„Wie man mit Daten die richtigen Entscheidungen trifft.“
Die Erfolgsstory von mymuesli begann ganz einfach: drei Studenten haben sich ohne Business Plan ins Abenteuer gestürzt und eine Firma gegründet. Heute setzt mymuesli nicht nur auf 100 % Bio-Produkte, sondern unter anderem auch auf Big Data. Welche Müsli-Varianten kommen im Markt an? Welche Zutaten führen dazu, dass der Kunde immer wieder bestellt?
Gemeinsam mit dem Business-Intelligence-Spezialisten minubo wertet mymuesli Daten aus, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Auf dem coliquio Summit am 17. November in Berlin teilt mymuesli Mitbegründer Max Wittrock seine „Big Data Learnings aus der Vollkorn-Economy“ mit uns.
Dr. Ulrike Schupp hat vorab mit Max Wittrock über die Bedeutung einer datengetriebenen Marketingstrategie gesprochen.
Von der Idee zum Start-up
Dr. Ulrike Schupp: mymuesli ist ein sehr innovatives Unternehmen – Sie haben es gemeinsam mit Hubertus Bessau und Philipp Kraiss gegründet. Wie sind Sie darauf gekommen?
Max Wittrock: Wir kennen uns seit dem Studium und waren im Sommer 2005 unterwegs zu einem Badesee. Da haben wir den Radiospot einer Müslifirma gehört, der uns inspiriert hat, über das Thema nachzudenken. Wir haben festgestellt, dass es noch kein Müsli gab, das man sich selbst zusammenstellen kann. Das haben wir dann für uns genutzt – und am 30. April 2007 sind wir schließlich online gegangen.
Dr. Ulrike Schupp: Am Anfang gab es sicherlich einen Businessplan. Haben Sie vorher Marktdaten erhoben? Wie haben Sie das vorbereitet?
Max Wittrock: Unser Ausgangspunkt war das Produkt. Wir haben in erster Linie ein Produkt kreiert, das wir selbst gerne gehabt hätten. Einen Businessplan im engeren Sinne haben wir nicht geschrieben. Das lag daran, dass die Prognose – wie groß ist der Markt für so ein Müsli? – relativ schwierig war. Aber wir hatten eine gute Kostenkalkulation. In vielen Teilen haben wir einfach erst einmal gemacht anstatt wild zu planen – wir haben uns direkt ins Abenteuer geschmissen.
Dr. Ulrike Schupp: Wie waren dann die ersten Anfänge und Reaktionen auf Ihre Idee?
Max Wittrock: Wir haben gleich am ersten Tag die ersten Bestellungen bekommen. Die ersten Reaktionen waren sehr gemischt. Viele Leute sagten: „Das ist ja verrückt. Gibt’s das wirklich? Verschicken Sie wirklich Müsli, das man sich selbst zusammenstellen kann?“
Heute ist es relativ normal, dass man Dinge individualisiert über das Internet bestellen kann. Aber damals war E-Commerce noch nicht so stark wie heute. Jeder hat sich auf Social Communities wie damals noch StudiVZ gestürzt. Mass Customization, Food und E-Commerce in einem war einfach noch ein bisschen crazy. Das hat dazu geführt, dass viele Leute über mymuesli gesprochen haben und wir sehr präsent in den Medien waren. So hat sich unsere Idee relativ schnell verbreitet.
Vom reinen Online-Handel zum Mulitchannel-Marketing
Dr. Ulrike Schupp: Sie haben das reine Online-Business nach und nach durch Filialen ergänzt. Warum das?
Max Wittrock: Die erste Filiale war eher ein Experiment. Wir haben sie 2009 in Passau eröffnet. Ein anderes Ladenkonzept, das wir umsetzen wollten, war gerade geplatzt. Wir hatten aber schon Geräte gekauft, Kaffeemaschinen und so weiter. Wir haben dann beschlossen: Gut, dann machen wir eben einen Müsliladen auf – und so sind wir da hineingestolpert. Irgendwann haben wir gesehen, dass das ganz gut funktioniert. Erst 2012 haben wir dann die nächsten Filialen aufgemacht, das heißt wir haben drei Jahre lang ausprobiert und geprüft, ob das Konzept langfristig Erfolg hat. Erst später ist eine richtige Expansionsstrategie daraus geworden und seitdem betreiben wir es relativ konstant.
