-how zum Krankheitsbild Awareness schafft. Wie dies konkret aussehen kann? Um das herauszufinden habe ich mich einmal in die Lage eines Patienten versetzt, der ein Gesundheitsproblem lösen will. Auf meiner fiktiven Customer Journey bin ich mit verschiedenen Pharmaunternehmen in Berührung gekommen.

Themengebiete besetzen

Für Hersteller von OTC-Präparaten ist es maßgeblich, dort präsent zu sein, wo sich die Zielgruppe informiert. Das passiert nicht in der Apotheke, sondern zunehmend online. Denn dort werden Kaufentscheidungen getroffen und wenn OTC-Hersteller diese Micro-Moments als kompetente Partner besetzen, haben sie einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Das Prinzip ist denkbar einfach. Für meine Recherche habe ich mich einmal in die Lage versetzt, akute Halsschmerzen zu haben. Wenn ich bei Google „Halsschmerzen“ eingebe, erhalte ich als ersten Treffer die Seite „Was tun gegen Halsschmerzen?“. Die Headline verspricht, mein aktuelles Problem zu lösen und bedient damit genau mein Bedürfnis – nach einem Klick kann ich mich über Auslöser, Symptome und Hausmittel informieren. Dass die Informationen von Pohl-Boskamp stammen, die damit für ihre Halstabletten werben, ist klar gekennzeichnet, die Produktinformation steht jedoch nicht im Vordergrund.

gelorevoice
Quelle: http://www.gelorevoice.de

Awareness schaffen

Nicht nur Patienten mit akuten Beschwerden informieren sich auf digitalen Wegen, sondern auch Menschen, die vorsorgen möchten. Diesen Wissensbedarf kann Pharma ebenfalls nutzen, um sich mit nützlichen Informationen zu positionieren.

Angenommen in meiner Familie gibt es schon mehrere Fälle von Herzinsuffizienz und ich möchte mich informieren, was das ist und wie ich vorbeugen kann. Auf der Suche nach Informationen fand ich reichlich Pharma-Know-how vor. Novartis, Abbott Vascular und Stada belegen mithilfe von Google Adwords die ersten drei Ränge. Auf YouTube macht Novartis das Rennen: sucht man nach Videos zu Herzinsuffizienz, taucht ein Erklärvideo von Novartis an erster Stelle auf.

herz
https://www.youtube.com/watch?v=wBbVbRPng8M

Im Bereich der OTC-Präparate sind Pharmaunternehmen auf YouTube noch nicht besonders präsent. Recherchiert man auf YouTube zum Thema „Grippe vorbeugen“, findet man ein Video der AOK, das über Ursachen, Symptome und Hausmittel aufklärt. Die Marktführer entsprechender OTC-Arzneimittel tauchen nicht auf.

grippalerinfekt
https://www.youtube.com/watch?v=xG7fmHdPxCM

Pharmaunternehmen als digitale Problemlöser

Der Ansatz von Unternehmen, sich zuerst auf die eigene Marke und dann erst auf die Interessen und Bedürfnisse der Kunden zu konzentrieren, funktioniert im „Age of the Customer“ nicht mehr. Hersteller rezeptfreier Medikamente investieren viel in klassische Marketingmaßnahmen, um ihre Zielgruppe an möglichst vielen Touchpoints zu erreichen. Marktanteile werden jedoch zunehmend online verteilt. Hier können Unternehmen durch Glaubwürdigkeit beim Patienten punkten, indem sie ihm nützliche Informationen zum Krankheitsbild anbieten und auf großflächiges Branding verzichten. Die beste Website oder das nützlichste Erklärvideo führen aber nur dann zum Erfolg, wenn sie leicht auffindbar sind.

Wie man eine konsequent nutzerzentrierte Perspektive weiterdenken kann, zeigt ein Beispiel aus den USA. Der Pharmakonzern CVS Health hat das veränderte Informations- und Kaufverhalten im Gesundheitsmarkt erkannt.

  • One in 20 Google searches is for health care info. We're focused on building tools that help us be there and solve real problems for them in all of these micro-moments.

    Brian Tilzer Chief Digital Officer CVS Health

Berücksichtigt Ihre Customer Journey die digitale Informationssuche?

Mehr über den Paradigmenwechsel im Kundenverhalten und die Auswirkungen auf Pharma-Marketing verrät Blogger und Content-Stratege Babak Zand im Artikel „The Age of the Customer“

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Nathalie Haidlauf
Nathalie Haidlauf
berichtet für coliquio Insights über die wichtigsten Marketing-Trends und liefert Inspirationen für die Pharmakommunikation der Zukunft.