Weniger als 10 Minuten. So lange dauert durchschnittlich ein Arzt-Patienten-Gespräch in Deutschland.¹ Davon wird durchschnittlich 99 Sekunden lang (13,7%) über die Verordnung und das Präparat gesprochen – bei der Verordnung von Rx-Präparaten eher noch kürzer.

Diese Grafik zeigt, wie viel Raum die verschiedenen Aspekte rund um das Präparat im Arzt-Patienten-Gespräch durchschnittlich einnehmen (in Sekunden) – um Adhärenz geht es durchschnittlich nur 5,5 Sekunden lang:

^77EAB0CFF52623364D7AA4AD5DA19E2BEA066A4926599ADC87^pimgpsh_fullsize_distr
Bildquelle: 2015 Health Trends, GSW, S. 46

Sie investieren Stunden und Monate, um die Patientenkommunikation rund um Ihr Präparat zu perfektionieren – und dann wird es im Arztgespräch in höchstens 99 Sekunden abgehandelt?

Wahrscheinlich sind Sie der Meinung, dass die Botschaften, in die Sie so viel Mühe investiert haben, etwas mehr Aufmerksamkeit verdienen. Darüber hinaus gibt es sachliche Gründe, sich zu fragen, wie wirksam diese Gespräche eigentlich sind:

Schließlich ist das Gespräch zwischen Arzt und Patient zu Therapiebeginn der Startschuss für alle Bemühungen um Adhärenz. Weil Ärzte oft unter großem Zeitdruck stehen, ist es für sie jedoch nicht leicht, Patienten in Ruhe über ein Medikament zu informieren, Fragen zu beantworten oder Missverständnisse auszuräumen. Und das macht sich bei der Therapietreue bemerkbar.
Wie groß der Handlungsbedarf ist, die Adhärenz von Patienten zu verbessern, zeigt die folgende Übersicht:

^B6E0BB328D877D509151D1229E49552EFA7FCA71E6955FDF15^pimgpsh_fullsize_distr
Bildquelle: 2015 Health Trends, GSW, S. 45

Nur 50-70% der Patienten gehen mit einer Verordnung überhaupt zur Apotheke. 48-66% lösen das Rezept dort ein, aber nur 25-30% der Patienten verhalten sich adhärent.

Die Ursachen, weshalb Patienten therapieuntreu werden, sind vielfältig, wie etwa eine Studie des Bremer Instituts für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung GmbH zeigt:
Vergesslichkeit, eine generelle arzt- und medikamentenkritische Einstellung sowie das Auftreten von Nebenwirkungen spielen eine wichtige Rolle. Außerdem setzen Patienten mit chronischen Beschwerden ihr Medikament häufig nach dem Verschwinden der Symptome ab, weil sie denken, sie seien gesund.

Bislang fehlen einheitliche Studien zum Thema Adhärenz von Patienten, aus denen sich schließen ließe, mit welchen Maßnahmen eine Steigerung der Compliance erreicht werden kann.
Tipps und Ratschläge diesbezüglich gibt es von verschiedenen Seiten aus. So setzt beispielsweise die Hausärztliche Leitlinie „Hausärztliche Gesprächsführung“ auf eine verbesserte Arzt-Patientenkommunikation.

Auch auf coliquio befassen sich Ärzte mit den Themen Adhärenz, Compliance und Therapietreue. Diese Arztstatements geben Ihnen einen Einblick, welche Ursachen und Handlungsmöglichkeiten Ärzte sehen:

Wir alle stehen unter enormen Zeitdruck. Letztendlich muss dabei oftmals das intensiv geführte Arzt-Patienten-Gespräch darunter leiden. Wenn ich lese, „Non-Compliance kostet bis zu 15 Milliarden“, ist dies auch Folge einer unzureichenden Aufklärung des Patienten […] – des intensiv geführten Arzt-Patienten-Gesprächs. — Facharzt für Innere Medizin

Ein Facharzt für Innere Medizin legt besonderen Wert darauf, seinen Patienten folgende Punkte zu verdeutlichen:

  1. Medikamente sind keine „Wundermittel“, und das heißt vor allem, dass Wirkungen oft nicht sofort, sondern erst nach mehreren Tagen bis Wochen zu erkennen sind.
  2. Medikamente sind täglich und nicht „nur bei Bedarf“ einzunehmen.
  3. Bei vielen Medikamenten kann man sich anfangs sogar etwas schlechter fühlen und „Wohlbefinden“ erst mit Verzögerung eintreten – darauf muss man „warten“!
  4. Es gibt viele Medikamente, die nur dem „Schutz vor schwereren Erkrankungen“ dienen – bei diesen „spürt“ man überhaupt keine Wirkung (außer Nebenwirkungen).

 — Facharzt für Innere Medizin

Als Zahnarzt habe ich mich sehr den chronischen Schmerzpatienten zugewandt. Dabei habe ich die Erfahrung gesammelt, dass eine gute initiale Aufklärung – und auch Kostenbesprechung – in der Regel dazu führt, dass sich die Patienten selbst recht gut an einen Therapievorschlag halten. Dennoch fragen wir, mittels eines Ankreuzbogens, immer in den Folgesitzungen nach, was der Patient selber erledigt hat bzw. von den empfohlenen Maßnahmen realisieren konnte. […] Dieses Verfahren führt relativ rasch dahin, dass der Patient sich selber kontrolliert. Oder: möchte er nicht mitarbeiten, dann können sich beide (Arzt und Patient) auch rasch wieder trennen. — Zahnmediziner