Dr. Ulrike Schupp: Wie verbinden sich diese beiden unterschiedlichen Kanäle? Gibt es Synergieeffekte zwischen Online-Handel und den Filialen, die Sie aufgebaut haben?
Max Wittrock: Grundsätzlich hat man im Multichannel-Marketing immer die Herausforderung, Effekte messbar zu machen. Wir wissen, dass sich unsere Online- und Offline-Kanäle gegenseitig unterstützen. Zum Beispiel gibt es zwischen mymuesli-Läden und unserem Angebot im Supermarkt keine Kannibalisierungseffekte innerhalb einer Stadt. Wir wissen aber auch, dass wir noch tiefer in die Daten einsteigen und die genauen Effekte noch besser verstehen müssen. Das ist der Grund, warum wir mit den Kollegen von minubo sprechen. Wir sind sehr interessiert daran, aus unseren Daten zu lernen.
Big Data beeinflusst den Warenkorb
Dr. Ulrike Schupp: Sie selbst bieten auch fertige Müslimischungen an. Die Daten, die Sie zusammentragen, haben auf Ihre eigenen Kreationen bestimmt auch einen großen Einfluss.
Max Wittrock: Ganz genau. Es ist ja zum Beispiel so: Wenn ich Kunden direkt am Supermarktregal frage „essen sie viel Schokomüsli?“, dann werden die meisten vermutlich sagen: „auf keinen Fall, nichts mit Zucker“. Wenn ich aber dann in die Bestelldaten schaue, dann finde ich bestimmt die ein oder andere Schoko-Kreation, was ja auch völlig ok ist. Aber Daten sind eben oft aussagekräftiger als die klassische Marktforschung. Ich kann mit Daten – vor allem mit Wiederbestelldaten – voraussagen, welche Zutaten dauerhaft gut ankommen. Diese Daten sind äußerst wertvoll, um Müslivarianten zu kreieren, die den Kunden wirklich gut schmecken.
Dr. Ulrike Schupp: Und wenn man einmal die Strategie als Ganzes betrachtet – wie würden Sie den idealen Marketing-Mix beschreiben?
Max Wittrock: Marketing macht man ja, um mehr zu verkaufen. Und je besser man seine Daten und sein Unternehmen versteht, desto effektiver ist das Marketing. Start-ups sind sehr gut darin, da sie nicht einfach sagen: dieses fixe Budget geben wir jedes Jahr für Marketing aus. Start-ups sind sehr kampagnengetrieben. Wir machen kleine Tests, werten die Daten aus und erfahren auf diese Weise, was funktioniert und was nicht. Erst wenn ein Test erfolgreich war, steckt man mehr Geld rein.
Dr. Ulrike Schupp: Was sind aus Ihrer Sicht die aktuellen Herausforderungen für den Online Handel?
Max Wittrock: Ich glaube das sind letztlich die gleichen Herausforderungen wie im stationären Handel. In jeder Branche ist es so, dass die Innovationszyklen relativ kurz werden und man bereit sein muss, ständig Neues auszuprobieren. Gleichzeitig ist es im E-Commerce nicht mehr so, dass ich eine Website online stelle und die Leute von selbst kommen. Man braucht ein starkes Angebot und ein starkes Marketing, um wirklich aufzufallen. Aber dennoch entdeckt jeden Tag wieder jemand eine Nische, in der er sich gut und profitabel entwickeln kann und das finde ich eigentlich ziemlich cool.
Ohne Daten keine Erkenntnisse
Dr. Ulrike Schupp: Sie arbeiten mit einer Business Intelligence Lösung von minubo. Dieser Aspekt ist für uns besonders interessant, da auch coliquio stark datengetrieben arbeitet. Welche Rolle spielt das Tool für mymuesli und was kann es genau leisten?
