Es ist Zeit, zu handeln
Die digitale Transformation verändert Branchen innerhalb kürzester Zeit und stellt bewährte Geschäftsmodelle auf die Probe. Regelmäßig ist zu hören, die deutsche Wirtschaft sei noch zu schwerfällig, passe sich nicht schnell genug an.
Doch wie sieht es tatsächlich aus, wie gut sind deutsche Unternehmen bereits aufgestellt und was sind die größten Hürden? Wir haben für Sie anhand aktueller Studien zusammengefasst, inwieweit schon Veränderungsprozesse stattfinden, wie wir im internationalen Vergleich dastehen und welche Perspektive Top-Entscheider auf den Wandel haben.
5 aktuelle Erkenntnisse zum Status quo der digitalen Transformation
1. Großunternehmen haben Startschwierigkeiten beseitigt
Die bisherigen Gewinner der digitalen Transformation, z. B. Plattformen wie Airbnb oder Spotify, haben Traditionsunternehmen gegenüber einen entscheidenden Vorteil. Sie mussten ihr Geschäftsmodell nicht mühsam anpassen, sondern entwickelten es einfach passgenau zur neuen Logik digitalisierter Märkte. Etablierte Unternehmen hatten es hier schwerer – jahrzehntelang gewachsene Strukturen passten plötzlich nicht mehr zu den Anforderungen des Marktes. Inzwischen befinden sich die Big Player der deutschen Wirtschaft jedoch mitten im Wandel.
Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums wurden kürzlich 1.021 deutsche Unternehmen zum Stand der Digitalisierung in Deutschland befragt. Der Wirtschaftsindex DIGITAL 2017 misst, inwiefern Geschäftsabläufe oder unternehmensinterne Prozesse bereits digitalisiert sind und digitale Technologien genutzt werden. Das Ergebnis stimmt uns zwar nicht euphorisch, zeigt aber, dass sich viel bewegt.
62 Prozent der Großunternehmen sind bereits „durchschnittlich“ digitalisiert und 17 Prozent „hoch“ digitalisiert. Nur ein knappes Fünftel der deutschen Großunternehmen stehen noch relativ am Anfang.
Dabei zeigen sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Insbesondere der Handel und die Informations- und Kommunikationstechnologie haben ihre Prozesse schon stark angepasst. Das überrascht nicht – hier herrscht seit Jahren ein permanent hoher Veränderungsdruck. Kaufentscheidungen werden heute online getroffen, Kommunikation findet mithilfe immer neuer IT-Lösungen statt. Große Unternehmen, die diesen Wandel nicht mitgetragen haben, dürften heute kaum noch existieren.
Andere Branchen sind noch schwerfällig – insbesondere das Gesundheitswesen ist noch stark in alten Strukturen verhaftet und landet im Branchenranking auf dem letzten Platz. Die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung braucht dringend einen Push. Die Bemühungen vonseiten der Politik tragen offenbar noch wenig Früchte und auch die Pharmabranche scheint weit davon entfernt, eine Schlüsselrolle einzunehmen. Sie hat noch mit der Transformation der eigenen Prozesse und Geschäftsmodelle zu tun – im Wirtschaftsindex DIGITAL liegt Pharma derzeit nur im Mittelfeld.
2. Die digitale Transformation ist Top-Unternehmensziel
Wenn wir wissen wollen, ob es wirklich vorangeht, reicht es nicht aus, auf den Status quo der Digitalisierung in den Unternehmen zu schauen. Ebenso wichtig ist ein kritischer Blick auf die Perspektiven des Top-Managements. Wie schätzen Entscheider hierzulande die Bedeutung der digitalen Transformation ein?
Die erste gute Nachricht ist: das Problembewusstsein steigt. Die Anpassung an die Erfordernisse der digitalisierten Welt gehört heute zu den zentralen Unternehmenszielen. Eine repräsentative Befragung von etventure unter 294 Entscheidungsträgern in deutschen und US-amerikanischen Großunternehmen zeigt einen klaren Trend. 43 % der befragten deutschen Unternehmen sagen, das Thema „digitale Transformation“ habe für sie in den letzten 12 Monaten an Bedeutung gewonnen. Für fast alle – 94 % der Befragten – gehört die digitale Transformation zu den 10 wichtigsten Themen im Unternehmen. Hier zeigt sich eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr.
