Wie Technologie-Riesen Healthcare angreifen
Das Gesundheitswesen ist weltweit nicht nur einer der größten Märkte, sondern in vielen Ländern auch ein sehr ineffizienter Markt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die großen Technologiekonzerne den Gesundheitsmarkt und damit die Gesundheit der Menschen zu ihrem „Next Big Thing“ machen. Und zwar nicht halbherzig, sondern mit viel Vision und noch mehr Kapital.
Doch welche Ansätze verfolgen Facebook, Apple, Google, Microsoft und Amazon? Was ist deren Motivation? Und wie gefährlich werden sie damit für Pharmaunternehmen? Das sehen wir uns hier genauer an:
Microsoft – der Betriebssysteme-Bauer
Microsoft Gründer Bill Gates will mit seiner privaten Stiftung Menschen gesünder machen – das ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass er sich auch mit Microsoft am Gesundheitswesen beteiligt: Healthcare Next heißt der Vorstoß.
Die DNA von Microsoft ist es, Betriebssysteme zu bauen. Im ersten Schritt arbeitet Microsoft deswegen daran, dass Healthcare-Player Ihre Daten sicher in der Cloud speichern können. Das Ziel ist es, ein System zu schaffen, das Gesundheitsdaten leichter zugänglich und zwischen Klinikern, Forschern und Patienten teilbar macht. So will Microsoft für Healthcare-Player Datenanalysen erleichtern. Im zweiten Schritt sind Healthcare-Bots für Gesundheitsorganisationen geplant. Diese sollen nicht nur medizinische Inhalte und Terminologien beherrschen, sondern auch als Symptom-Tracker dienen können.
Das ist aber bei weitem nicht der einzige Vorstoß von Microsoft in den Gesundheitsmarkt: Nicht weit von Seattle liegt das Forschungshauptquartier von Microsoft – und hier wird an allem Möglichen geforscht, zunehmend auch an medizinischen Themen. Einige davon sind sehr praxisnah: Was wäre beispielsweise, wenn ein Arzt während der Behandlung seine Beobachtungen und Diagnosen direkt einem digitalen Sprachassistenten diktieren könnte? Oder wie wäre es mit einem „Jahrhundert ohne Krebs“? Was wie Wahnsinn klingt, ist ein ernsthaftes Bestreben der Forscher von Microsoft. Sie wollen mit neuen Algorithmen und Maschinenintelligenz die Genomananalyse perfektionieren und individuelle Medikamentencocktails zusammenstellen, die Krebs heilen können.
Facebook – der Mitschwimmer
Ein weiterer CEO, der sich gerne philanthropisch engagiert, ist Facebooks Mark Zuckerberg. Zusammen mit seiner Frau investiert er Milliarden in Gesundheit und Bildung. So finanziert er beispielsweise die Erstellung eines Zellatlas mit dem Ziel, alle menschlichen Körperzellen zu kartografieren und so die Entwicklung neuer Medikamente zu beschleunigen.
Auch wenn seine Firma Facebook beim Vorstoß in Healthcare gerne in einem Atemzug mit den anderen Tech-Giganten genannt wird, so sucht man vergebens nach den großen „Moonshots“ – es sind eher vergleichsweise zaghafte Schritte in den Gesundheitsbereich.
Unter anderem versucht das Unternehmen, die Opioid-Epidemie in den USA einzudämmen, indem es User bei bestimmten Suchanfragen auf eine Hilfeseite weiterleitet. In einer anderen Initiative geht das Unternehmen gegen Anzeigen vor, die Dienstleistungen zur Behandlung von Suchterkrankungen vermarkten, die das Unternehmen als unseriös oder überteuert erachtet.
Kritik erntete Facebook, als es 2017 ein auf Künstliche Intelligenz gestütztes Suizid-Präventionsprogramm vorstellte, da es von vielen als Black-Box-Medizin bezeichnet wurde. Das Vorgehen ist einfach erklärt: Algorithmen scannen jeden Beitrag auf Selbstmordtendenzen und leiten Nutzer mit „hohem Risiko“ auf Hilfeseiten weiter.
Der einzige wirklich medizinische Vorstoß ist eine Zusammenarbeit zwischen Facebooks Abteilung für Künstliche Intelligenz und der Abteilung für Radiologie an der New York School of Medicine. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, mit Künstlicher Intelligenz bessere MRT Scans zu ermöglichen.
Google (Alphabet) – der Welteroberer
Googles Visionen sind vor allem eins: groß. Kein anderes Unternehmen hat die 10x-Philosophie so verinnerlicht. Alles muss nicht nur um 10 % besser, sondern gleich zehnmal so gut sein.
