Entstanden ist Viomedo aus einem persönlichen Bedürfnis heraus. Die Gründer Alexander Puschilov und Stefan Nietert waren auf der Suche nach Patienten für eine klinische Studie. Bald mussten sie erkennen: die Bereitschaft der Patienten ist zwar hoch, es ist nur unglaublich schwierig sie zu finden.

Die Idee zu Viomedo war geboren: Auf der gleichnamigen Online-Plattform finden Patienten, die auf der Suche nach neuen Behandlungsmethoden sind, heute klinische Studien, an denen sie sich beteiligen können. Die Vision der Gründer: Patienten und Forscher zusammenzubringen, damit lebenswichtige Therapien verbessert und Heilungen gefunden werden.

Momentan sind über 2.000 aktive Studien aus Deutschland auf Viomedo online und über 100.000 Patienten nutzen die Studiensuchmaschine jeden Monat.

1. Wie war die Situation, bevor es Viomedo gab? Waren Studien nur über Ärzte und Krankenhäuser zugänglich?

Alexander Puschilov: Die Zusammenarbeit zwischen Forschern und Patienten war sehr schwierig, bevor es Viomedo gab. Es gibt zwar schon öffentliche Register für Studien in Deutschland, aber die meisten sind veraltet. Außerdem richten sie sich an Forscher, nicht an Patienten: Die Informationen sind nicht richtig aufbereitet und helfen auch nicht, den Kontakt zum nächsten Arzt in der Nähe aufzubauen. 2.000 Studien werden jedes Jahr in Deutschland durchgeführt, die richtige für Sie als Patient zu finden, war bisher sehr schwierig oder dem Zufall überlassen.

2. Wie war die Zeit bis zum Launch und womit habt ihr angefangen?

Alexander Puschilov: Wir sind sehr systematisch vorgegangen und haben mit knapp 100 Patienten gesprochen, um zu verstehen: Gibt es überhaupt diesen Bedarf? Wichtig war auch zu verstehen: Wie ist der Bedarf von Ärzten und wie stehen Pharmafirmen dazu? Daher haben wir mit 30 Pharmafirmen und 20 Studienärzten gesprochen und die Ergebnisse waren sehr positiv. Wir haben wirklich sehr tief gegraben und viele Probleminterviews geführt, da wir das Problem deutlich besser verstehen und eingrenzen wollten. Als klar war, es gibt diesen Bedarf und die Möglichkeiten sind riesig, sind wir an die technische Umsetzung gegangen.

Dabei sind wir sehr iterativ vorgegangen, in kleinen Schritten, und haben viele Dinge ausprobiert. Und klar – viele Dinge funktionieren nicht. Aber solange man lernt, schnell reagieren kann und dadurch auf die richtigen Pferde setzt, entwickelt sich das Ganze sehr schnell vorwärts. Und das sehen wir heute: allein die Nutzerzahlen seit Mai haben sich verzehnfacht, was super ist.

3. Welche Schwierigkeiten musstet ihr am Anfang überwinden?

Alexander Puschilov: Der Gesundheitsmarkt ist sehr konservativ und gerade als junges Start-up ohne langjährige Erfahrung ist es schwierig, da reinzukommen. Extrem wichtig für uns war es daher, Vertrauen aufzubauen und zu vermitteln, dass Pharmafirmen und große Unikliniken mit uns zusammenarbeiten können, ohne ein großes Risiko einzugehen.

Dieses Vertrauen haben wir Stück für Stück aufgebaut: Wir haben mit kleineren Projekten angefangen und sind dann immer größer geworden. Außerdem waren wir zum Beispiel als einziges Start-up aus Deutschland im Bayer Accelerator und haben einiges an Preisen gewonnen: so z. B. Odine, den Health-i Award und den zweiten Platz im Gründerwettbewerb, um nur einige zu nennen. Wir konnten auch sehr starke Leute für unseren Beirat gewinnen.

