Heute gibt es für fast alles eine App. Allein im Gesundheitsbereich sind es mehr als 100.000 dieser kleinen Helfer mit den unterschiedlichsten Zielen. Die Themenpalette reicht von Ernährung über Bewegung bis hin zu Impfungen oder Schwangerschaft.

Laut der vom Bundesministerium für Gesundheit initiierten CHARISMHA-Studie zu Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps sind viele darunter, die eine positive Auswirkung auf die Zunahme der körperlichen Aktivität, die Anpassung der Ernährung und die Gewichtskontrolle haben können.

Wie sieht es bei medizinischen Anwendungen aus? Auch hier gibt es hilfreiche Anwendungen für Patienten: Therapietreue, Prävention und Gesundheitsförderung im Allgemeinen können durch Apps erheblich gesteigert werden.

Und wie sieht es bei den Ärzten aus? Nutzen sie Apps schon für ihren beruflichen Alltag? Wir haben für Sie Meinungen aus der Community zusammengetragen, die zeigen wie Ärzte die Nutzung von Apps aktuell bewerten.

Rücksprache mit dem Arzt ist wichtig

Ein Kardiologe steht der Anwendung von Gesundheits-Apps vor allem dann kritisch gegenüber, wenn sie vom Patienten ohne Rücksprache mit dem Arzt eingesetzt werden, da dies für Herz-Patienten mit Gefahren verbunden sei. Eine reine Anwendung für die Trainingsüberwachung und -steuerung befürwortet er jedoch:

Etwas anders ist es mit der Pulsüberwachung bei Patienten in Herzgruppen, die per Puls-Uhr oder Apps mit dieser Funktion ihren Trainingspuls erkennen und ihr Training damit steuern können. Wir habe gute Erfahrungen mit solchen Apps in einer Herz-Fitnessgruppe gemacht. Auch sind Pedelecs inzwischen mit solchen Smartphone-Apps ausgestattet. Gute Sache! Andere Funktionen, wie Therapietreue, Vitaldatenüberwachung, Ernährungsberatung können sinnvoll sein, doch sollten diese unbedingt zertifiziert werden. Doch davon sind wir weit entfernt.

Facharzt für Kardiologie

Auch Ärzte schätzen Unterstützung durch Apps

Auch im ärztlichen Berufsalltag sind Apps eine sinnvolle Ergänzung und ermöglichen auf einfachem Weg den Zugriff auf diverse Informationen. Sie bieten Hilfestellung für die unterschiedlichsten Anwendungsgebiete des Arztes.

Ein Neurologe erläutert einige Apps, die er als Arzt in der Klinik selbst sehr gerne nutzt:

1. KKNMS: Eine super App rund um die Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose.

2. ARZNEI AKTUELL: Sehr Hilfreich: Alle Medikamente, Dosierungen, UAW, Fahrtauglichkeit, Preise; bei zusätzlicher Zahlung auch mit Interaktionsrechner.

3. EMBRYOTOX: Super App um zu recherchieren, welche Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit anwendbar sind.

4. MEDSCAPE: Englischsprachige App mit umfassenden Infos rund um die gesamte Medizin.

5. ICD-10 Diagnoseauskunft: Hilfreich für jeden Schein…;-)

6. VERGIFTUNGSUNFÄLLE BEI KINDERN: Der Name spricht für sich…

7. ATLAS OF MRI BRAIN ANATOMY: Der Name spricht für sich…

 

Schrittzähler-Apps verwende ich persönlich nicht. Da sehe ich außer in der Motivation keinen großen Nutzen und sie sind auf dem Smartphone sehr ungenau.

Facharzt für Neurologie

Ärzte sehen in Zukunft großes Potenzial für medizinische Anwendung

Auch eine medizinische Anwendung, um frühzeitig Erkrankungen zu erkennen und Patienten aus der Ferne medizinisch betreuen zu können, empfinden Ärzte als sehr hilfreich.

Für die Zukunft sehr interessant sind auch Apps, die ein Vorhofflimmern erkennen. Kliniken machen in der Regel „nur“ ein 24h Langzeit-EKG mit entsprechend schlechter Aussagekraft… Da können Smartwatches mit Pulsanalyse ein echter Fortschritt sein. Aktuell gibt es Apps wie PREVENTICUS HEARTBEATS, mit denen sich ein VHF mit dem Smartphone aufzeichnen und als PDF exportieren lässt. Ich habe die App mal getestet, sie ist durchaus schon sinnvoll zu gebrauchen.

