Neue Wirkstoffe, bessere Therapien, schnellere Diagnosen
Wie kommt es eigentlich, dass Tech-Unternehmen wie Amazon, Google oder auch Microsoft massiv in den Healthcare-Markt investieren? Was sehen sie in diesem Markt, was für sie die Millionen-Investitionen rechtfertigt?
Die Antwort: Diese Unternehmen haben gelernt, Algorithmen zu entwickeln, die aus einer Unmenge an Datenpunkten die richtigen Kombinationen herausarbeiten können. Kurz gesagt – sie sind Vorreiter im Bereich Machine Learning.
Und Healthcare ist ein Bereich, in dem es viele Datenpunkte und eine hohe Komplexität gibt. Auf die Gesundheit eines Menschen haben viele Faktoren Einfluss. Und auch in der Entwicklung neuer Medikamente und ihrer Personalisierung entwickelt sich Machine Learning zum echten Game Changer.
In diesem Artikel erfahren Sie, welche Unternehmen im Moment in diesen Bereichen Fortschritt machen und Healthcare in Zukunft verändern werden.
Künstliche Intelligenz und Machine Learning – diese Begriffe werden oft nicht ganz trennscharf benutzt oder auch vermischt. Kurz erklärt ist künstliche Intelligenz (eng. Artificial Intelligence) das übergreifende Konzept, das es „Maschinen“ erlaubt, Tätigkeiten in einer Weise auszuführen, die wir als „smart“ bezeichnen würden. Machine Learning ist eine der aktuellen Anwendungen künstlicher Intelligenz, bei der Maschinen Zugriff auf Daten gegeben wird und diese anhand der Analyse dieser Daten selbständig lernen und bessere Antworten auf neue Herausforderungen geben können.
3 Bereiche, in denen Machine Learning Healthcare verändern wird
1. Bei der Diagnose von Krankheiten
DeepMind, ein Unternehmen des Google-Konzerns, ist verschiedene Partnerschaften mit Krankenhäusern eingegangen, um Machine Learning Tools zu entwickeln. Diese sollen Ärzte bei der Erzielung besserer medizinischer Ergebnisse unterstützen. So kann Machine Learning Ärzten helfen, bei Symptomen Muster zu erkennen. Werden Ärzte bei der Diagnose von Algorithmen unterstützt, können Sie nicht nur akkurater, sondern auch schneller und effizienter die richtige Diagnose stellen.
Konkret sieht Google’s DeepMind vier Vorteile, wenn Ärzte Machine-Learning-Algorithmen nutzen:
- Verbesserter Zugang zur richtigen Diagnose.
Lernende Algorithmen können die Arbeit von Ärzten unterstützen und so eine verbesserte, konsistentere Qualität sicherstellen. - Schnellerer Zugang zu Diagnosen.
Bei vielen Krankheiten ist es überlebenswichtig, dass Patienten rechtzeitig die richtige Diagnose bekommen. Machine Learning kann diese wichtigsten Hinweise bereitstellen und Ärzte können daraufhin die richtige Therapie verordnen. - Neuer Zugang zu Diagnosen.
Durch die Menge an Daten, die ein Algorithmus verarbeiten kann, ist dieser in der Lage, auch subtile Zusammenhänge zwischen Symptomen und Testergebnissen zu finden, die für einen Menschen zu komplex sind, um sie zu erkennen. So können – in der Theorie – früher Diagnosen gestellt und neue Therapiemöglichkeiten entwickelt werden. - Kontinuierliches Lernen.
Algorithmen lernen mit jedem neuen Datenpunkt, den sie erfassen, dazu. Das unterstützt auch Ärzte dabei, kontinuierlich zu lernen, welche Herangehensweisen Patienten am meisten helfen.
2. Bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe für Pharma
Die Entwicklung neuer Wirkstoffe ist noch immer ein langwieriger und vor allem kostspieliger Prozess. Von 12,4 Wirkstoffen in der vorklinischen Phase bekommt in Deutschland im Schnitt nur einer die Zulassung. Immer mehr Pharmaunternehmen setzen deswegen auf Machine Learning, um die Suche neuer Wirkstoffe schneller, effizienter oder sogar kostengünstiger zu machen. Beispielsweise gibt es Versuche, die Erfolgsaussichten neuer Wirkstoffe noch vor der Testphase vorherzusagen oder auch neue Kombinationen bereits zugelassener Wirkstoffe bei Krebs-Medikamenten mittels Machine Learning zu finden. Aber auch in anderen Bereichen versprechen sich Pharmaunternehmen viel von Machine Learning:
- Sanofi und Exscientia: Neue Wirkstoffe für potentielle neue Medikamente:
Sanofi arbeitet mit Exscientia zusammen, einer Machine Learning Schmiede, die für Sanofi neue Wirkstoff-Kombinationen entwickeln will. Andrew Hopkins, CEO Exscientia, gibt an, potentielle Wirkstoffe im Vergleich zu traditionellen Methoden um ca. 25 % schneller und 25 % günstiger finden zu können. - Pfizer und IBM Watson: Wirkstoff-Kombinationen für neue Therapien?
