Menschen informieren sich zunehmend online über Krankheitssymptome – eine Qualitätskontrolle der Suchergebnisse findet aber nicht statt. Auch deshalb hat Dr. Google in der Gesundheitsbranche einen eher negativen Ruf. Denn gerade im Gesundheitsmarkt können falsche Informationen schnell gefährlich werden.

Dem Unternehmen Google ist das bewusst, weshalb in den USA bereits daran gearbeitet wird, die Qualität von gesundheitsbezogenen Suchergebnissen zu optimieren. Wird das unseren Umgang mit Gesundheitsinformationen verändern?

Wenn der „informierte Patient“ zum „digitalen Hypochonder“ wird

Dass Menschen immer mehr Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen und auch digitale Kanäle nutzen, um sich zu informieren, ist grundsätzlich sehr positiv. Gesunde können sich online einen Überblick über Risiken und Krankheitsbilder verschaffen und finden Informationen, die ihnen bei der Prävention helfen. Patienten finden kompaktes und leicht verständliches Wissen, können sich mit der Krankheit auseinandersetzen und ihrem Arzt die richtigen Fragen stellen. Diese Form von Patient Empowerment ist positiv zu bewerten, denn ein informierter und interessierter Patient ist mit hoher Wahrscheinlichkeit therapietreuer.

Wird der „informierte Patient“ zum „digitalen Hypochonder“, kann Dr. Google schnell zum Problem werden. Vom Digitalen Hypochonder spricht man dann, wenn das permanente Nachschlagen von Symptomen und möglichen Nebenwirkungen zur Obsession wird. Denn die schnelle Verfügbarkeit von medizinischem Wissen – in Kombination mit der mangelnden Expertise des Googelnden – kann dazu führen, dass man zu falschen Schlüssen gelangt. Die eigenen Symptome werden im Selbstdiagnoseverfahren entweder überbewertet oder verharmlost, die Notwendigkeit des Arztbesuchs falsch eingeschätzt und das kann fatale Folgen haben.

Valide Gesundheitsinformationen googeln – geht das?

Google ist sich bewusst, dass ihre Suchmaschine, wie sie bisher funktioniert, dem Anspruch der Nutzer nach verlässlichen Gesundheitsinformationen nicht gerecht wird. Im Google Blog heißt es:

  • Health content on the web can be difficult to navigate, and tends to lead people from mild symptoms to scary and unlikely conditions, which can cause unnecessary anxiety and stress.

    Google Blog

Um diesem Phänomen entgegenzuwirken und mehr Expertise in die Suchtreffer zu bringen, arbeitet Google an einer Lösung, die im Moment in den USA erprobt wird. Das Unternehmen entwickelt dazu ihren „Google Knowledge Graph“ für Healthcare-Themen weiter.

Der Knowledge Graph ist nichts anderes als eine Infobox, die nach einer Suchanfrage erscheint und Kontextwissen zum Suchbegriff kompakt darstellt. Sie kennen ihn auch: Suchen Sie z. B. nach Leonardo da Vinci, zeigt Ihnen Google in einer Infobox Basiswissen zu Biografie, Werk und ähnlichen Künstlern an.  So will Google den Nutzer schneller zur gewünschten und umfassenden Information führen.

Seit Februar erscheint der Knowledge Graph in den USA nun auch bei gesundheitsbezogenen Suchanfragen. Wer eine Erkrankung googelt, erhält als ersten Treffer eine Infobox, in der er erfährt, was die Krankheit verursacht, wie sie sich verbreitet, welche Symptome auftreten, welche Altersgruppen betroffen sind, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt u.s.w.

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Anders als bei anderen Suchanfragen basieren die Ergebnisse allerdings nicht auf dem üblichen Google-Algorithmus. Die angezeigten Inhalte wurden laut Google von Experten der Mayo Clinic und der Harvard Medical School geprüft. Google verlässt sich hier also nicht auf die üblichen Relevanzkriterien, sondern arbeitet mit Akteuren des Gesundheitssystems zusammen. Diese Einträge sind bereits zu einer Vielzahl an Erkrankungen verfügbar.