Facharzt für Neurologie

Finde ich als Kardiologe gut, doch muss die Aufzeichnung dann auch valide sein: EKG in Echtzeit über Brustgurt. Das ist aufwendig und viele Apps leisten das nicht.

Facharzt für Kardiologie

Ärzte suchen therapiebegleitende Apps für den Patienten

Ein Arzt hat einen Schmerz-Patienten, bei dem die Therapie nun auf Opioide ausgeweitet werden soll, was dem Patienten aber nicht gefällt. Bis der Patient bei einer Schmerz-Spezialisten-Gruppe vorgestellt werden kann, möchte der behandelnde Arzt die Zwischenzeit nutzen, um eine möglichst aussagekräftige Dokumentation zu erstellen und stellt folgende Frage in die coliquio Community:

  • Da das Handy heutzutage jeder immer bei sich hat, fällt die Dokumentation mit einer App wahrscheinlich leichter als Papieraufzeichnungen. Verwendet jemand Schmerz-Apps, in denen der Verlauf dokumentiert wird? Mit welchen Produkten haben Sie gute Erfahrungen gemacht, auch in Bezug auf „Lesbarkeit“ durch Kollegen?

    Psychologischer Psychotherapeut

Ärzte wünschen sich unterstützende Therapiebegleitung statt reiner Dokumentation

Das Potential für Apps, die über eine reine Dokumentation hinausgehen ist groß. Ärzte wünschen sich, dass dem Patienten so ein besserer Umgang mit dem Schmerz ermöglicht wird. Die Apps sollten zudem Strategien aufzeigen, wie man dem Schmerz begegnen kann oder die Sicht aus einem anderen Blickwinkel eröffnen, z.B. indem sie den Fokus auf positive Dinge lenken.

Zur Schmerzdokumentation verwende ich als Psychotherapeutin mit langjähriger Erfahrung in multimodaler Schmerztherapie und Zusatzqualifikation nach wie vor Tagebüchlein, allerdings nur zur Eingangsdiagnostik über wenige Wochen. Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass sich Schmerzprotokolle nachteilig auf das Schmerzerleben auswirken. Da gilt es, den Fokus davon weg zu lenken. Eine App, die ständig verfügbar ist, ließe den Scheinwerfer eher auf den Schmerz gerichtet.

Psychologische Psychotherapeutin

Bekannt ist das Phänomen der suggestiv ungünstigen Fokussierung: „Schmerz“-Tagebuch. … Viele Patienten mögen die Vorstellung von mehr Ruhe, Wohlbefinden, Harmonie …Interessant ist es, das Tagebuch anders auszurichten: Wie viel von der guten Qualität konnte ich heute erleben? Wie? Wodurch? Was habe ich dafür gemacht?

Psychologische Psychotherapeutin

Andere Ärzte empfehlen Apps, wie z.B. CachMyPain oder das Kopfschmerz Tagebuch von froggyware. MIGRAINE, eine Schmerzkalender-App der Schmerzklinik Kiel, habe sich für Migräne-Patienten als hilfreich erwiesen.

Der Fragesteller ergänzt, dass die Dokumentation nur für den Einstieg genutzt werden soll, bis der Patient in Weiterbehandlung übergeben wird. Hierfür sei es wichtig, dass der Patient Werkzeuge an die Hand bekommt, die er selbst nutzen kann, und dass den übernehmenden Kollegen eine brauchbare Dokumentation vorgelegt werden kann. Er kommt zu folgendem Fazit:

  • Vielen Dank für die Vorschläge. Ganz gut gefällt mir die App change-pain. CatchMyPain ist auch schön. Nachdem ich die Frage eingestellt hatte, sah ich den Patienten wieder. Er entschied sich für eine händische Dokumentation auf Papier, da es keine Standards gibt. Wo sind die guten alten Zeiten, wo an Veranstaltungen, die auch von Ärzten besucht werden, die Pharma vor Ort war und so viele schöne Spielsachen mitbrachte! Schmerzskalen, Schmerztagebücher, etc.!

    Psychologischer Psychotherapeut

Fazit

Die Diskussionen zeigen, Ärzte stehen dem Einsatz von mobilen Apps durchaus offen gegenüber. Allerdings besteht noch deutlicher Entwicklungsbedarf, denn die mobilen Tools werden nicht immer den Anforderungen gerecht. Sie müssen besser auf die Bedürfnisse von Patient und Arzt angepasst werden. Ärzte wünschen sich, dass Pharma auch bei Apps aktiv Hilfestellungen anbietet.

 

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