Eine hundertprozentige Compliance werden wir wohl nie erreichen. Selbst bei Einnahme von Kontrazeptiva, wo der „Leidensdruck“ (nicht schwanger werden) groß ist, werden oft Pillen vergessen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man am besten eine Compliance erreicht, indem man die Patientin ansprechend über ihre Krankheit aufklärt, noch schriftliche Infos mitgibt und vorher im Gespräch „zwischen den Zeilen“ heraushört, was die Patientin möchte und ihr damit das Gefühl gibt, sie selbst hätte das entschieden. Bei anderen Patiententypen geht es z. B. um eine erhöhte Sicherheit oder ein unendliches Vertrauen zum Arzt, Skepsis zu allem oder eine negative Einstellung zu Medikamenten („Chemie“). Da heißt es immer individuell handeln und das ist manchmal nicht einfach. — Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

„Steter Tropfen höhlt den Stein“. Auch intensive Arzt-Gespräche können eine Non-Compliance nicht vermeiden. Wer kennt das nicht: Wenn man in der Klinik die Patienten mit einem Hochdruck einstellt, die werden entlassen, man sieht sie Monate später: Aufnahmegrund hypertensive Krise. Patient: „Mir ging es doch gut, ich habe die Pillen als sie alle waren, nicht mehr verschreiben lassen.“ Hat man sich doch anfangs bemüht zur erklären, warum das Ganze so wichtig ist… Stete Information ist mindestens genauso wichtig, wenn – im Langzeitverlauf – nicht noch wichtiger. Dass „unsere Zeit mit dem Patienten“ nicht gut honoriert wird – aber so wichtig ist, stelle ich mir gerade im niedergelassenen Bereich schwierig vor […] … Zeit für Fragen bleibt da nicht. Was ist das für eine Medizin? — Fachärztin für innere Medizin

Nach meiner Erfahrung gibt es mehrere Gründe, die aber letztlich darauf zurückzuführen sind, dass Patienten etwas nicht verstanden haben. Oder sie haben Angst, gerade nach Lesen des Beipackzettels, den sie nicht verstanden haben. Oder „Dr. Google“ verwirrt sie.
Ich versuche, dem gegenzusteuern, indem ich mir zu Therapiebeginn die Zeit nehme, solche Dinge anzusprechen. — Facharzt für Urologie

Ich versuche die gängigsten Probleme, die auftreten können, gleich zu Beginn der Therapie zu erklären. Dazu lasse ich die Patienten dann wie in der Schule wiederholen, was ich gesagt habe und gebe ihnen eine gleichlautende schriftliche Info mit. Zudem weise ich immer darauf hin, bei Fragen anzurufen. Und ich kontrolliere sie / mich in 1 Woche bis 10 Tagen, damit ich gleich bemerke, wenn Probleme auftreten. Damit fahre ich erstaunlich gut und habe wenig non-adhärente Patienten. — Facharzt für Anästhesiologie

Wenn der mündige Patient die Noncompliance zugibt, dann habe ich damit eher weniger Probleme. Dann bekommt er eben die Konsequenzen aufgezählt und ich kann ruhig schlafen. Schlimmer finde ich es, wenn die Nomcompliance nicht zugegeben wird. Da macht man sich vollkommen unnütze Gedanken und denkt sich neue fruchtlose Therapien aus.
Dann rennt der Pat. zum nächsten Arzt und sagt, dass ihm Dr. XY nicht helfen konnte. Und das Spiel beginnt von vorne. Gäbe es hier eine elektronische Patientenakte, wäre dies nicht mehr so leicht möglich. — Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten

Diese Arzt-Kommentare bringen zum Ausdruck, dass die Adhärenz von unterschiedlichen Faktoren abhängt. So berichten Ärzte von Patienten, die ihre Medikamente eigenständig absetzen, weil sich ihr Gesundheitszustand gebessert hat. Andere werden durch die Beipackzettel oder Informationen aus dem Internet verunsichert und verzichten auf eine Einnahme, aus Angst vor Nebenwirkungen. In anderen Fällen führte Unwissen zur falschen Anwendung von Medikamenten.

Auch wenn sich nicht jeder aufgeklärte Patient an die Anweisung des Arztes hält, so sind sich die Ärzte auf coliquio einig: Im Zentrum einer guten Adhärenz steht das ärztliche Gespräch zu Therapiebeginn. Sie betonen, dass es sich lohnt, Zeit dafür zu investieren, Patienten über das Ziel der Behandlung detailliert aufzuklären und auf mögliche Nebenwirkungen vorzubereiten.

Um die Ärzte bei der Stärkung der Adhärenz zu unterstützen, haben wir kürzlich einige hilfreiche Tipps auf coliquio bereitgestellt.

Haben auch Sie als Pharmaunternehmen bereits Maßnahmen ergriffen, um die Bemühungen der Ärzte um bessere Adhärenz zu unterstützen?

Quellen:

¹Dr. Ottomar Bahrs: Mein Hausarzt hat Zeit für mich – Wunsch und Wirklichkeit. Ergebnisse einer europäischen Gemeinschaftsstudie. In: GGW 1/2003
²Verilogue, Steve Wilkins, MPH, Smart Health Messaging: Physician-Patient Communications Benchmark 2013.
GSW Worldwide: 2015 Health Trends (http://de.slideshare.net/GSW_Worldwide/2015-health-trends?qid=6c24e4ed-386f-467c-8f02-fa40c484704a&v=qf1&b=&from_search=1)

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren

Hinterlassen Sie einen Kommentar
E-Mail-Adressen werden nicht veröffentlicht.

Ich möchte Benachrichtigungen erhalten bei weiteren Kommentaren.