Gleichzeitig basiert Viomedo an sich schon auf Vertrauen, deswegen ist Datenschutz für uns extrem wichtig. Wir speichern Daten nur in Deutschland, haben einen externen Datenschutzbeauftragten und übertragen alle Daten verschlüsselt. Mein Mitgründer Stefan ist auch ein leidenschaftlicher Verfechter des Themas und treibt das auch persönlich voran. Denn am Ende des Tages ist es für uns als Unternehmen das A und O, dass diese sehr schützenswerten Daten sicher sind.

Ich glaube, all das zusammen genommen hat dazu beigetragen, dass wir mit der Zeit ernst genommen wurden.

4. Wie unterscheiden sich eure Arbeitsprozesse und Methoden von großen Unternehmen?

Alexander Puschilov: Ich denke, es gibt zwei wesentliche große Unterschiede. Erstens fangen wir immer mit dem Patienten an. Wir fragen also nicht: Was ist im Interesse von Viomedo oder was ist im Interesse unserer Partner? Je nach Service oder Produkt steht im Vordergrund, was im Interesse des Patienten oder Studienarztes ist. Wir verfolgen also einen „human-centered-approach“, wir untersuchen die Probleme von Patienten und versuchen diese zu lösen.

Und das Zweite, was uns deutlich unterscheidet, ist das iterative und agile Vorgehen. Dieser Unterschied ist sehr groß, vor allem im Vergleich zur Pharmaindustrie, in der die Entwicklungszeiten oft 10 Jahre betragen und Projekte Milliarden kosten. Wir gehen Schritt für Schritt vor und können auf diese Weise so schnell wie möglich sehen, ob ein Projekt erfolgversprechend ist oder nicht. Darauf bauen wir dann den nächsten Schritt auf.

5. Inzwischen findet auch in Deutschland ein Umdenken in der Fehlerkultur statt, wie geht Ihr mit Fehlern um?

Alexander Puschilov: Wir stellen Hypothesen auf und testen sie. Funktioniert eine Hypothese nicht, dann ist das kein Fehler. Ausgenommen, die Hypothese war vorher eindeutig falsch formuliert oder die Antwort l bereits auf der Hand. Kontinuierliches Testen ist für uns sehr wichtig. Stellt sich eine Hypothese als falsch heraus, dann ist das ein Learning und im Zweifel etwas Gutes, weil wir schnell gesehen haben, dass es zu dem Zeitpunkt nicht funktioniert und wir unsere Energie in andere Bereiche investieren können und diese verbessern. Ich denke, das ist eine sehr positive Sache.

6. Wie wird sich Viomedo in den nächsten 5 Jahren verändern? Wo geht die Branche hin?

Alexander Puschilov: Die Vision ist wie gesagt: wir wollen, dass bessere Therapien schneller bei den Patienten ankommen. Und das heißt, dass wir a) europaweit oder weltweit helfen wollen, Patienten mit den Forschern zu verbinden, und wir b) eben auch eine Plattform entwickeln, die Forscher, Ärzte, Studienärzte, Patientenorganisationen, Patienten und Pharmafirmen vernetzt, sodass man bessere, effektivere und patientenfreundlichere Studien machen kann. Das unterstützt wiederum unsere Vision.

Deutschland ist ein sehr attraktiver Studienstandort. Wir haben sehr potente und gut ausgestattete Studienzentren, sehr gut ausgebildete Ärzte, natürlich ein bevölkerungsreiches Land mit vielen Ballungszentren. Insofern bietet Deutschland eigentlich eine sehr gute Infrastruktur für die klinische Forschung. Sicherlich kann man viele Dinge besser machen, z. B. durch die Einführung von elektronischen Patientenakten, aber ich meine, Deutschland ist europaweit definitiv führend und weltweit das zweitgrößte Studienland. Wir haben das auch analysiert und bei uns in eine Infografik gepackt. Dort findet man mehr Informationen zum Thema „Studien in Deutschland“.

Alexander Puschilov, vielen Dank für das Gespräch!

Coliquio Summit 2017

Alexander Puschilov war Speaker auf dem Summit 2016. Tragen Sie sich den 19. Oktober 2017 gleich in den Kalender ein, dann findet der 3. coliquio Summit wieder in Berlin statt. Alle weiteren Informationen finden Sie auf www.coliquio-summit.de

Bildquelle: Chris Knight / Unsplash

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