Ziel ist es nach Aussagen von Google, dem Nutzer Basisinformationen bereitzustellen, damit er sich bei Gesundheitsfragen schnell informieren kann – den Arztbesuch ersetzen soll die Recherche allerdings nicht.

Wie verändert das den Gesundheitsmarkt?

Das Bedürfnis nach medizinischen Informationen im Web ist riesig. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass Google daran arbeitet, die Suchergebnisse für Gesundheitsthemen zu verbessern und diese Bedürfnisse zu bedienen.

Ob es den Knowledge Graph für medizinische Themen in Zukunft auch in anderen Ländern geben soll, ist noch nicht bekannt. Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich die Pilotphase in den USA ist – doch das Potential, das Google sich dadurch im Gesundheitsmarkt erschließen kann, ist groß. Wie verändert das die Branche insgesamt? Ganz konkret stellen sich drei Fragen.

Digitale Patientenaufklärung durch Dr. Google?

Wer bisher Krankheitssymptome googelt, muss sich bewusst sein, dass er keine geprüften medizinischen Informationen abruft. Dem Nutzer ist klar, dass Google als Suchmaschine keine inhaltliche Verantwortung für die Suchtreffer übernimmt. Wenn der Healthcare Knowledge Graph etabliert wird, ändern sich aber auch die Erwartungen der Nutzer.

Die umfassende Infobox, die mir dann zu einer Krankheit zur Verfügung steht, erweckt den Anschein einer geprüften Information – denn sie ähnelt einer digitalen Patientenbroschüre. Der Anspruch an die Qualität der Ergebnisse steigt. Diesen Anspruch muss Google dann in jedem einzelnen Fall erfüllen, und das in einem dynamischen Markt, in dem sich das medizinische Know-how ständig vervielfacht.

Wird Google zum relevanten Distributionskanal für Pharma?

Verlassen wir einmal die Nutzerperspektive. Denn der Vorstoß Googles ist für die Gesundheitsbranche insgesamt relevant. Mit dem Knowledge Graph schafft Google das Potential, seine Healthcare-Kompetenz zu stärken und Glaubwürdigkeit bei den anderen Akteuren innerhalb des Gesundheitssystems zu gewinnen.

Damit kann Google eine zunehmend wichtigere Rolle im digitalisierten Gesundheitsmarkt einnehmen und für Pharmaunternehmen zu einem wichtigen Distributionskanal werden: Unternehmen können den eigenen Content optimieren, damit er mit höherer Wahrscheinlichkeit im Knowledge Graph auftaucht, oder Werbeflächen im Knowledge Graph buchen.

Werden auch Ärzte zu den Nutzern zählen?

Sollte sich Google als relevante Quelle für Patienten etablieren, stellt sich die logische Anschlussfrage: Werden auch Ärzte auf Google-generiertes Wissen zurückgreifen, um Patientenfälle zu bearbeiten? Denn das Wissen ist schnell verfügbar und hat den Anspruch – zumindest im Pilotprojekt in den USA – von Fachleuten geprüft zu sein.

Spätestens an dieser Stelle drängt sich die Frage auf, wie unabhängig und wissenschaftlich fundiert die Ergebnisse sein können. Entscheidend wird sein, welche Akteure des Gesundheitssystems in welchem Maße bei der Entwicklung mitwirken, und wie die Qualität und Objektivität der Suchergebnisse dauerhaft gewährleistet wird.

Mehr über die Digitalisierung von Kaufentscheidungen

Lesen Sie außerdem auf coliquio Insights, welche Rolle Google heute schon in der Customer Journey von Patienten spielt und wie Unternehmen dies für sich nutzen können.

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Nathalie Haidlauf
Nathalie Haidlauf
berichtet für coliquio Insights über die wichtigsten Marketing-Trends und liefert Inspirationen für die Pharmakommunikation der Zukunft.