Der Deutsche Ärztetag hat das Fernbehandlungsverbot gelockert. Künftig dürfen Ärzte ihre Patienten auch ohne vorherigen persönlichen Kontakt in der Praxis ausschließlich über digitale Medien behandeln. Bisher war dies nur nach einer persönlichen Untersuchung möglich.

Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist jedoch die Gewährleistung der ärztlichen Sorgfalt bei Diagnostik, Beratung, Therapie und Dokumentation sowie die Aufklärung des Patienten über die ausschließliche Online-Behandlung.

Die einen sehen diese Entwicklung als wichtigen Schritt in der Digitalisierung des Gesundheitswesens, andere stehen der Fernbehandlung sehr skeptisch gegenüber. Durch die Neuregelung der Berufsordnung können Ärzte eine Alternative zu bestehenden Online-Angeboten und ausländischen Telemedizin-Portalen bieten, welche gesicherte Behandlungsqualität und rechtliche Sicherheit gewährleisten.

  • Das persönliche Arzt-Patienten-Verhältnis wird weiter das dominierende Element in der ärztlichen Behandlung bleiben.

    Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery Präsident der Bundesärztekammer

Das sagen die Ärzte auf coliquio

Auf dem Ärztetag hat sich die Große Mehrheit der Ärzte für die Fernbehandlung ausgesprochen und auch in unserer Umfrage in der coliquio-Community im Juli 2017 bestätigten bereits 72 % der Ärzte, dass die Telemedizin auf dem Vormarsch ist. Sie rechnen damit, dass diese bis 2022 fester Bestandteil ihres Berufsalltags wird. Die Mehrheit kann sich vorstellen telemedizinisch zu behandeln, aber nur in Verbindung mit dem persönlichen Arztbesuch.

Fernbehandlung 1
Fernbehandlung 2

Die Lockerung des Fernbehandlungsverbots wird unter den coliquio-Mitgliedern dennoch kritisch gesehen.

Fernbehandlung 3

Meinungen zum Thema

Anlässlich der aktuellen Entwicklung tauschen sich Ärzte auf coliquio zum Thema aus. Lesen Sie hier einige Meinungen:

Befundbesprechungen auch per Telemedizin möglich

[…] 50 % der Akutfälle benötigen eigentlich keine Untersuchung, weil sie nur wegen des gelben Scheines kommen. […] Und auch ein Gespräch nach Diabeteslabor ließe sich online führen, wenn neben Blutabnahme im Vorfeld auch Größe, Gewicht und Blutdruck von den MFA dokumentiert worden sind. Einbestellen kann man die Problemfälle ja immer noch.

Facharzt für Allgemeinmedizin

Patienten wünschen alternative Behandlungsmöglichkeiten

Dies ist eine Entwicklung, die mir überhaupt nicht gefällt. Aber ich denke, es wird kommen, weil die Bevölkerung es so will. Telemedizin wird in der Schweiz seit vielen Jahren durch Ärzte in Callcentern praktiziert. Ich werde mich nicht daran beteiligen, da der persönliche Kontakt für mein Verständnis einer Behandlung wichtig ist, und die körperliche Untersuchung ja auch nicht möglich ist. […]

Facharzt für Innere Medizin

Telemedizin überbrückt Ärztemangel auf dem Land

[…] Sie vergessen, dass es in diversen ländlichen Gebieten ohne Telemedizin kaum noch vernünftige ärztliche Versorgung geben kann. […] Mir gefällt das auch nicht. Aber solange die Medizinstudienplätze nicht zunehmen, wird der Druck bleiben. […]

Facharzt für Arbeitsmedizin

Telemedizin verhindert Information aus unsicheren Quellen

[…] Warum nicht ein Callcenter mit Ärzten, das allgemeine Tipps und Beratungen anbietet? Die ärztliche Behandlung wird ja dennoch immer notwendig sein. Ist jedenfalls besser, als wenn sich alle Patienten nur bei Google schlau machen.

Facharzt für Allgemeinmedizin

Verantwortungsvoller Umgang mit den digitalen Möglichkeiten

[…] Ferntherapie Ferndiagnose (gibt es in Ansätzen ja schon mittels Handy-Transmitter bei Herzpatienten und funktioniert gut) sind halt letztlich in der Verantwortung des Arztes und des Patienten. […]

Facharzt für Allgemeinmedizin

  • Ich bin überzeugt, dass dies eine wichtige Chance für die Ergänzung der bisherigen Versorgungsformen darstellt und dass Ärztinnen und Ärzte von dieser Möglichkeit verantwortungsvoll Gebrauch machen werden.

    Heiner Garg Gesundheitsminister Schleswig-Holstein

Zwar äußern Ärzte Bedenken im Umgang mit digitalen Behandlungsalternativen, eine aktuelle Umfrage in der Community zeigt aber, dass bereits vorhandene digitale Hilfsmittel in der Praxis durchaus von Ärzten genutzt werden. So nutzen Ärzte für die Patienten-Kommunikation auch E-Mail, einzelne haben sogar schon medizinische Befunde per WhatsApp verschickt, obwohl die Datensicherheit hier nicht gegeben ist.

Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass sich Patienten verstärkt zeitsparende Alternativen zum persönlichen Arztbesuch wünschen. Aus einer Umfrage von ePatient Survey aus dem Jahr 2016 wird bereits deutlich, dass sich jeder zweite Patient E-Health-Angebote vom Arzt wünscht.

Fernbehandlung
Patientenvorteile der Fernbehandlung:
  • Patienten können Beratung vom eigenen Arzt erhalten
  • Weder Anreisezeit noch Reisekosten
  • Verringerte / keine Wartezeit
  • Keine Ansteckungsgefahr im Wartezimmer
  • Überbrückung räumlicher Distanzen / Spezialisten in Ballungsgebieten und Ärztemangel in ländlichen Regionen
  • Inländische Leistungen mit gesicherter Rechtslage und Qualitätsstandard

Fazit

Die Reaktionen zeigen, dass es großen Bedarf für alternative Behandlungsmöglichkeiten gibt. Aber wie man sieht, gibt es viele Aspekte zu beachten und die Rahmenbedingungen sind noch nicht abschließend geklärt.

Die Bundesärztekammer hat deshalb eine Projektgruppe eingerichtet, welche die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen definiert. Hierbei liefert das Modellprojekt in Baden-Württemberg sicherlich hilfreiche Informationen. Bis die regionalen ärztlichen Berufsordnungen in den Landesärztekammern dann final angepasst sind, kann es nach Aussage von Montgomery noch bis zu zwei Jahre dauern.

Jetzt ist es wichtig, dass sichere und praktikable Lösungen für beide Seiten – Arzt und Patient – gefunden werden.

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