In unsrem Alltag ist das On-Demand-Prinzip längst etabliert. Dank Online-Shops und Video-on-Demand-Diensten können wir starre Öffnungszeiten und die klassischen TV-Sendezeiten umgehen und an unsere persönlichen Lebensumstände anpassen. Auch im medizinischen Bereich wird ‚Medizin on Demand‘ langsam Realität: In der ‚Telemedizin‘ treten Patienten und Mediziner via Videotelefonie miteinander in Kontakt.

Ein Zusammentreffen ist also nicht mehr zwingend erforderlich. Durch diese Art der Kommunikation wird sich die Beziehung zwischen Medizinern und Patienten in vielerlei Hinsicht verändern.

In diesem Artikel werden wir für Sie beleuchten, wie die Arzt-Patienten-Kommunikation unter diesen veränderten Bedingungen abläuft, welche Ansätze es bereits bei unseren Nachbarn gibt und welche Chancen Telehealth in Deutschland bietet.

Der ‚Arzt auf Abruf‘ – Wir funktioniert das?

Diesen Monat startet in Großbritannien eine Telehealth-Plattform mit dem Slogan: ‚Need to speak to a Dr Now?‘ Die Plattform Dr Now ist sicherlich keine Revolution, schließlich gibt es ähnliche Formate schon länger, beispielsweise in den USA mit ‚doctor on demand‘.

‚doctor on demand‘ stellt sich so seinen potentiellen Patienten vor:

Das Format von Dr Now funktioniert ganz ähnlich. Der Arzt begegnet seinen Patienten per Videotelefonie in ihren Wohnzimmern oder an ihren Arbeitsplätzen – wo auch immer grade ein Mediziner gebraucht wird. Auf diese Weise können zum Beispiel grippale Infekte, Erkältungen, Halsschmerzen, Hauterkrankungen oder Augenreizungen aus der Ferne behandelt werden. Ziel ist es, eine bessere medizinische Versorgung zu schaffen. So können die Patienten während der Arbeit einen Arzt konsultieren und sich die Anreise und lange Wartezeiten in der Praxis sparen. Ausgewählte Fachärzte und ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem garantieren zum einen die bestmögliche Versorgung der Patienten, zum anderen die Datensicherheit. Stellt sich im Laufe des Gesprächs heraus, dass Telemedizin bei einen Patienten an ihre Grenzen stößt, wird der Patient weiterüberwiesen. Kommt der behandelnde Arzt zu einer eindeutigen Diagnose, stellt er ein Rezept aus.

Besonders in England, wo der Großteil der medizinischen Erstversorgung über NHS (National Health Service) geleistet wird und die Wartezeit entsprechend lang sind, ist Dr Now ein vielversprechender Ansatz. Die Behandlung kostet zwar im Unterschied zu der Beratung der NHS 30$ für ein Beratungsgespräch und 5 $ für den Verschreibungsservice, verspricht dafür aber eine große Zeitersparnis für den Patienten.

Wie ist der Stand der Dinge in Deutschland?

Was in Großbritannien und den USA schon Realität ist, lässt sich in Deutschland bislang nur schleppend umsetzen. Dennoch gibt es bereits vielversprechende Telehealth-Ansätze, beispielsweise durch die Schlaganfallversorge Bayern oder die erste telemedizinische Niederlassung des Klinikums Heidelberg in Hamburg:

Die Hamburger Praxis ohne Arzt

Bei Nervenerkrankungen ist eine periphere Neuropathie die häufigste neurologische Störung. Durch die schwierige Ursachenfindung ist die Therapie und Behandlung äußerst komplex. Das Heidelberger Universitätsklinikum hat ein Verfahren der Magnetresonanztherapie (MRT) entwickelt, durch den bereits kleine Nervenschäden bildlich dargestellt werden können. So gelingt es, für jeden Patienten rechtzeitig und passgenau einen Therapieansatz zu ermöglichen. Um Patienten aus dem Norden Deutschlands die lange Anreise nach Heidelberg zu ersparen, hat in Hamburg die erste Praxis ohne Arzt eröffnet. Neben den entsprechenden Gerätschaften besteht das Praxisteam aus in Heidelberg ausgebildeten medizinisch-technischen Mitarbeitern, die die Patienten betreuen und die Tests durchführen. Die Untersuchungsergebnisse werden dann aber gemeinsam mit den Heidelberger Medizinern via Videotelefonie besprochen. Die Praxis ohne Arzt ist ein Beispiel dafür, wie die Ortsbindung der Behandlung aufgehoben werden und so die medizinische Versorgung der Patienten verbessert werden kann.

Schlaganfallvorsorge per Telehealth

Bei Schlaganfällen kommt es auf Sekunden an, um die bestmögliche Versorgung des Patienten zu gewährleisten. Vor allem in ländlichen Gegenden gibt es nur in wenigen Kliniken eine Stroke Unit, also eine auf Schlaganfälle ausgerichtete Station. Häufig dauert auch der Weitertransport des Patienten zu lange, um Langzeitschäden zu vermeiden. Deshalb gibt es in Bayern das Projekt TEMPiS (TeleMedical Project for integrative Stroke Care). 15 regionale Kliniken in Bayern sind mit Schlaganfallspezialisten in München und Regensburg vernetzt und behandeln via Videotelefonie die Patienten gemeinsam. Durch die schnelle Übermittlung der Daten an die Stroke Unit und den Austausch der Ärzte erfahren Schlaganfallpatienten ortsunabhängig die bestmögliche Behandlung, egal ob sie in einer der großen Klinken in München oder im niederbayrischen Erding erkranken.

Warum tut sich Telehealth in Deutschland so schwer?

Diese Beispiele und weitere Ansätze in Deutschland haben eine gemeinsame Schwäche: Sie stellen nur Insellösungen dar. Es fehlt eine einheitliche Strategie. Dieses Nebeneinander, aber auch Unklarheiten der Finanzierung in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen, bereiten Schwierigkeiten. Dabei stehen laut einer Umfrage der Techniker Krankenkassen 37% der Patienten einer ersten Beratung via Skype und dem Telehealth-Ansatz im Allgemeinen aufgeschlossen gegenüber.

Vor allem wegen Paragraf 7 der Berufsordnung für die in Deutschland praktizierenden Ärzte ist der Wandel hin zu Telemedizin hierzulande besonders schwer. Unter Absatz 4 heißt es dort: „Ärztinnen und Ärzte dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt.”

Welche Chancen bietet Telehealth in Deutschland?

Durch die steigende Lebenserwartung werden chronische Erkrankungen zu einem zunehmenden Problem. Schon jetzt ist zu beobachten, dass eine immer kleinere Gruppe an Ärzten einer immer größeren Gruppe an Patienten gegenübersteht, insbesondere auf dem Land. Telemedizin kann helfen, diese Herausforderung zu lösen. Chronische Krankheiten müssen nicht zwangsläufig in der Klinik oder in der Praxis behandelt werden. Diabetiker könnten beispielsweise ihre Blutwerte eigenständig messen und an ihren Arzt übermitteln. Dieser kann bei relevanten Veränderungen reagieren und die Schwankungen des Blutzuckerspielgels intensiver überwachen. Neben der besseren Versorgung werden so Zeit und Geld gespart und die Warte- und Anfahrtszeit der Patienten reduziert.

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