Es ist einfacher, einer Idee die Flügel zu stutzen als sie anzukleben
Wie können Teams besser zusammenarbeiten und ihre Expertise optimal ausspielen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Friederike Riemer, die als „Frida Futura“ Design Thinking Workshops hält und ebenso als Zukunftsforscherin tätig ist. Im Rahmen des coliquio Summit habe ich mit ihr über Design Thinking Methoden gesprochen, für welche Probleme sie sich eignen und warum sie auch in restriktiven Umgebungen Lösungen liefern.
Design Thinking: Eine kreative Methode für „menschliche Probleme“
Lysander Fuchs: Was ist Design Thinking?
Frida Futura: Design Thinking ist zum einen ein Set an Methoden, aber vor allem auch eine Grundhaltung, wie komplexe Probleme gelöst werden können. Besonders diejenigen, bei denen unterschiedlichste Personen betroffen sind und der Kern noch nicht bekannt ist. Design Thinking kennt die nötigen Werkzeuge, um sich mit solchen Problemen sehr intensiv zu beschäftigen und die Bedürfnisse, Pain Points usw. der beteiligten Personen identifizieren zu können.
Indem Design Thinking verschiedenste Köpfe zusammenbringt, können kreative und innovative Lösungen entwickelt werden. Und weil im Prozess das Feedback der Nutzer zum „Prototypen“ eingeholt wird, haben wir nachher Lösungen, über welche diese sagen „ja, das hilft mir wirklich“. Wenn ich zum Beispiel im Krankenhaus bin, dann muss ich mit den Patienten reden, damit ich verstehe, wie die Erfahrung besser gestaltet werden kann.
Lysander Fuchs: Gibt es Fälle, in denen Design Thinking die falsche Methode ist?
Frida Futura: Absolut. Vor allem bei technischen Problemen, wo der menschliche Faktor keine große Rolle spielt und das Problem klar definiert ist. Wenn es die Aufgabe ist, den Wirkungsgrad eines Ventils um 1 % zu steigern, brauche ich die Herangehensweise eines Ingenieurs und nicht Design Thinking.
Design Thinking ist für „menschliche Probleme“ mit mehreren Stakeholdern, bei denen der Kern des Problems nicht klar definiert ist.
Design Thinking: Auch für die Pharma-Arzt-Kommunikation
Lysander Fuchs: Können Design Thinking Methoden auch Pharma-Marketer in ihrer Arbeit unterstützen?
Frida Futura: Ja klar, ich glaube, dass Design Thinking gerade in der Beziehung zwischen Arzt und Pharma zum Einsatz kommen kann. Wenn Pharma-Marketer viel früher mit Ärzten ins Gespräch kommen, um deren Bedürfnisse zu erfassen, bevor überhaupt neue Produkte oder deren Kommunikation geplant werden, kann die Pharma-Arzt-Kommunikation signifikant verbessert werden und es werden sehr viel nutzerfreundlichere Lösungen entwickelt.
Lysander Fuchs: Wie können Pharma-Marketer das tun?
Frida Futura: Pharma-Marketer müssen in die direkte Kommunikation mit dem Arzt gehen und nicht hinter dem Schreibtisch sitzen bleiben. Design Thinking bedeutet, ganz nah an den Kunden zu sein, um dort zu erleben, welche Bedürfnisse oder Probleme sie haben und wie ich sie lösen kann.
Design Thinking: Diese Methoden führen zum Erfolg
Lysander Fuchs: Welche Methoden kennt Design Thinking? Welche empfiehlst du?
Frida Futura: Wir haben ja bereits über die Nutzer-Recherche gesprochen. Hier bieten sich vor allem qualitative Interviews an. Es geht eben nicht darum, eine Checkliste von 30 Fragen abzufragen, sondern sich zu trainieren, auf den Gesprächspartner einzugehen und Dinge aus ihm „herauszukitzeln“, um danach möglichst viel über diese Person gelernt zu haben. Dies gilt es dann zu übertragen und zu interpretieren.
Ebenso essentiell ist die gesamte Toolbox rund um das Thema Prototyping. Hier geht es vor allem darum, die Lösung so greifbar wie möglich zu machen: ein Video zu drehen, eine Zeichnung anzufertigen, oder ein Muster aus Papier oder meinetwegen Lego zu bauen. Das Ziel besteht darin, meine Lösung erlebbar zu machen, um dann so schnell wie möglich Feedback zu bekommen. So kann ich die Idee besser machen.
