Welche medizinischen Technologien werden 2020 zum Game Changer? Nachdem das letzte Jahr endlich den Durchbruch für Gesundheits-Apps auf Rezept brachte, sind die Digital-Health-Erwartungen für 2020 groß. Wir haben die Prognosen verschiedener Experten unter die Lupe genommen und 7 Healthcare-Trends mit Potenzial identifiziert – von absolut visionär bis real existierend.

Diese 7 Healthcare-Trends lassen aufhorchen:

1

Medizinische Drohnen im Anflug

Im März 2019 genehmigte die US-Flugaufsicht ein Drohnen-basiertes Transportkonzept für das WakeMed Hospital in Raleigh, North Carolina, USA. Das Logistikunternehmen UPS wird gemeinsam mit dem kalifornischen Drohnen-Start-up Matternet medizinisches Probenmaterial zwischen den verschiedenen Klinikeinrichtungen transportieren. Die Drohnen ersetzen Kurierautos, die häufig im Straßenverkehr steckenblieben. Doch ausnahmsweise war Europa schneller bei der Drohnen-gestützten Medizin-Logistik. Bereits 2 Jahre vorher hatten UPS und Matternet begonnen, für Kliniken in der Schweiz Laborproben zu transportieren. Weitere Drohnen-Beispiele finden sich in Afrika. In Ruanda befördern sie seit 2016 wichtige medizinische Produkte. Seit April 2019 arbeiten UPS und Zipline, ein anderer Drohnen-Hersteller, mit der Impfstoffallianz GAVI zusammen, um 12 Millionen Menschen in Ghana zu versorgen.

Drohne im Flug
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Klinische Studien am Computer statt am Menschen

Computer-Simulationen statt Phase-2- oder 3-Studien – lautet die stark verkürzte Erklärung, was hinter „in silico clinical trials“ steckt. Damit könnten Pharmaunternehmen Tausende neuer Wirkstoffe an Milliarden virtueller Patienten in ein paar Minuten per Maus-Klick testen (silico steht für Silizium, dem Hauptbestandteil von Computer-Chips). Zugegeben, der Weg bis zur Arzneimittelzulassung aufgrund einer perfekten Software-Simulation des Menschen ist noch weit. Doch es gibt bereits weit fortgeschrittene Simulationsmodelle für die menschliche Physiologie wie beispielsweise HumMod, an dem die University of Mississippi seit vielen Jahren arbeitet. Das HumMod-Simulationsmodell berücksichtigt rund 6.500 Variablen wie Körperflüssigkeiten, Elektrolyte, Hormone oder die Hauttemperatur.

NCID Singapur
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Real-Time Location System – Internet of Things in der Medizin

Was bringt der in anderen Branchen oft strapazierte Begriff „Internet of Things (IoT)“ in Healthcare? Statt IoT könnte es vielleicht RTLS heißen – Real-Time Location System. Gemeint ist die sensorgestützte Echtzeit-Ortung und -Koordination von medizinischer Ausstattung genauso wie von Patienten, Ärzten oder Pflegepersonal. Verschiedene Projekte in Singapur geben einen Vorgeschmack, wie RTLS real aussehen könnte. Im Gebäude des Nationalen Zentrums für Infektionskrankheiten soll ein neu implementiertes RTLS helfen, im Katastrophenfall (Epidemie) alle Beteiligten inklusive Ausstattung nachzuverfolgen und zu koordinieren – das Einhalten der Händehygiene inklusive. Andere IoT-Systeme gibt es in Singapur bereits in Krankenhäusern, um Patientenströme effizienter zu organisieren oder die Gebäudetechnik zu optimieren.

