Ein älteres Ehepaar verweigert dem behandelnden Arzt die Zahlung, da die an Alzheimer erkrankte Patientin mit dem neuen Zahnersatz nicht zurecht käme.

Es stellt sich die Frage, ob und wie ein fachfremder Arzt den Grad der Erkrankung einschätzen kann. Hätte der Zahnarzt vorhersehen müssen, dass die an Alzheimer erkrankte Patientin mit dem Zahnersatz nicht zurecht kommen würde? Muss die Patientin zahlen oder nicht?

Ärzte auf coliquio beraten sich, wie in Zukunft richtig mit dieser Problematik umgegangen werden kann.

  • Nach einigen notwendigen Zahnextraktionen bei einer Patientin in unserer Praxis stand die Frage der Weiterversorgung an. Zusammen mit ihrem Mann traf sie die Entscheidung für eine OK-Telearbeit, Implantate waren ihr zu aufwändig, die günstige ESG-Lösung wollte sie auch nicht. Uns war klar, dass sie an Alzheimer erkrankt ist, in der Praxis macht sie aber körperlich einen sehr guten Eindruck, die Vergesslichkeit war aber deutlich. Der Ehemann meldete sich nach etwa 3 Wochen, dass seine Frau noch nicht so gut mit dem Handling klar komme. Bei uns in der Praxis stellten wir dann fest, dass die Patientin schlicht vergessen hat, dass es sich um eine herausnehmbare Arbeit handelte. Nochmaliges intensives Zeigen, diesmal auch dem Ehemann, folgte. Dann ist sie nochmal ins Labor gefahren, der Techniker hat ein wenig die Passung verändert. Sowohl bei uns wie auch im Labor hat sie die Arbeit jedes Mal herausbekommen. Und nun will der Ehemann nicht bezahlen, weil seine Frau ja zu Hause nicht damit klar kommt. Wie reagiert man denn nun bei so was?

    Zahnarzt
    Zahnarzt am 25.01.16

Lesen Sie hier einige Statements aus der Diskussion:

„Wenn die Patientin nicht entmündigt und voll geschäftsfähig ist und die Arbeit einwandfrei ist, muss sie die Arbeit bezahlen. Wenn sie entmündigt ist, hätte der Ehemann sie darüber informieren müssen. Nur weil die Patientin nicht gleich damit zurecht kommt, ist kein Grund zur Zahlungsverweigerung. Wenn die Patientin nicht mehr in der Lage ist die Arbeit zur Reinigung zu entfernen, muss es der Ehemann oder eine Pflegekraft machen. Wenn die Zahnersatzaufklärung gut dokumentiert ist, auch das der Mann dabei war und keine Fragen zu der vorgeschlagenen Lösung hatte, ist man aus dem Schneider.“

 

Facharzt für Zahnmedizin

„Aber wenn Sie wussten, dass die Patientin an Alzheimer erkrankt ist, dann hätten Sie besser nicht so eine aufwendige, für ältere Leute durchaus anspruchsvolle Arbeit gemacht. Sie als Behandler müssen einschätzen können, ob der Patient mit der geplanten Arbeit nicht vielleicht überfordert ist. Versuchen Sie das am besten gütlich zu klären. Bei einem evtl. Gutachten bzw. gerichtl. Auseinandersetzung könnte das schwierig für Sie werden. Der Ehemann zählt hier als aufzuklärende Person eher wenig.“

 

Facharzt für Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie

„Früher wurde die Aufklärung mündlich gemacht und ggf. in der Akte vermehrt, dass eine stattgefunden hat. Es reichte sogar vor Gericht der Hinweis, dass bei diesem Eingriff z.B. immer auf diese Nebenwirkungen mündlich aufgeklärt wird. Dann musste die Aufklärung immer detaillierter in der Akte aufgeführt werden. Dann kam der Ruf sich alles unterschreiben zu lassen. Dem Patienten musste dann eine Kopie ausgehändigt werden. Und so weiter und so weiter. Der formale Anspruch an die Aufklärung steigt seit Jahren. Ziel muss es doch sein, dass der Patient es verstanden hat und nicht das es gerichtsfest ist.“

 

Facharzt für Zahnmedizin

Ein Neurologe beschreibt, wie die Situation aus seiner Sicht zu bewerten ist und schätzt die Chancen des Zahnarztes auf die Bezahlung ein:

„Oft ist eine Demenz schon weit fortgeschritten, wenn sie im Rahmen der fokussierten Anamnese auffällt. Sollte die zahnärztliche Prozedur einwilligungspflichtig sein, so ist durch den Arzt unabhängig von der Fachdisziplin die Einwilligungsfähigkeit nachzuweisen, wenn Zweifel an selbiger bestehen. Die Formulierung hierzu ist die „abwägende Entscheidung“. Nach der Beschreibung des Ablaufes ist dieses Abwägen wahrscheinlich nicht möglich gewesen, aber auch nicht überprüft worden. Wenn die Prozedur also einwilligungspflichtig ist, ist sie ohne Einwilligung durchgeführt worden. Wenn die Pat. sich abwägend für die Behandlung entscheiden konnte, dürfte von Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden – zumal kein Psychiater anwesend war. Damit steht dem Wunsch nach Bezahlung vermutlich nichts entgegen. Sollte sie einfach nur „Ja“ gesagt haben und nicht nachvollziehbar abgewogen haben, würde ich einen geringen Erfolg im Rahmen eines Verfahrens erwarten. “

 

Facharzt für Neorologie

Der fragestellende Zahnarzt bedankt sich für die Kommentare seiner Kollegen und zieht folgendes Fazit:

„Vielen Dank für alle Kommentare, das hat jetzt schon viel gebracht.Der Ausprägungsgrad der Erkrankung ist mir wirklich jetzt erst deutlich geworden, aber da bin ich als Zahnarzt wohl auch in keiner einfachen Position. Der Ehemann ist mit praktischer Hilfeleistung leider überhaupt keine Hilfe, da er Parkinson hat. Mir war, als die Kosten kein Problem zu sein schienen, die Telearbeit aufgrund der Erweiterbarkeit und Stabilität einfach die sympatischste Versorgung.
Bin gespannt, wie das noch ausgeht, bei ähnlichen Fällen wird man das nächste Mal auf alle Fälle deutlich zurückhaltender rangehen.“

 

Der fragestellende Facharzt für Zahnmedizin

Bildquelle: Matthew Bennet / Unsplash

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