Absolute Priorität hat der digitale Wandel aber noch nicht. Zwar betrachtet jedes zweite deutsche Großunternehmen die digitale Transformation als eines der drei wichtigsten Unternehmensziele – die USA sind hier jedoch weitaus fokussierter: zwei Drittel der Befragten sehen sie unter den Top 3.
In der Pharmabranche wurde die digitale Transformation ihrer Prozesse und Geschäftsmodelle lange Zeit zurückgestellt. Inzwischen fand jedoch ein Umdenken statt. Der Wirtschaftsindex DIGITAL fragte gezielt danach, wie wichtig die Digitalisierung des eigenen Unternehmens aus Sicht der Befragten ist. Über alle Branchen hinweg zeigt sich eine deutliche Veränderungsbereitschaft. 58 % der Chemie- und Pharmaunternehmen sehen die Notwendigkeit, zu handeln.
3. Die Dringlichkeit wird noch unterschätzt
Es herrscht also weitgehend Einigkeit darüber, dass die digitale Transformation kommt. Offenbar fehlt jedoch in vielen Chefetagen noch die Einsicht, dass die eigene Wettbewerbsfähigkeit unmittelbar von der Wandlungsfähigkeit abhängt.
Die etventure-Studie fragte gezielt nach, wann die Unternehmen damit rechnen, dass sich die digitale Transformation konkret auf den eigenen wirtschaftlichen Erfolg – sprich: auf Umsatz und Marktanteile – auswirkt. Hier klaffen die Einschätzungen der deutschen und US-amerikanischen Entscheider weit auseinander.
Die befragten deutschen Unternehmen glauben, die digitale Transformation habe frühestens in 3-5 Jahren einen Effekt auf den Unternehmenserfolg. Es herrscht also noch eine relative Gelassenheit hinsichtlich der eigenen Wettbewerbsfähigkeit – und das trotz des bislang hohen Tempos des digitalen Wandels.
In den USA erwartet jeder zweite Befragte, dass die wirtschaftlichen Folgen schon innerhalb der nächsten 12 Monate sichtbar werden; hierzulande sind es gerade mal 6 %, die in diesem Zeithorizont denken.
4. Entscheidern fehlt es an Vertrauen und Entschlossenheit
Zu diesem Bild passt auch, dass Top-Manager hierzulande noch wenig Selbstvertrauen in die Wandlungsfähigkeit ihres Unternehmens haben. Die Einschätzung der Befragten ist ernüchternd: Zwei Drittel der deutschen Entscheider geben an, ihr Unternehmen sei noch nicht gut auf den Wandel vorbereitet – genau wie im Vorjahr. Hier macht sich der Rückstand gegenüber den USA besonders bemerkbar: in den Vereinigten Staaten fühlen sich 85 % der Konzerne „sehr gut“ oder „gut“ vorbereitet. Wie kommt es zu diesem gravierenden Unterschied?
63 % der deutschen Entscheider nennen ihre mangelnde Erfahrung bei nutzerzentriertem Vorgehen als größtes Hemmnis. Es scheint vielen noch fremd zu sein, Geschäftsmodelle konsequent vom Kundenbedürfnis her zu entwickeln. Ebenfalls eine große Rolle spielen starre Strukturen, die intern verteidigt werden und Veränderungsprozesse blockieren. Denn wenn bewährte Erfolgsrezepte über Bord geworfen werden, werden Verantwortlichkeiten und Führungsrollen neu verteilt. Das kann zu Machtkämpfen führen.
Als drittwichtigste Hürde für den digitalen Wandel wird Zeitmangel genannt, hierin spiegelt sich aber letztlich nur die mangelnde Priorisierung des Themas.
Zum fehlenden Willen, die Transformation entschlossen voranzutreiben gesellt sich laut der etventure-Studie mangelnde Kompetenz. Nur 42 % der deutschen Entscheider sind der Ansicht, ihre Belegschaft wäre qualifiziert, den Wandel zu gestalten – in den USA sind das 90 %. Digitalisierungs-Kompetenz wird in US-Unternehmen auch stärker aufgebaut: 57 % der Großunternehmen haben bereits eine eigene Digital-Einheit gegründet, in Deutschland ist es nur jedes dritte Unternehmen. Auch interessant: in Deutschland wird die Digitalisierung durch die Geschäftsführung gesteuert – in US-Unternehmen ist die IT der Treiber der digitalen Transformation.
Das Gesamtbild ist verheerend: interne Rivalitäten, zu starre Strukturen und unqualifizierte Mitarbeiter verhindern den Wandel – kann es wirklich sein, dass deutsche Unternehmen durch die digitale Transformation derart ins Straucheln geraten, während die USA den Wandel scheinbar „mit links“ bewältigen?
