Neuen Technologien stehen wir erst einmal skeptisch gegenüber. Sie haben sich aber immer durchgesetzt – zumindest, wenn sie einen echten Nutzen brachten. Neu ist allerdings die Geschwindigkeit, mit der dies passiert. Ganze Branchen müssen umdenken oder verschwinden vollends vom Markt, doch die Pharmabranche folgt in weiten Teilen ihren gewohnten Pfaden.

Dabei drängen immer mehr junge Unternehmen und digitale Schwergewichte in den Gesundheitsmarkt, denn sie haben die Zeichen der Zeit erkannt.

Bestes Beispiel für den Wandel, der sich derzeit überall vollzieht, ist der Einzelhandel, der unter Amazon und Co. ächzt. Oder die Musik- und Filmindustrie, deren Produkte innerhalb weniger Jahre den Wandel von physischen Datenträgern hin zum digitalen Streaming vollziehen mussten. Gleichzeitig verändern neue Firmen wie der Fahrdienstleister Uber oder der Vermittlungsservice für Privatwohnungen Airbnb etablierte Märkte innerhalb kürzester Zeit.

Doch was ist mit der Pharmabranche? Sie verharrt in seit vielen Jahren bewährten Modellen. Erst jüngst hat eine Studie der d.velop mit dem „Branchenatlas Digitale Transformation“ gezeigt, wie groß der Nachholbedarf im Pharmabereich beim Grad der Digitalisierung bereits ist. Im Vergleich zu anderen Branchen rangiert die Pharma- und Chemiebranche auf dem drittletzten Platz. Nur Maschinenbau und Logistik sind noch schlechter eingestuft.

Die neue Konkurrenz ist branchenfremd

Die Gefahr geht dabei nicht von den bisherigen Konkurrenten aus. Sie droht von ganz anderer Seite, denn inzwischen drängen nahezu alle großen Digital-Unternehmen in den Markt. Ihr Vorteil: In Sachen Digitalisierung sind sie der Pharmabranche um Jahre voraus und sie wissen um ihre Chancen.

Google hat mit Calico ein eigenes Unternehmen gegründet, das sich nicht nur der Gesundheit, sondern gleich der Verlängerung der Lebensspanne verschrieben hat. Cisco setzt mit Connected Health, auf die sichere Vernetzung medizinischer Daten. Die dahintersteckende Vision: Durch den Einsatz modernster Informations- und Kommunikationstechnologien sollen Qualität und Effizienz im Gesundheitswesen gleichzeitig verbessert werden.

Jedes iPhone von Apple ist mit einer eigenen Health App ausgestattet, die – ähnlich wie Google Fit oder Microsoft Health – persönliche Gesundheitsdaten sammelt, zusammenfasst und auf Wunsch auch Ärzten verfügbar machen kann. Und IBM Watson bietet Ärzten bereits heute eine datenbasierte Unterstützung bei der Erstellung von Diagnosen sowie bei der Behandlung an und greift dabei auf seine riesige Datenbank weltweit verfügbarer Informationen zurück.

Start-ups bringen sich weltweit in Position

Auch die Gründerszene setzt inzwischen auf eHealth: Ob Apps zur Analyse der Auslöser von Migräne- und Kopfschmerzattacken, zur Unterstützung der Therapietreue oder bei Diabetes – kaum eine Krankheit oder Befindlichkeitsstörung, für die es inzwischen nicht auch eine Anwendung gibt. Von den zahllosen Lifestyle- und Fitness-Apps einmal ganz abgesehen, die inzwischen auf dem Markt sind. Rund 100.000 werden inzwischen bei Google Play und im Apple App Store angeboten und bis zu vier Millionen Mal pro Tag heruntergeladen.

Beschleunigt wird die Entwicklung weiter durch das Internet of Things (kurz IoT):  Über tragbare Sensoren – wie beispielsweise bereits in der Apple Watch integriert – werden Patientendaten gesammelt. Hier hat die Zukunft gerade erst begonnen, denn das Zusammenführen verschiedenster Patientendaten in Echtzeit kann gerade bei älteren oder chronisch kranken Menschen völlig neue Behandlungsansätze ermöglichen.

Wer die Daten hat, hat die Macht

Mit seiner Aussage „Wer die Daten hat, hat die Macht“ stellte EU-Digitalkommissar Günther Oettinger bereits mehrfach klar, in welche Richtung die weitere Entwicklung seiner Meinung nach laufen wird. Auf politischer wie gesellschaftlicher Ebene werden Daten nicht länger als Fluch, sondern zusehends als Segen gesehen. Dazu kommt im Gesundheitsbereich auch eine Veränderung der Erwartungshaltung der Patienten – hin zu mehr Gesundheitswissen und -bewusstsein und damit auch Eigenverantwortung. Das wiederum verändert die Rolle der Ärzte, denn zusätzlich zur Reparaturmedizin wird von ihnen zunehmend eine präventive Gesundheitsmedizin gefordert.

Und falls es noch einen weiteren Beweis für die Bedeutung des Themas braucht: Schon heute hat Gesundheit in vielen Ländern das langjährige Internet-Topthema Sex von Platz 1 verdrängt. Der durch die Digitalisierung ausgelöste ganz große Wandel im Gesundheitswesen hat bereits begonnen.

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