Wie sieht eine wünschenswerte Zukunft aus? Und welche Gefahr birgt das Silicon Valley für Deutschland? Peter Albiez, Mitglied der Geschäftsleitung bei Pfizer und Thomas Schulz, der als Spiegel-Reporter 10 Jahre aus dem Silicon Valley berichtet hat, diskutierten diese Fragen auf dem diesjährigen coliquio Summit. Die Highlights aus diesem Gespräch finden Sie hier:

Thomas Schulz

Thomas Schulz
Autor und Spiegel-Journalist

Peter Albiez

Peter Albiez
Country Manager und Vorsitzender der Geschäftsführung
Pfizer Deutschland GmbH

Wird Healthcare von morgen im Silicon Valley entwickelt?

In den vergangenen 10 Jahren hat Thomas Schulz im Silicon Valley gelebt und gearbeitet und sowohl mit den CEOs großer Techologiekonzerne wie auch mit unzähligen Start-ups gesprochen. Die Entwicklung ist recht eindeutig: Der große Fokus des Silicon Valleys ist seit 2 bis 3 Jahren ganz klar das Gesundheitswesen. Er beobachtet, wie Google, Apple und Co. maßgeblich in Healthcare-Projekte investieren und wie die im Valley ansässigen Investmentfonds ihre finanzielle Kraft in Start-ups aus dem Healthcare-Bereich verlagern. Das hat nicht nur zur Folge, dass mehr Start-ups in diesem Raum entstehen, sondern auch, dass viele Experten aus Deutschland diesem Geld folgen und ins Valley auswandern, z. B. von renommierten Kliniken und Forschungseinrichtungen wie der Charité in Berlin oder der Universität Heidelberg.

Welche Auswirkungen hat das auf Healthcare (in Deutschland)?

In seiner Zeit in Kalifornien ist Thomas Schulz zu der Überzeugung gelangt: Das Silicon Valley ist Deutschland um 4 bis 5 Jahre voraus, sowohl in der konkreten technologischen Entwicklung als auch im Verständnis von technologischem Fortschritt. In Deutschland ist beispielsweise die Erkenntnis noch nicht durchgedrungen, dass sich Entwicklung immer mehr beschleunigt. Somit verkürzt sich das „Sichtfeld in die Zukunft“. Das gilt nicht nur für Entscheider in Deutschland, sondern auch für die CEOs bedeutender Technologiekonzerne im Silicon Valley. Schulz berichtet, dass selbst diese angeben, über die nächsten 12 Monate hinaus nicht zu wissen, an welchem Punkt sie in der technologischen Entwicklung stehen werden und welche Geschäftsmodelle gewinnbringend sein werden.

Der entscheidende Unterschied, so Schulz, zwischen Deutschland und dem Silicon Valley ist das wesentlich größere Kapital: Im Valley sind Unternehmen kapitalstärker und risikofreudiger und können wesentlich mehr ausprobieren.  Dazu kommt noch die Philosophie des Silicon Valleys, sich nach dem Unerreichbaren auszustrecken. So hat Google wie kein anderes Unternehmen den Ausdruck „Shoot for the Moon“ geprägt: Das Streben nach einer scheinbar unerreichbaren Realität und „unrealistischen“ Zielen. Dieses Mindset lässt sich inzwischen in vielen Bereichen des Silicon Valleys betrachten.

Wie sieht eine wünschenswerte Zukunft in Deutschland aus?

Peter Albiez ist nicht nur Country Manager bei Pfizer Deutschland und Mitglied der Geschäftsführung, daneben arbeitet er unermüdlich daran, das Gesundheitssystem in Deutschland durch die digitale Transformation zu führen. So ist er Sprecher des Healthclusters von Berlin-Brandenburg und hat mit Pfizer 2014 das Pfizer Healthcare Hub Berlin gegründet. Pfizer Healthcare Hub möchte kein weiterer Inkubator sein, sondern deutlich flexibler agieren, indem es Healthcare Start-ups unterstützt und untereinander vernetzt.

Peter Albiez ist überzeugt:„Das System muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden“ […] „Begonnen werden muss bei dem, um den es geht – dem Patienten.“  Es braucht ein patientenzentriertes System. Der Patient muss die Hoheit über die eigenen Daten erhalten und jederzeit Zugang zu den Informationen haben, die seine Gesundheit betreffen. Nur so kann er informierte Entscheidungen treffen.

Sein Bild einer wünschenswerten Zukunft ist ein verbundenes Health-Ökosystem, in dem die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen nicht mehr separiert voneinander agieren, sondern gemeinsam. Das bedeutet den Abschied vom paternalistischen System.

Wie muss sich das System in Deutschland dafür ändern?

Für Peter Albiez ist das jetzige System für die medizinische Entwicklung der nächsten Jahre nicht gerüstet, es muss sich verändern. Statt Input, wie bisher, müssen Health-Outcomes bezahlt werden – eine große Herausforderung für alle beteiligten Stakeholder.

Thomas Schulz merkte in diesem Zusammenhang auch an, dass sich nicht nur die Player im Healthcare-System verändern werden, sondern auch, wer an welchen Behandlungen verdienen wird. Denn die Expertise, z. B. im Bereich der Bioinformatik-Systeme, liegt zunehmend bei denjenigen, die bereits große Datenmengen analysieren können und das sind nicht unbedingt die klassischen Player. Deswegen braucht es, so Albiez, nicht einen Player allein, sondern die Zusammenarbeit zwischen denen, die Daten verstehen und jenen, welche verstehen, wie Menschen und Systeme denken und wie das Gesundheitswesen organisiert werden muss. Nur so kann Innovation auch gewinnbringend angewendet werden.

Was hemmt das Gesundheitswesen in Deutschland?

Hier ist Peter Albiez sehr deutlich. Das Gesundheitswesen in Deutschland wird aufgehalten von einer Eigenschaft, die wohl auch zu seinen Stärken zählt: Es ist die deutsche Mentalität, Dinge zu reflektieren und im Detail zu hinterfragen. Dies hat in der Debatte um Digitalisierung und Daten zu einer defensiven, teilweise ängstlichen Haltung geführt, die Innovation und Fortschritt in der digitalen Transformation behindert. Gleichzeitig nimmt die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts, sowohl in den USA wie auch in China, immer mehr zu. Für Albiez ist klar: Wenn unser Selbstverständnis und unsere Werte internationale Standards im digitalen Zeitalter prägen sollen, müssen wir an Geschwindigkeit gewinnen. Er macht Mut, weniger zögerlich, sondern mit einem positiven Blick in die Zukunft zu agieren und das eigene Potential an Innovationswillen und Gestaltungskraft nicht zu unterschätzen.

Save the Date

Save the Date: 6. coliquio Summit am 18. Juni 2020

Lust auf noch mehr Inspiration? Nächstes Jahr geht es weiter! Wenn Sie den coliquio Summit 2020 nicht verpassen wollen, dann lassen Sie sich jetzt schon vormerken.

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