Mit dieser Einstellung dringt Google auch in den Healthcare-Bereich vor und hat sich die ganz großen medizinischen Herausforderungen der Menschheit vorgenommen.
Das zeigt niemand besser als das Alphabet-Unternehmen Calico (California Life Company). Gegründet auf persönlichen Wunsch der Google-Gründer Larry Page und Serge Brin und mit einer Milliarde Start-Kapital ausgestattet. Das Ziel: den Tod abschaffen. Oder zumindest unsere Lebensspanne wesentlich verlängern. Dieses Unternehmen befindet sich bisher in der Start-Phase. Noch tragen Forscher vor allem Studien zusammen. Bis konkrete Anwendungen aus diesem Unternehmen kommen, werden wahrscheinlich noch Jahrzehnte vergehen.
Ein wesentlich konkreteres, aber nicht weniger ambitioniertes Projekt ist die Google Tochter Verily. Verily will überall dort aktiv werden, wo Gesundheit auf Technologie und Data Science trifft – und dieses Feld wird immer größer. Dafür treibt Verily viele Projekte gleichzeitig voran: So werden zusammen mit Johnson & Johnson Roboter für die Chirurgie entwickelt. Zusammen mit Duke und Stanford ist Verily mitten in einer Grundlagenstudie mit tausenden Teilnehmern, die als Grundlage für die weitere medizinische Forschung dienen soll. Und mit Nikon arbeitet Verily an KI-gestützten Modellen zur besseren und schnelleren Diagnose für von Diabetes ausgelösten Augenkrankheiten.
Auch Googles Investitionsarm Google Ventures investiert kräftig in viele Unternehmen im Healthcare Bereich: mit dabei unter anderem Doctors on Demand, 23and Me und Oscar Health.
Amazon – die Online-Apotheke
Der „Alleslieferer“ Amazon investiert in großem Maß in Healthcare und arbeitet dabei vor allem mit der eigenen Stärke: Prozesse so angenehm wie möglich für den Endverbraucher zu machen.
Einer der natürlichsten Schritte für Amazon in den Healthcare Markt ist es, eine eigene Online-Apotheke zu gründen. Bereits jetzt verkauft das Unternehmen medizinische Geräte und Ausrüstungen an Krankenhäuser und plant, dieses Geschäft zusammen mit Unternehmen wie Cardinal Health weiter auszubauen.
Auch für seine zahlreichen Geschäftsbereiche sieht Amazon Anwendungen für den Gesundheitsbereich. So arbeitet Amazon ähnlich wie Microsoft daran, das eigene Cloud-Geschäft für Partner im Healthcare-Markt auszubauen. Und mit dem digitalen Sprachassistenten Alexa arbeitet Amazon gemeinsam mit Merk an Möglichkeiten für Diabetes-Patienten, die eigene Krankheit besser zu managen.
In einer Partnerschaft mit J.P. Morgan und Berkshire Hathaway will Amazon außerdem die Gesundheitsversorgung für die insgesamt 1,2 Millionen Mitarbeiter der drei Firmen optimieren.
Apple – der Datenschützer
Vor kurzem hat Apple die Domain „privacyisimportant“ gekauft. Warum ist das wichtig? Weil es zeigt, wie Apple sich in den nächsten Jahren positionieren wird – als Unternehmen, welches die sensiblen Daten seiner Kunden schützt. Und welche Daten sind sensibler als Gesundheitsdaten? Das zeigt, wie Apple in Healthcare vorstoßen wird:
2018 startete Apple eine Partnerschaft mit 39 Krankenhäusern, die es ermöglichten Patientenakten in die Health-App von Apple zu integrieren.
Die neue Apple Watch hat eine FDA-Zulassung für ihre EKG-Funktion erhalten. Apple möchte damit erste Schritte von einem Unternehmen mit Fitnessartikeln zum Gesundheitsunternehmen machen.
Außerdem arbeitet Apple mit verschiedenen medizinischen und akademischen Institutionen zusammen, um mit den eigenen Kompetenzen die medizinische Forschung zu unterstützen. Eine große Langzeitstudie mit der Stanford University wurde beispielsweise gerade im Januar beendet.
Die neuen Healthcare-Player werden die alten wahrscheinlich nicht verdrängen
Diese Strategien zeigen: Eine diffuse Angst, dass in zwei Jahren das neue Pharmazieunternehmen Google oder Facebook heißen wird, ist unbegründet. Aber sie zeigen auch: Google, Microsoft und Amazon werden in Zukunft wichtige Player in Healthcare werden und in den Bereichen der medizinischen Forschung und vor allem der Datenmedizin eine bedeutende Rolle einnehmen.
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