Lysander Fuchs: Aber ich kann ja nicht immer einen physischen Prototyp bauen.
Frida Futura: Viele assoziieren einen Prototyp direkt mit einem physischen Produkt. Darum muss es aber überhaupt nicht gehen.
Ein Prototyp kann genauso ein Dialogformat sein, das entwickelt wird. Dies kann ich dann beispielsweise mit einem Arzt durchspielen oder ein Video drehen. Es geht darum, etwas greifbar zu machen. Dann kann mir der Arzt sagen: War das die richtige Frage? Die richtige Ansprache? Auch ein Kommunikationskonzept kann erlebbar sein. Ein guter Prototyp macht eine Idee test- und erlebbar und provoziert Feedback. Darum geht es.
Design Thinking: Nächste Schritte für Pharma-Marketer
Lysander Fuchs: Wenn ich einfach mal starten möchte, wie gehe ich vor?
Frida Futura: Meine Empfehlung ist es, immer klein anzufangen und nicht mit dem größten Projekt, mit politischer Komponente, bei dem Stakeholder die größten Agenden haben. Gerade dann, wenn Mitarbeiter oder Kollegen noch gar nicht so bereit sind, agiler zu arbeiten. Warum nicht mit dem Sommerfest starten? Das wäre eine kleine Spielwiese, es kann nicht viel kaputt gehen und die Leute sind direkt dabei.
Das wichtigste ist es wirklich, einfach anzufangen. Ich kann mich in einem Meeting einfach von den Methoden des Design Thinkings bedienen, ohne sofort Design Thinking draufzuschreiben. Viele dieser Methoden sind ja auch einfach Common Sense und es wurde nicht das Rad neu erfunden. Das kann helfen, Vorbehalte gegen „eine neue Methode“ gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Ich rate immer: Einfach mal anfangen. Toolbox aufmachen, 1-2 Methoden rausnehmen, ausprobieren und nicht Design Thinking nennen.
Lysander Fuchs: Kannst du uns ein Beispiel geben, wie du ein Projekt/Meeting mit Design Thinking aufbauen würdest?
Frida Futura: Ich würde es immer so planen, dass ich mit den Nutzern, die das Problem betrifft, zwei Interaktionen habe. Die erste wird genutzt, um herauszufinden, was das Bedürfnis ist. Daraus werden Annahmen gebildet und in Ideen und einem Prototyp verarbeitet. Im nächsten Schritt wird dieser – wenn irgendwie möglich – denselben Nutzern präsentiert und nach Feedback gefragt. Dieses analysieren wir und verbessern den Prototypen. Je mehr Zeit wir haben, desto mehr Iterationen sind möglich.
Lysander Fuchs: Das Gesundheitswesen ist ein zu Recht stark regulierter Markt. Das führt aber auch dazu, dass oft eine gewisse Unsicherheit herrscht, wenn es darum geht, Neues auszuprobieren.
Frida Futura: Ich glaube, es ist leichter einer Idee die Flügel zu stutzen, als Flügel anzukleben. Deswegen fordere ich meine Workshop-Teilnehmer immer heraus, erst einmal abseits aller Beschränkungen zu denken. Dafür eignen sich Denk-Übungen, in denen bewusst in die Zukunft geschaut wird: Stellen Sie sich vor, es ist 2040 und es gibt keine Beschränkungen. Das Wichtigste ist es, erstmal an einer Idee herumzuspinnen. Oder sich beispielsweise zu fragen: Was würde Donald Trump machen? Der Joker? Bewusst zu übertreiben. Natürlich wird das nicht sofort die endgültige Idee geben. Aber es hilft dabei, neue Bereiche im Gehirn anzuregen, die sonst verschlossen bleiben. Und wer weiß: Wenn ich eine richtig gute, aber momentan nicht umsetzbare Idee weiterdenke, wird daraus vielleicht eine Idee, die ich auch im Rahmen meiner Restriktionen einsetzen kann.
Lysander Fuchs: Vielen Dank für diese interessanten Einblicke.
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