Max Wittrock: Als wir mit minubo angefangen haben, wollten wir einfach unseren E-Commerce besser verstehen. Da gibt es natürlich allerhand Tools, die umsonst sind. Aber wenn Sie größer werden und mehr Umsatz machen, dann möchten Sie noch tiefer einsteigen und einen Ansprechpartner haben, der Ihnen hilft, die Daten richtig zu interpretieren. Es ist wichtig zu verstehen, was man letztlich mit den Daten macht. Da haben wir minubo entdeckt und waren sofort überzeugt.
Was wir jetzt zusammen starten, möchte ich vor meinem Vortrag auf dem coliquio Summit noch gar nicht verraten. Es wird darum gehen, eine Omnichannel-Betrachtung umzusetzen, damit wir die Effekte zwischen den Kanälen noch besser verstehen.
Dr. Ulrike Schupp: Wir sind gespannt. Was glauben Sie, warum genau ist eine Omnichannel-Perspektive so wichtig?
Max Wittrock: Ich glaube, gerade wenn man in verschiedenen Kanälen unterwegs ist, muss man deren Zusammenspiel sehr gut verstehen. Das beginnt mit einem guten Controlling. Und dann stellen sich weitere Fragen:
Welche Produkte verkaufe ich wo? Warum verkaufe ich sie dort? Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen Kanal A und Kanal B? Alle diese Daten werden teilweise noch sehr stiefmütterlich behandelt. Business Intelligence Lösungen bringen Transparenz und helfen Unternehmen dabei, besser agieren zu können. Warum macht man das Ganze? Damit man die richtigen Entscheidungen trifft.
Dr. Ulrike Schupp: Warum ist eine systematische Big-Data-Auswertung so wichtig für den Unternehmenserfolg?
Max Wittrock: Ich ziehe gerne Analogien zum Controlling und zur Finanzbuchhaltung. Jeder Kaufmann wird Ihnen sagen, dass es wichtig ist, seine Margen und seine Kennzahlen genau zu kennen. Aber ebenso wichtig ist es, zu wissen: Woher kommen meine Kunden, was möchten sie denn wirklich? Wie kann ich ein besseres Shopping-Erlebnis bieten und gleichzeitig mein Marketing-Budget effektiver einsetzen – darum geht es. Es gibt wenig Menschen, die es bereuen, mehr Transparenz in ihre Daten hineinzubringen.
Dr. Ulrike Schupp: Was wird bei mymuesli genau gemessen und welche Entscheidungen können Ihre Mitarbeiter im Arbeitsalltag daraus ableiten?
Max Wittrock: Eine der Abteilungen, die sehr stark von Daten abhängt, ist das Performance-Marketing, egal ob es um Neukunden-Marketing geht oder darum, die Warenkörbe zu erhöhen. Gleichzeitig auch das Shop Management im Onlinekanal. Die Lieblingskennzahl eines Onlineshop Managers ist die Conversion Rate. Der Aufbau eines loyalen Kundenstamms ist etwas, das mit datengetriebenem Ansatz wesentlich besser gelingt. Denn ich kann Erfolg im Sinne eines 360-Grad-Blicks messen.
Wenn alle Channels individuell betrachtet werden, führt das zu Problemen. Ein Beispiel: Ein Online-Kunde bricht weg, weil wir einen mymuesli-Laden aufgemacht haben, wo er ab sofort einkauft. Dann haben wir aus Sicht des Offline-Kanals einen neuen Kunden generiert – aus Sicht des Online-Kanals einen Kunden verloren. In Wirklichkeit hat der nur den Kanal gewechselt und gibt eventuell mehr Geld aus als vorher. Dass man so etwas erkennt, ist Ziel der Daten.
Dr. Ulrike Schupp: Vielen Dank für das Interview. Ich freue mich schon auf Ihren Vortrag auf dem Summit.