Pfizer kooperiert mit IBM Watson, um im onkologischen Bereich Machine Learning für mögliche neue Wirkstoff-Kombinationen zu nutzen. IBM Watson hat bereits 25 Millionen medizinische Studien, über eine Million Artikel medizinischer Journale und 4 Millionen Patente „gelesen“. Pfizer hofft, dass so neue Therapie-Kombinationen für die Krebsforschung ermittelt werden können.
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One of the hopes is that Watson's deep pool of information can enable it to make non-obvious connections that could lead to combination medicines for cancer.
- Johnson & Johnson und BenevolentAI: Neue Anwendungsgebiete für bestehende Wirkstoffe.
BenevolentAI untersucht für Johnson & Johnson Wirkstoffe, welche Phase 1 bereits durchlaufen haben, aber bei den Krankheiten, für die sie entwickelt wurden, keine Wirkung gezeigt haben. Mit Machine Learning sollen jetzt Anwendungsgebiete für andere Krankheiten gefunden werden. So könnte der Testprozess dramatisch verkürzt werden: Präparate könnten direkt in Phase 2 der klinischen Studien einsteigen. Erste Erfolge konnte die Partnerschaft bereits bei einem Medikament zur Schläfrigkeit bei Parkinson Patienten erzielen:
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It appears that BenevolentAI's recent phase 2b trial for a drug to treat sleepiness in Parkinson's patients is one of the first uses of this agreement.
3. Bei der Personalisierung von Therapien
Um die Komplexität von Krebs zu beschreiben, vergleichen Experten ihn manchmal mit Schneeflocken – jede ist anders. Das macht eine personalisierte Therapie so wichtig. Ärzte analysieren die Krebserkrankung jedes Patienten ganz genau, um die beste Behandlung zu ermöglichen. Bei besonders schwierigen Fällen entscheidet eine Gruppe von Experten gemeinsam über das beste Vorgehen. Das dauert oftmals mehrere Stunden und ist bei knapp 500.000 Krebserkrankungen pro Jahr allein in Deutschland nicht skalierbar.
Ein Projekt von Microsoft, Project Hanover, will diese Herausforderung nun lösen:
- Maschine Reading:
Neue wissenschaftliche Publikationen zur Erforschung von Krebs werden laufend veröffentlicht. Kein Arzt kann sie alle lesen. Algorithmen können diese Texte scannen und Wissensdatenbanken erstellen, die Ärzten helfen, eine individuelle Therapie für den Patienten zu bestimmen. - Unterstützung bei Entscheidungen:
Im nächsten Schritt entwickelt das Projekt zusammen mit dem Knight Cancer Institute ein Vorgehen, wie mit Algorithmen personalisierte Wirkstoff-Kombinationen für Acute Myeloid Leukämie (AML) entwickelt werden können. Bei dieser Form des Krebses stagniert die medizinische Forschung bereits seit 3 Jahrzehnten und eine Verbesserung der Therapie birgt enorme Vorteile. - Verbesserung des Healthcare-Systems.
Langfristig hat sich das Projekt ein noch ambitioniertes Ziel gesetzt: Ausgaben für das Gesundheitswesen werden in den USA bis 2025 20 % des GDP betragen – bis zu einem Drittel dieser Ausgaben dienen nicht einer Verbesserung der Lebenssituation. Durch die personalisierte Medizin, nicht nur im Krebsbereich, sondern auch darüber hinaus, will das Projekt mehr zielführende Therapien ermöglichen.
Mensch und Machine Learning – ist das die Zukunft?
Auf dem Summit 2017 hat Dr. Bertalan Mesko, The Healthcare Futurist, einen bezeichnenden Satz gesagt: „Künstliche Intelligenz (und damit Machine Learning) wird den Menschen in der Gleichung nicht ersetzen. Aber die Player, die Machine Learning nutzen, werden diejenigen ersetzen, die es nicht tun.“ Und das trifft den Nagel auf den Kopf. Machine Learning steckt noch in den Kinderschuhen. Es wird 2018 sicher keine Machine-Learning-Revolution geben. Aber die Möglichkeiten dieser Technologie sind gewaltig – sie wird Healthcare mittelfristig tiefgreifend verändern.
Auf dem coliquio Summit im Juni 2018 geht es übrigens auch darum, was künstliche Intelligenz und Machine Learning für Pharmaunternehmen bedeuten. Lernen Sie von Experten und Best Practices, wie diese Innovationen Pharma verändern und worauf Sie sich 2018 gefasst machen können.
Sichern Sie sich hier gleich Ihr Ticket – ich freue mich, Sie im Juni auf dem coliquio Summit zu begrüßen und mich persönlich mit Ihnen zum Thema auszutauschen.