Digitalkompetenzen steigern und neue digitale Geschäftsmodelle entwickeln. Das ist die Aufgabe von Joss Hertle als Head of Digital Business Transformation bei Sanofi. Wir haben ihn gefragt, wie er diese Ziele erreichen will.

Digitalisierung bei Sanofi: So wird ein Unternehmen digital fit

Lysander Fuchs: Sie sind Head of Digital Business Transformation bei Sanofi. Was kann man sich darunter vorstellen?

Joss Hertle: Mein Spielfeld ist die gesamte digitale Strategie des Unternehmens und die Transformation der Organisation, des Marketings, der Produktentwicklung. Es geht darum, explizite Digitalkompetenz über die Funktionen und Abteilungen aufzubauen, neue, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und damit die Grundlagen für die Digitalisierung der Wertschöpfungskette zu schaffen. Und wenn alles gut läuft, mache ich mich am Ende überflüssig.

Lysander Fuchs: Allein in Deutschland arbeiten fast 10.000 Mitarbeiter an vier Standorten für Sanofi. Wie kommunizieren und implementieren Sie neue digitale Prozesse.

Joss Hertle: Ein wichtiger erster Schritt ist die Aufklärung. Dazu haben wir beispielsweise diverse Trainings-Initiativen gestartet: Lernprogramme, Digitale Arbeitsgruppen und der „Sanofi Digital Campus“ werden von unserer Kommunikations-Unit mit großer Leidenschaft gelebt. Meine Kollegen aus dem Innovationsmanagement sind mit den Produktteams eng vernetzt und an den großen Standorten beschäftigt man sich mit der Frage, wie der digitale Arbeitsplatz aussieht. Wie können wir Methoden wie beispielsweise agiles Arbeiten nutzen, um besser zusammenarbeiten oder gemeinsam Prototypen zu entwickeln? Oder auch, wie können wir ganz neue Business-Modelle „beyond the pill“ kreieren?

Joss Hertle

Über Joss Hertle: 

Joss Hertle ist Head of Digital Business Transformation bei Sanofi Consumer Care. Davor war er unter anderem Geschäftsführer der Nürnberger Digitalagentur xeomed und Healthcare Industrie Leader bei Google.

Zu seinen Kernkompetenzen gehört der Aufbau und die Umsetzung von Digitalstrategien für Gesundheitsmarken. Seine Leidenschaft sind die Themen „Digitale Transformation“ und „Agile Leadership“.

KI, Quantified-Self und Personalisierung: Chancen für die Medizin?

Lysander Fuchs: Welche Technologien und digitalen Trends sind nach Ihrer Einschätzung und Erfahrung Hype und welche die Zukunft?

Joss Hertle: Das ist natürlich sehr schwer zu beantworten. Wüsste ich es genau, würde ich mich wahrscheinlich eher auf das Wetten an der Börse fokussieren.

Ich glaube daran, dass smarte Algorithmen in der Lage sind, auf Basis von Millionen von Datenpunkten bessere Diagnosen mit viel geringerer Fehlerwahrscheinlichkeit zu stellen und eine bessere Therapie für den Patienten zu finden, als ein einzelner Arzt das zu tun vermag. Gleichzeitig glaube ich nicht an die Szenarien, dass Mediziner vom Aussterben bedroht sind. Aber auch Ärzte müssen digitaler werden und sich auf neue Technologien einlassen: Mensch + Technologie ist der Schlüssel.

Ein ebenfalls unaufhaltsamer Trend ist die Personalisierung der Medizin. Mit Nahrungsergänzungsmitteln und Supplements ist schon lange der Anfang gemacht und wird sich in Zukunft auf viele Indikationen ausdehnen. Auf Digital-Kongressen habe ich schon Lösungen auf Basis hochkomplexer Augmented-Reality-Softwaresysteme mit unterschiedlichsten Anwendungsbereichen gesehen: von Parkinson-Bewegungstherapien bis hin zu digitalen Assistenten bei Angststörungen.

Google und Sanofi: Hier geht die Reise hin

Lysander Fuchs: Sie waren vorher bei Google als Healthcare Industry Leader tätig. In Ihrer Einschätzung, welche Rolle werden Google und Amazon im Healthcare-Bereich in 5 Jahren spielen?

Joss Hertle: Beide Player haben ein großes Interesse an der Gesundheits-Ökonomie und werden hier zukünftig eine große Rolle spielen. Amazon hat in den USA durch das Joint Venture mit Perrigo (einer der größten Hersteller von OTC-Arzneimitteln) schon vorgemacht, wie ein plattform-getriebenes Gesundheits-Ökomodell aussieht. Mit dem Kauf von PillPack revolutioniert Amazon das Versandgeschäft für verschreibungspflichtige Medikamente. Außerdem ist das Unternehmen mit seiner „Prime Now“ in Sachen „Convenience“ unschlagbar. Eine Krankenversicherung hat Amazon auch bereits gekauft – es ist also nur eine Frage der Zeit, bis Amazon in weitere Märkte hinein skaliert.

Google hat mit seiner smarten Kontaktlinse „Iris“ schon angedeutet, wie durch innovative Technologie der Gesundheitssektor gestaltet werden könnte. Auch in der Kardiologie und bei Diabetes forscht Google an KI- und AI-Themen mit seiner Tochter-Company Verily – und kann so ein bedeutender Player werden. Aber auch IBM und Microsoft werden im Gesundheitsmarkt mitmischen – das sind alles keine Geheimnisse.

Lysander Fuchs: Was glauben Sie, wo geht die Reise hin – was wird sich in den nächsten 5 – 10 Jahren bei Sanofi verändern?

Joss Hertle: Ich kann natürlich keine Details nennen. Aber in meinem Bereich der Consumer Healthcare beschäftigen wir uns natürlich mit der Frage, wie wir den Consumern/Patienten grundsätzlich smarte, digitale Services anbieten können. So, wie FMCG-Unternehmen das Thema „Direct2Consumer-Plattformen“ auf ihrer Prio-Liste haben, sind wir auch mit zeitgemäßen Dialogformen beschäftigt. Dafür arbeiten wir stark mit Start-ups zusammen, um gemeinsam neue Geschäftsideen zu entwickeln. Wir haben beispielsweise eine Partnerschaft mit dem Tech Center für Healthcare Start-ups Creasphere und arbeiten unter anderem auch mit dem Start-up-Bootcamp Digital Health in Berlin zusammen.

Wir möchten zudem die Apotheke bei ihrem Digitalisierungsprozess unterstützen, wo es geeignete Schnittstellen gibt.

Lysander Fuchs: Herr Hertle, vielen Dank für die spannenden Insights.

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