Janssen machte vor einigen Jahren die gleiche frustrierende Erfahrung wie viele andere Unternehmen auch: Projekte wurden mit viel Einsatz an Personal und Ressourcen geplant, vorbereitet und umgesetzt, nur um dann festzustellen, dass diese nur auf mäßiges Interesse stoßen, da sie die Bedürfnisse der Kunden nur teilweise treffen.

Deswegen entschied sich Janssen für einen komplett neuen Ansatz, um Produkte, Services und Projekte zu entwickeln. Ich habe mit Urs Vögeli, Commercial Director Oncology & Hematology und Mitglied der Geschäftsleitung bei Janssen Deutschland, gesprochen, wie heute Projekte angegangen werden und warum nur noch in “Co-Creation” gearbeitet wird.

Was hat sich geändert und wie wird heute Innovation bei Janssen vorangetrieben?

In den letzten Jahren haben wir diverse Projekte, darunter auch Patient Support Programme, ins Leben gerufen, die leider nicht immer auf die erhoffte Resonanz und breite Akzeptanz bei den Ärzten stießen. Eines hatten viele dieser Projekte gemeinsam: Der Kunde wurde meistens erst in der späten Entwicklungsphase involviert, als die Projektentwicklung schon weit fortgeschritten und Veränderungen nur noch marginal möglich waren.

Wir haben unsere Lektion gelernt und setzen seitdem alle Projekte konsequent in Co-Creation um. Das hat viele Vorteile: Zum einen treffen die Lösungen punktgenau das Kundenbedürfnis, zum anderen gewinnen wir durch die Zusammenarbeit wertvolle Erkenntnisse und Einblicke, und letztlich hebt man durch Co-Creation die Qualität des Kundenerlebnisses auf ein ganz anderes Niveau. Wenn die Kunden Teil eines solchen Prozesses sind, erleben sie auch die Zusammenarbeit mit Janssen viel intensiver.

Diesen Ansatz wenden wir konsequent bei allen Interaktionen mit Kunden an, z.B.: Wie gestalten wir medizinische Fortbildungen? Wie würde eine bessere Didaktik aussehen? Heute entstehen nahezu alle unserer Marketing-, Selling- und Digital-Kampagnen in Co-Creation. Gerade für digitale Kanäle ist es überaus wichtig, eng zusammenzuarbeiten, um Fragen wie diese zu beantworten: Wie ist die digitale Mediennutzung der Ärzte? Was sollen unsere Online-Auftritte und unsere Newsletter bieten? Diese Erkenntnisse fließen in unsere Strategie- und Projektplanung ein.

Welche zwei Co-Creation-Projekte stechen besonders hervor?

Es gibt diverse Co-Creation-Beispiele aus jüngster Zeit, die mich begeistern. Da ist zum Beispiel psychose-wissen.de, eine Online-Plattform für Psychose-Patienten oder deren Angehörige. Inzwischen ist sie in Deutschland eine der meistfrequentierten Patienten-Webseiten für die Psychose. Es gibt Lern-Videos, Links und Berichte, die vielfältige Möglichkeiten für Interaktion und Vernetzung bieten. Die Seite hat heute über 25.000 Nutzer, die durchschnittliche Verweildauer liegt bei 18 Minuten. Besonders stolz sind wir darauf, dass die Plattform auch von Ärzten an ihre Patienten empfohlen wird. Das spricht für eine hohe Akzeptanz und Anerkennung des Mehrwerts für Betroffene und ihre Angehörigen.

Ein anderes Projekt, das ich hier erwähnen möchte, ist „Patient Coach“, welches wir für den Bereich Onkologie entwickelt haben.  Hier geht es darum, wie speziell geschulte Pflegekräfte aus dem Praxisteam vor Ort Patienten, die eine Krebsdiagnose erhalten haben, bei der Bewältigung dieser Erkrankung optimal unterstützen können. Zusätzlich zur eigentlichen Therapie gibt es viele Aspekte, die wichtig für eine erfolgreiche Behandlung sind: Umgang mit der Erkrankung im Alltag, Unterstützung beim Einhalten des Therapieschemas, Ernährung, Bewegungsempfehlungen und auch seelische Unterstützung. Vor allem geht es darum, ein Bewusstsein für die Bedeutung von Therapiezielen zu schaffen. Die Frage, die wir uns und unseren Partnern gestellt haben, war: Wie können wir Ärzte, Pflegepersonal, Patienten und deren Angehörige gut in ein ganzheitliches Konzept involvieren und dies praxistauglich gestalten? Wir freuen uns, dass bis heute über 50 Praxisteams in Deutschland an „Patient Coach“ Workshops teilgenommen und das Konzept erfolgreich umgesetzt haben.

Von wem wurden diese Projekte initiiert?

Die besten Ideen entstehen im gegenseitigen Austausch, das war bei diesen Projekten nicht anders. Die Anregungen resultieren aus dem Dialog mit Ärzten, Pflegeeinrichtungen und Patientengruppen. Wir veranstalten ganz bewusst Innovationsnetzwerke, in denen wir in kleiner Runde Problemstellungen diskutieren. Dabei geht es uns zunächst darum, ein besseres Verständnis für die täglichen Herausforderungen der Ärzte und des Praxis-Personals zu bekommen. Erst wenn wir diese wirklich verstehen, können wir priorisieren und dann gemeinsam über Lösungen diskutieren. Wir sind der festen Überzeugung, dass auch Kritik oder eine Beschwerde durchaus der optimale Startpunkt für einen kreativen Prozess sein können. Kunden, die sich bei uns beschwert oder sich zu bestimmten Abläufen kritisch geäußert haben, wurden von uns eingeladen, Teil eines Co-Creation-Teams zu werden und so aktiv mit uns an Lösungen zu arbeiten.

Damit geben wir unseren Kunden die Gelegenheit, die Menschen hinter den Projekten, unser Unternehmen und unsere Philosophie kennenzulernen. Das Feedback dazu ist sehr positiv.

Was hat sich für Management, Mitarbeiter und Ärzte verändert?

Die Bereitschaft unserer Kunden, mit uns den Co-Creation-Prozess zu gestalten, hat unsere Erwartung übertroffen. Das bestärkt uns darin, diesen Weg weiter zu gehen.

Die größte Veränderung war, dass wir insgesamt ergebnisoffen an Herausforderungen herangehen. Das erfordert ein Umdenken. Man geht in den Co-Creation-Prozess eben nicht mit der schon fertigen Idee, sondern mit offenen Fragen. Das bedeutet auch, dass wir andere Antworten und Ergebnisse akzeptieren, als ursprünglich gedacht.

Ich selbst verbringe seitdem signifikant mehr Zeit in persönlichen Gesprächen mit Kunden. Gleichzeitig ist es im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit essentiell, dass wir vom Management unsere Teams befähigen, eigenverantwortlich Prioritäten und Deadlines zu setzen und diese dann auch einzuhalten. Die Balance zwischen Kreativität und zielgerichteter Umsetzung ist ein Muss.

Wir befinden uns noch mitten in diesem Prozess des Umbruchs. Denn bis jetzt sind die meisten Veränderungen, die ich beschrieben habe, immer noch analog. Als Ergänzung dazu arbeiten wir aber auch schon mit Hochdruck an digitalen Co-Creation & Feedback Plattformen. Sie sehen, es gibt noch jede Menge spannende Möglichkeiten…

 

Herr Vögeli, vielen Dank für das Gespräch!

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