Sicher nicht in dem Maße, wie es in der Studie scheint. Die unterschiedlichen Perspektiven der Manager sind vermutlich ein Stück weit kulturell bedingt. Die USA profitieren von ihrer Hands-on-Mentalität. Im Mutterland der digitalen Transformation ist es schlichtweg üblicher, auf die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, Ideen schnell umzusetzen, „unfertige“ Lösungen am Markt zu testen und notfalls aus Fehlern zu lernen.
Deutsche Unternehmen tendieren dazu, neue Marktbedingungen ausführlich zu analysieren und komplexe Konzepte zu entwickeln, bevor neue Ideen umgesetzt werden – vereinfacht gesagt. Dieser kulturelle Unterschied wird auch in den Antworten der Studie deutlich, die in den USA von deutlich mehr Optimismus und Selbstvertrauen geprägt sind.
Problembewusst ja, umsetzungsbereit nein
In beiden Studien – etventure und Wirtschaftsindex DIGITAL 2017 – wird deutlich: deutsche Großunternehmen wollen sich für den Wandel wappnen. In den Führungsetagen weiß man um die Bedeutung der digitalen Transformation und erhebt sie zum Top-Unternehmensziel. Die hohe Dynamik des Wandels wird aber verkannt.
Die Mehrheit rechnet nicht damit, dass die digitale Transformation in nächster Zeit einen Effekt auf das eigene Geschäft hat. Dadurch nehmen sich die Entscheider Veränderungsdruck und verstecken sich hinter scheinbaren Hürden. Fehlendes Vertrauen in die Kompetenzen der Belegschaft und interne Hemmnisse wie die Verteidigung bestehender Strukturen bremsen die Transformation aus.
Ein konsequentes Neuausrichten der eigenen Unternehmensstrategie findet noch nicht statt. Dabei wird es jetzt höchste Zeit, die digitale Transformation vom strategischen Ziel in die operative Umsetzung zu bringen.
Umdenken ist zwingend notwendig
In der Pharmabranche hat ein Umdenken eingesetzt – die Mehrheit der Unternehmen betrachtet die digitale Transformation ihres Unternehmens als zwingend notwendig. Verglichen mit anderen Wirtschaftszweigen ist die Pharmabranche jedoch noch zögerlich. Immerhin 42 % der Unternehmen sehen keine Notwendigkeit zu handeln.
Diese Einschätzung ist nicht nur kurzsichtig, was die eigene Wirtschaftlichkeit anbelangt. Sie zeigt auch, dass Pharmaunternehmen sich bisher noch zu wenig in der Pflicht sehen, eine leistungs- und zukunftsfähige Gesundheitsversorgung mitzugestalten. Dabei könnten sie eine Schlüsselrolle in der digitalen Transformation des Gesundheitswesens einnehmen.
Noch fehlt die Erfahrung
Womit in Deutschland noch alle Branchen zu kämpfen haben, ist die neue Logik der digitalisierten Märkte. Die Unternehmen haben schlichtweg noch keine Erfahrung damit, ihr Geschäftsmodell konsequent auf die Bedürfnisse ihrer Kunden auszurichten. Hier sehen Entscheider die größte Hürde. Die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter, Kooperationen mit Digitalisierungs-Experten und Start-ups sind in Deutschland ein beliebter Weg, handlungsfähiger zu werden. Letztlich muss aber im Unternehmen ein kultureller Wandel stattfinden. Es fehlen Freiräume, in denen experimentiert, gescheitert und gelernt werden darf.
Veränderung zahlt sich aus
Entscheidungswege und Innovationszyklen müssen verkürzt werden, sodass überhaupt Erfahrungen gesammelt werden können. Denn nur wer sich wandelt, lernt, dass Veränderungen sich lohnen – und durch Erfolge gelingt es auch, die Belegschaft für den Wandel zu motivieren.
Unternehmen berichten im Wirtschaftsindex DIGITAL davon, welche Ziele sie durch die Digitalisierung ihrer Prozesse und Strategie schon erreicht haben: neues Wissen, Kostensenkungen und neue Marktanteile stehen hier an erster Stelle – und bilden eine hervorragende Basis für weitere Investitionen in die eigene Zukunftsfähigkeit. Ein gutes Fünftel konnte sogar schon neue Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle entwickeln. Das dürfte selbst den kritischsten Stimmen im Unternehmen Mut machen, jetzt zu handeln.
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