Chatbots bzw. virtuelle Sprachassistenten und Healthcare – kann das funktionieren? Die Bedenken sind begründet, denn gute medizinische Versorgung ist kaum vorstellbar ohne die Fürsorge und Empathie eines kompetenten Pflegers oder Arztes. Anderseits lassen Zeit- und Kostendruck im Medizinalltag diese Art von Behandlung schon heute kaum noch zu.

Wie können Chatbots Ärzte und Pfleger in Zukunft entlasten? Und wie können Pharmaunternehmen die virtuellen Helfer für sich nutzen? Ich bin für Sie ins Chatbot-Universum eingetaucht und habe überraschende Antworten gefunden.

Was ist ein Chatbot?

Der Branchenverband bitkom definiert Chatbots (von „Chatten“ und „Roboter“) als Programme oder Anwendungen, die bestimmte Aufgaben selbständig und automatisiert ausführen. In Verbindung mit Messengern sind sie in der Lage, einen Dialog mit einem Menschen erstaunlich realistisch zu simulieren. Fragen in Textform oder Sprache beantwortet der Chatbot vollautomatisch. Moderne Chatbots sind lernfähig und arbeiten auf Basis künstlicher Intelligenz. Das macht sie zu äußerst effizienten virtuellen Assistenten und Beratern für die verschiedensten Einsatzbereiche.

Was können die neuen Chatbots?

Die ersten Chatbots waren nichts anderes als eine andere Form der FAQ-Liste. Bei Fragen reagierten sie lediglich auf bestimmte Keywords. Die neuen Chatbots arbeiten mit künstlicher Intelligenz und entwickeln sich dank maschinellem Lernen mit jeder Anfrage weiter. Die Folge: Perfekte Sprachsteuerung und gut funktionierende Algorithmen sorgen dafür, dass wir kaum noch einen Unterschied zu einem realen Ansprechpartner feststellen können. Außerdem werden Chatbots immer vernetzter, bringen die verschiedensten Institutionen wie z.B. Mediziner, Kliniken und Pharmaunternehmen zusammen und erleichtern somit allen Beteiligten die Abläufe enorm. Dadurch ergeben sich völlig neue Nutzenaspekte und Einsatzzwecke, die Pharmaunternehmen, Ärzten und Patienten zu Gute kommen.

Healthcare-Chatbots – mehr als Diagnose-Tools

Vielleicht haben Sie auch das Buch von Judith Newman gelesen, deren 13-jähriger autistischer Sohn über Apples Siri Trost mit therapeutischem Nutzen fand? Was bei Siri noch ein unbeabsichtigter Nebeneffekt war, nutzen Pharmaunternehmen und Healthcare-Player heute bewusst in Form spezieller Service-Anwendungen für ihre Patienten. Healthcare-Chatbots stellen erste Diagnosen, verwalten Medikations- und Behandlungspläne, erinnern an die Medikamenteneinnahme oder vermitteln an Facharzt oder Klinik. Im Healthcare-Bereich sind Chatbots also längst nichts Neues mehr.

Healthcare-Chatbots sind heute in Apps, Messengern oder kleinen Applikationen in Websites integriert. Die meisten erfassen Patientensymptome. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz werden tausende von Patientendaten und Krankheitsfälle genutzt, um möglichst präzise Diagnosen zu stellen. Healthcare-Chatbots wenden sich aktuell entweder nur an den Patienten oder an Patient + Arzt. Chatbots mit hohem Patientenfokus haben einen Vorteil: Die große Akzeptanz. Für Pharmaunternehmen bietet das völlig neue Chancen zur Generierung von Krankheitsdaten bis hin zur Rekrutierung von Studienteilnehmern:

Patient und Chatbot

Was bringen Healthcare Chatbots?

für Patienten:

  • Gesundheitszustand überwachen
  • Medikamenten-Einnahme und -Therapien planen und überwachen
  • Selbstmanagement für Krankheiten wie Diabetes ermöglichen
  • Patienten mit Handicaps oder in abgelegenen Regionen konsequent betreuen
  • Neue Selfcare-Therapien realisieren (Depression, Demenz, Autismus, Ernährungscoaching etc.)
  • Homecare schneller, effektiver, günstiger und attraktiver erleben
  • Aufklärung über seltene Krankheiten erhalten
  • Durch Kliniken navigieren
  • Durch (Klinik-) Websites navigieren
  • Im Notfall helfen

für Pharmaunternehmen und Healthcare-Profis:

