Der Arztberuf genießt hohes Ansehen in der Bevölkerung und verspricht gute finanzielle Aussichten, weshalb er bei Berufseinsteigern sehr beliebt ist. Aber die Anforderungen an diese Berufsgruppe sind enorm: Die Wartezimmer sind voll und die Behandlungszeit für den einzelnen Patienten wird immer knapper. Zeitdruck und Arbeitsbelastung sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Hinzu kommen Schicht- und Wochenenddienst sowie Ruf- und Bereitschaftsdienste.

Die wöchentliche Arbeitszeit liegt oft über dem Durchschnitt. Die meisten Ärzte arbeiten mehr als 50 Wochenstunden und mehr als 5 Wochentage, wodurch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schwierig wird. Diese hohe Belastung bleibt nicht selten ohne Auswirkungen. Auch Ärzte sind von Burn-out gefährdet.

Die Freie Universität Berlin hat eine Studie über das Burn-out-Syndrom bei Ärzten veröffentlicht. Die Therapie von Ärzten gestalte sich besonders schwierig, denn ihnen fällt es schwer in die Patientenrolle zu schlüpfen. Sie haben eine gewisse Abwehrhaltung und versuchen selbst die Therapeutenrolle zu übernehmen. Das Selbstbild von Ärzten sieht nicht vor, sich selbst medizinische oder psychologische Hilfe zu suchen.

Wochenarbeitszeit und Risikoeinschätzung-V2

Auch in der coliquio Community sucht ein Arzt Hilfe zum Thema Burn-out für einen betroffenen Kollegen:

Wenn der Arzt selbst Patient wird

Ein Arzt mit Familie und eigener Praxis macht auf sein Umfeld einen ausgeglichenen Eindruck. In seinem Innern sieht es aber ganz anders aus: er ist völlig erschöpft und sieht keinen Ausweg mehr. Er wendet sich in seiner Verzweiflung an einen Arzt-Kollegen, der wiederum eine Frage an die Community richtet:

  • Was würden Sie machen, wenn Ihnen ein Kollege anvertraut, dass er mit seinen Kräften am Ende sei und oft an Selbstmord denke! Er arbeite viel, aber ich hatte gedacht, dass er zufrieden ist. Ich habe ihm vorerst Urlaub dringend empfohlen! Der Kollege ist ein guter Freund von mir. Der Weg zum Psychiater ist nicht einfach, wenn man selbst Arzt ist. Gibt es gute Kliniken für Ärzte mit Burn-out, wo man anonym behandeln lassen kann? Hat jemand Erfahrungen mit ähnlichen Fällen?

    Facharzt für Allgemeinmedizin

Kollegen aus verschiedenen Fachrichtungen geben Handlungsempfehlungen:

Ich würde ihm raten, professionelle Hilfe eines Psychiaters und/oder eines Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen. Auch ein Kollege sollte wie jeder andere Patient behandelt werden.

Facharzt für Allgemeinmedizin

Anonym behandeln lassen: glaube ich nicht, aber es gibt Kliniken, die sich spezialisiert haben auf Ärzte. Da ist er unter Kollegen/innen, denen es ähnlich geht!

Psychologischer Psychotherapeut

Der Weg zum Psychiater / Psychotherapeuten ist für (fast) niemanden einfach!
Wenn dieser Schritt derzeit noch nicht möglich ist, kann auch ein Allgemeinmediziner wie Sie (evtl. nach Rücksprache mit einem Psychiater) eine Erst-Medikation vornehmen. Aber Achtung: durch die Verminderung des Leidensdrucks kann auch die Motivation zur Inanspruchnahme adäquater professioneller Hilfe sinken.

Psychologischer Psychotherapeut

In einem sind sich fast alle Teilnehmer der Diskussion einig: professionelle Hilfe ist unerlässlich. Aber auch der Zuspruch von ihm nahestehenden Personen ist wichtig.

Reaktion des Partners-V2

Signalisieren Sie ihm, dass er Ihnen wichtig ist, dass es Ihnen wichtig ist, wie es ihm geht und dass er am Leben bleibt. Seien Sie besonders wachsam, wenn er sich zurückzieht – Sie kennen vermutlich selbst die Warnhinweise für akute Suizidalität. Bleiben Sie in Beziehung und achten Sie auch auf sich selbst, denn sowas ist auch für den Freund und Vertrauten besonders belastend – wissen Sie denn, ob Sie der einzige Vertraute sind oder ob er auch schon anderen (z.B. seiner Frau) von diesen Gedanken erzählt hat?

Psychologischer Psychotherapeut

Der Kontakt zum Kollegen ist schon mal ein guter Einstieg. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Freund den Schritt in die Klinik nicht von alleine gehen kann, könnten Sie a) Material anfordern, b) Kontakt herstellen, c) ggf. klären ob / ab wann Platz frei ist, d) mit dem Freund dort ein „Kennenlerngespräch“ vereinbaren und ggf. mit ihm dorthin fahren…
Vorsicht: NACH Vorstellung dort und VOR Beginn des Aufenthalts ist die mögliche Gefährdung potentiell höher!

Psychologischer Psychotherapeut

Eine suizidale Depression ist ernst zu nehmen und kann tödlich enden. Bei einem Herzinfarkt würden wir auch nicht zu etwas frischer Luft raten.
So auch bei einer Depression, die ja in einen „Seeleninfarkt“, sprich einen Suizid umschlagen kann. Er hat eine Depression und somit Anspruch auf fachärztliche, also psychiatrische Hilfe. Es gibt also nichts wofür er sich schämen muss! Als Kollege und Freund darf man da ruhig und bestimmt ein offenes entlastendes Wort reden. Aus der so gefürchteten Klinik kommt aber genau die Hilfe zum Leben, die er jetzt braucht und auf die er Anspruch hat.

Facharzt für Allgemeinmedizin

Damit das nicht untergeht: es ist ein großes Geschenk und ein Vertrauensbeweis, dass ihr ärztlicher Freund sich Ihnen anvertraut hat. Und ein großer Hilferuf.

Es ist denkbar, dass Sie ihn behutsam zur Inanspruchnahme von professioneller Hilfe motivieren können. Im schweren Burn-Out sind liebende Familienangehörige meist keine Bereicherung mehr – sondern eher eine Last. Vor allem, wenn man selbst keine Liebe und Zuneigung mehr empfinden kann und nur mehr seine Ruhe will.

Ganz wichtig wäre es, wenn Ihr Kollege sich auch seiner Frau gegenüber „outet“ – damit sie weiß, was mit ihm los ist, und ihn so auch möglichst unterstützen kann, z.B. bereits durch ihr Verständnis.

Psychologischer Psychotherapeut

Der Fragesteller bedankt sich für die rege Beteiligung an der Diskussion.

  • Vielen Dank für die zahlreichen Antworten. Ich werde Morgen mit ihm nochmal sprechen und fragen wo der Schuh nochmal drückt. Ich bin auch bereit ihn zum Neurologen zu begleiten. Ich hoffe, dass ich ihm helfen kann.

    Facharzt für Allgemeinmedizin

Bildquelle: Ben White / Unsplash

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