PICI
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Disruption in der Krebsforschung

Typische Hindernisse bisheriger Forschungsstrukturen in der Onkologie beseitigen – mit diesem Anspruch hat sich 2016 das Parker Institute for Cancer Immunotherapy (PICI) gegründet. Es versteht sich als ein Netzwerk renommierter Forschungsinstitutionen wie das Memorial Sloan Kettering oder die Universität Stanford. Was macht das PICI anders? Zum Beispiel gibt es nur eine einzige Ethik- und Prüfungskommission (Institutional Review Board) für alle am PICI beteiligten Wissenschaftler. So ist es möglich, großangelegte klinische Studien bereits nach ein paar Wochen statt nach vielen Monaten zu starten – und das zu geringeren Kosten. Das ist nicht alles: Wichtig ist dem PICI zudem, Forschungsergebnisse bestmöglich zu vermarkten, beispielsweise mit Lizenzverträgen oder Firmenausgründungen. Inzwischen führt das PICI 11 klinische Studien durch und hat über 2.000 Veröffentlichungen in mehr als 390 Fachzeitschriften publiziert – zum Beispiel eine Science-Studie, die den Einfluss des Mikrobioms auf die Wirkung von Checkpoint-Inhibitoren zeigte.

5

Neurologische Reha durch die VR-Brille

Ein persönlicher Schicksalsschlag hat die Belgierin Isabel van de Keere motiviert, neue Wege für die neurologische Rehabilitation zu finden. Sie musste selbst 3 Jahre lang monotone Übungen wieder und wieder durchführen, ohne einen spürbaren Fortschritt zu sehen. Mit ihrem Start-up-Unternehmen Immersive Rehab möchte sie die Rehabilitation beispielsweise für Patienten mit Schlaganfall oder Multipler Sklerose grundlegend ändern. Mit Virtual Reality (VR)-unterstützten Übungen sollen die Reha-Patienten die Neuroplastizität ihres Gehirns besser nutzen. Die Hoffnung ist, dass sich so verletzte neuronale Signalwege schneller wiederherstellen. Überdies stehen den Ärzten und Therapeuten die mit der VR-Brille gewonnenen Daten zur Verfügung, um den Behandlungsfortschritt zu messen und das Reha-Programm anzupassen. Das Reha-Start-up bereitet sich jetzt auf klinische Studien in Europa und den USA vor.

VR Reha
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Gamification gegen den inneren Schweinehund

Im November 2019 hat Google den Fitness-Tracker-Hersteller Fitbits übernommen. Könnte einer der Gründe für Google der Gamification-Ansatz von Fitbits sein? Denn Fitbits setzt mit seinen Healthsolutions seit längerem auf spielerische Konzepte, um gesunde Gewohnheiten zu stärken. Die per Fitbit-Tracker gesammelten Aktivitätsdaten lassen sich beispielsweise unter Arbeitskollegen teilen und initiieren so einen spielerischen Wettbewerb um das beste Gesundheitsverhalten. Auch der US-Krankenversicherer Blue Shield California setzt auf den Gamification-Ansatz. Mit Wellvolution bietet er einen spielerischen Weg zu einem besseren Gesundheitsverhalten.

Fitbit
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Und zum Schluss: Evidenzoffensive für Gesundheits-Apps

Das Digitale Versorgung Gesetz macht 2020 den Weg frei für die Erstattungsfähigkeit von Gesundheits-Apps. Im Kleingedruckten des Gesetzestextes findet sich jedoch der kleine Pferdefuß, dass die Hersteller einen „positiven Versorgungseffekt“ ihrer digitalen Gesundheitsanwendungen nachweisen müssen. Es bleibt spannend, wie dieser Evidenznachweis im Einzelfall konkret aussehen wird. Denn die wenigen Gesundheits-Apps, die eine Prüfung nach den Standards randomisierter kontrollierter Studien durchlaufen haben, zeigten eine eher geringe Evidenz für ihre Wirksamkeit – stellte die Zeitschrift Nature Digital Medicine 2018 fest. Immerhin hat das britische NICE im März 2019 ein Evidence Standard Framework für digitale Gesundheitstechnologien entwickelt, das erklärt, wie die Apps ihre Wirksamkeit zukünftig nachweisen sollen.

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