  • Adhärenz erhöhen für Medikation, Therapie, Lebensstiländerung
  • Entwicklung von Therapien und Medikamenten optimieren und beschleunigen
  • Vermarktung von Therapien, z.B. durch Verknüpfung von Diagnosedaten
  • Servicedienste schneller, kosteneffizienter realisieren
  • Weniger Behandlungsfehler durch zielführende Suchfunktionen
  • Wissensmanagement für Betreuer und Ärzte stärken (chronische/seltene Krankheiten)
  • Studienteilnehmer rekrutieren
  • Ersthelfer schnell und effektiv unterstützen
Chatbots in Healthcare

7 Gesundheits-Chatbots, die Sie kennen sollten

1. Safedrugbot
Arzt

Die richtigen Medikamente für stillende Mütter finden – über den Messenger Telegram findet der Mediziner mit Hilfe von Safedrugbot schnell und einfach das richtige Präparat.

2. Ada
Arzt und Patient

Dieser Health Checker ermöglicht dem Patienten durch Eingabe seiner Symptome die Selbstdiagnose und will zudem zum Standard-Diagnose-Tool für den Arzt werden. Ada war 2017 die am schnellsten wachsende medizinische App und hat heute über 4 Millionen User.

3. Sensely
Patient

Die virtuelle Assistentin „Molly“ schätzt die Symptome anhand von Sprache, Text, Bildern und Videos ein. Der Chatbot ist in der Lage, über die Dringlichkeit eines Falles zu entscheiden und hilft dem Patienten bei der Abwägung zwischen Selbstmedikation oder Arztbesuch.

4. Izzy
Patient

Izzy begleitet die Frau als kleiner gelber Vogel im Facebook Messenger durch den Menstruationszyklus. Izzy kündigt die nächste Periode an und zeigt fruchtbare Tage an. Wenn die Frau Angaben zu Gefühlen und Schmerzen macht, gibt Izzy über den Algorithmus individuelle Tipps zum Zyklus oder zu sexuellen Fragen.

5. Florence
Patient

Wie eine persönliche Krankenschwester erinnert Florence in einer eigenständigen App an Medikamenteneinnahme, dient als Fitnesstracker und hilft bei der Suche nach Arzt oder Apotheker.

6. Gyant
Patient

Dieser US-amerikanische Chatbot sendet Gesundheitsdaten seiner Nutzer an Ärzte. Diese erstellen ihre Diagnose in Echtzeit und verschreiben Medikamente. Nutzbar in deutsch sowie in einigen anderen Sprachen per Facebook Messenger und Amazon Alexa.

7. Cancer Chatbot
Patient und Pfleger

Dieser Chatbot bietet über den Facebook Messenger wertvolle Unterstützung für Krebspatienten, deren Angehörige und Pflegepersonal – von Chemo-Tipps bis hin zu Ratschlägen für den Dialog mit dem Betroffenen.

Unsere Einschätzung

Chatbots werden Diagnostik, medizinische Betreuung und auch die Medikamentenentwicklung verändern und beschleunigen. Eingebettet in attraktive Apps oder gewohnte Messenger befinden sie sich genau dort, wo sich Ärzte und Patienten bewegen. Sie werden immer perfekter und der Spaßfaktor bei der Nutzung steigt für alle Beteiligten. Sie machen medizinisches Wissen für Patienten und Fachkräfte zielgerichtet verfügbar und haben dadurch die Chance, Fehldiagnosen zu vermeiden und die medizinische Versorgung zu verbessern.

Für Pharma sind sie vielleicht der Schlüssel, in Zukunft den Patienten überhaupt noch direkt zu erreichen und wertvolle Insights für die Entwicklung und Optimierung von Therapien und Medikamenten zu gewinnen. Interessant sind die Einsatzmöglichkeiten in schwer erreichbaren Regionen oder bei bestimmten Krankheitsbildern und Therapien.

Chatbots werden Arzt und Apotheker nicht ersetzen, aber sie werden die Reihenfolge verändern: Als Patient konsultiere ich zuerst meine App, dann den Arzt – ein Beispiel: Der Apple Healthbot verweist mich in die Amazon-Klinik, die mit meinem Hausarzt vernetzt ist und über Google Medikamente ordert, die über die nächste Apotheke ausgeliefert werden.

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