2014 war das Jahr der Fusionen und Milliardendeals in der Pharmabranche. Bereits nach vier Monaten hatten die Mergers & Acquisitions nahezu das Gesamtvolumen von 2013 erreicht. Laut einer Studie von Ernst & Young wird sich das Volumen der Fusionen und Übernahmen bis Jahresende auf voraussichtlich 265 Milliarden Dollar (194 Milliarden Euro) belaufen.1

Fusionen Pharmabranche

Auch bei den Ärzten auf coliquio war dies ein Thema. Sie tauschten sich aus, welche Auswirkung sie auf die Forschung, die medizinische Versorgung und die eigene tägliche Arbeit erwarten:

 

Arzt-Statements zur Pharma-Fusionswelle auf coliquio

Ich denke, dass Großfusionen in der Pharmaindustrie kaum Auswirkungen auf die Patientenversorgung haben. Es sind zwar Riesen an den Börsen, aber nach wie vor sind die Marktanteile am Gesamtmarkt im einstelligen Prozentbereich. Über kurz oder lang graben die Generika einen hohen Nischenanteil der Originalhersteller wieder ab.
Letztlich sind auch diese Riesen Getriebene: Vom Finanzmarkt, den gesetzlichen Rahmenbedingungen und in gewisser Weise auch von der Endlichkeit mehr oder weniger simpler chemischer Strukturen; und selbst die “Biotechs” werden von den Generika angegriffen.

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Auswirkungen der Fusionen auf …
… Forschung: wird besser, weil Firmen durch Fusionen/Übernahmen eine kritische Masse überschreiten, auf der einen Seite durch Einsparung an diversen Stellen Gelder sparen, auf der anderen Seite mehr Forschungsgelder haben und es sich auf einmal leisten können, eine Entwicklung zu versemmeln. Statistisch werden jedoch mehr Entwicklungen marktreif.
… med. Versorgung: besser, weil die Auswahl an Medikamenten steigt und ich zunehmend individualisiert behandeln kann.
… tägl. Arbeit: spannender, darf immer etwas dazulernen (über neue Medikamente); befriedigender, weil ich mehr Auswahl habe.
Fazit: prima! (sofern marktbeherrschende Situationen vermieden werden)
Weiterer Aspekt: Je größer Firmen werden, umso mehr müssen sie auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, schon aus Image-Gründen. Auf diese Weise werden Hilfsprogramme für Entwicklungsländer möglich usw.

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Insbesondere ihren letzten Aspekt finde ich sehr optimistisch. Ich glaube nämlich nicht, dass große Firmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung wirklich gerecht werden. Mein Eindruck ist eher umgekehrt: Kleinere, familiengeführte Firmen kommen dieser Verantwortung eher nach, als große Firmen, die nur noch auf die Dividende ihrer Aktionäre schauen.

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Eine marktbeherrschende Firma ist wie ein großer Tanker. Wird eine dieser Firmen immer größer, wird sie massenmäßig zwar mächtiger und unangreifbarer, was sie dabei aber verliert, ist ihre Wendigkeit, die sie braucht, um sich qualitativ neu aufzustellen und sich neuen Situationen erfolgreich zuwenden zu können. […] Eine Fusion wird daher nur dann erfolgreich sein können, wenn der Großtanker dabei seine Manövrierfähigkeit für die Vermarktung von innovativen (next generation) Produkten für den Weltmarkt nicht nur nicht verliert, sondern sogar noch steigern kann.
Dem könnte entweder – wenn noch möglich – die Eigenproduktion dienen oder der Zukauf von innovativen Produkten oder gleich die Fusion mit ganzen innovativen Firmen. Die letzte Möglichkeit kann Großfirmen ihr Überleben sichern, vor allem deshalb, weil sie die Vorteile Ihres Polsters an verfügbaren Finanzreserven zusammen mit den Vorteilen Ihres eigenen globalen Netzwerkes erfolgreich nutzen können für die sofortige weltweite Vermarktung.

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Kleine Firmen sind oft wissenschaftsnäher, vielleicht sogar Ausgründungen von Wissenschaftlern oder Arbeitsgruppen. Im Allgemeinen können Sie freier entwickeln und forschen, da die “Shareholderbürokratie”, das Marketing und Management ohne Fachbezug nicht vorkommt oder nicht so einflussreich ist.
Natürlich kann man das nicht verallgemeinern, es gibt auch kleine „komplementärmedizinische“ Firmen, die keinerlei vernünftige Forschung betreiben und natürlich gibt es auch hervorragende Wissenschaftsabteilungen in großen Firmen. Nur sind die oft abhängiger von außerwissenschaftlichen Einflüssen.

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Die Einschätzungen der Mediziner sind also sehr unterschiedlich. Ein Teil der Diskussionsteilnehmer befürchtet einen negativen Einfluss auf die Investitionen in Nischen-Forschung und Neuentwicklungen: Kleinere Firmen seien oft wissenschaftsnäher und könnten unabhängig von den Interessen der Stakeholder forschen.

In anderen Beiträgen kommt dagegen die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Fusionen das Gegenteil bewirken und die fusionierten Pharmaunternehmen durch Einsparungen an anderer Stelle künftig mehr Gelder für die Forschung zur Verfügung haben könnten.

Wir sind gespannt, welche Auswirkungen der Pharma-Fusionswelle 2014 die Ärzte in den nächsten Jahren auf der coliquio-Community thematisieren werden. Diese und weitere Arzt-Insights erhalten Sie regelmäßig hier auf unserem Blog.

1 http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=52434
Grafik: http://www.welt.de/wirtschaft/article128294071/Fusionswelle-schuettelt-Pharmabranche-durch.html

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