Vielleicht geht es Ihnen da ja wie mir: wenn ich an Künstliche Intelligenz (KI) dachte, dann schossen mir noch vor einigen Jahren Szenarien in den Kopf, in denen die Technologie den Menschen überlistet, schlauer ist als wir es jemals sein können und so zum Feind der Menschheit wird. Dieses Horrorszenario können wir getrost beiseiteschieben, soweit wird es mit Sicherheit nicht kommen.

Künstliche Intelligenz bietet heute schon einen fundamentalen Mehrwert und hat bereits begonnen, die Arbeit von Spitzenkräften zu übernehmen. Auch in der Medizin hat KI schon seit einigen Jahren einen festen Platz. Ich denke da vor allem an die Hüft-OP meiner Großmutter. Diese OP wurde über KI gesteuert, weil das Ergebnis deutlich präziser ist. KI ist keine futuristische Vision mehr, sondern schon lange Teil unseres Alltags. KI liefert so beispielsweise in der Radiologie bei der Betrachtung von CT-Untersuchungen vergleichbare Befunde und teilweise sogar mit höherer Qualität als bei Untersuchung durch erfahrene Radiologen.

Was hat es mit Künstlicher Intelligenz auf sich?

KI lässt sich als Teilgebiet der Informatik beschreiben, das sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens befasst. Das Ziel ist es, menschliche Wahrnehmung und menschliches Handeln durch Maschinen nachzubilden und das auf Teilbereiche – wie die Medizin – zu beziehen. Es geht nicht darum Menschen mit all ihren Fähigkeiten nachzubauen, sondern durch Informatik-Lösungen bestimmte Teilbereiche ihrer Arbeit zu erleichtern und dadurch bessere Ergebnisse zu ermöglichen. KI ist eine Software, die sich selber fortschreibt, lernfähig ist und dadurch auch autark wird. Der erste große Durchbruch bei dem KI zum Einsatz kam, waren online Übersetzungsprogramme wie Google-Translator: Durch bereits online gestellte Texte kann das Programm Rückschlüsse ziehen und so die Übersetzung anfertigen. Kein Mensch wäre in der Lage das einem Programm beizubringen, weil es Massen an Wissen und Ausnahmen sind, die in das Programm eingespeist werden müssten. Auch die Analyse abstrakter Muster, wie bei einem Röntgenbild, ist eine Stärke von Computern. Durch die Lernfähigkeit wird KI mit jeder Bildanalyse besser. Immer wenn das Programm etwas dazulernt, wird automatisch ein Software-Update angefertigt.

Früher wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, Technologie – besonders im Bereich der Medizin – Verantwortung zu überlassen. Heute ist KI bereits in unserem Alltag angekommen. Vielleicht ist dieser Wandel und dieses Vertrauen in Technologie vergleichbar mit der Vision von selbstfahrenden Autos, was längst keine futuristische Zukunftsversion mehr ist und der auch KI zu Grunde liegt.

Computer sind präziser als Menschen und deshalb ist KI auch für die Medizin relevant

Mediziner sind auch ‚nur‘ Menschen. Sie vergessen Details einzelner CT-Aufnahmen, ziehen Vergleiche nicht immer optimal. Und nicht immer liegen alle notwendigen Informationen vor. Zwar können die wichtigsten Informationen der Familiengeschichte in der Anamnese abgefragt werden, aber nicht immer ist dieser Überblick umfassend. Patienten ziehen häufiger um und so sind relevante Informationen quer durch die Republik gestreut. Im Zweifel sind ältere Dokumente, Blutwertveränderungen sowie beispielsweise Röntgenbilder und Videos der letzten Darmuntersuchung nicht verfügbar. Zudem ist es für Mediziner fast unmöglich bei diesem immensen Forschungsaufkommen neben ihrem Arbeitsalltag in der Klink oder der Praxis immer auf dem neusten Stand zu sein. Im Durchschnitt beschäftigt sich ein deutscher Arzt maximal fünf Stunden pro Monat mit Forschungsinhalten. Im Vergleich dazu ist KI ein richtiger Gewinn. Was die Software einmal „gesehen“ hat, vergisst sie nie wieder. Daraus erwächst eine „Erfahrung“, die der menschlichen überlegen ist, weil die Software eigenständig lernt. So können mittels KI umfassendere Gesundheitsdaten gezogen werden, aufgrund von weltweilt bereits ca. 150 Exabyte Datenvolumen. Dabei wird die Datenmenge immer größer. Nur eine Künstliche Intelligenz ist imstande dies zu managen und zu nutzen.

Was ist bereits möglich?

Schon seit geraumer Zeit unterstützen Roboter mit KI den Klinikalltag. Dabei schütteln sie Reagenzgläser, sortieren Gewebeproben und überwachen die Medikamentenvergabe mit hoher Zuverlässigkeit. Wie oben schon angerissen, wird KI auch als Assistent bei OPs eingesetzt. Mediziner verfolgen das Geschehen über den Bildschirm und geben dem Programm Anweisungen. Die Fernsteuerung ermöglicht höhere Präzision im mikroskopischen Bereich und kann die zittrige Hand eines Chirurgen ausgleichen. Deutschland ist dabei ein Spezialfall: Hier müssen Patient und Mediziner immer noch in einem Raum sein, um Patienten vor möglichen Leistungsstörungen zu schützen. In anderen Ländern wie Frankreich oder England sind diese Operationen über Entfernungen hinweg erlaubt. Im Jahr 2000 wurden weltweit rund 1.000 roboter-assistierte chirurgische Operationen durchgeführt. Letztes Jahr – 2016 – waren es bereits mehr als eine halbe Million. Auch Blut, Urin und andere Körperflüssigkeiten werden heute schon auf halbautomatischen, KI-basierenden Laborstraßen untersucht. KI ist schon längst im medizinischen Alltag angekommen.

Zukunftsgeflüster: Was wird noch alles kommen?

Zukünftig wird KI eine noch größere Rolle einnehmen. Man ist sich sicher, dass durch KI bald kleinere Eingriffe völlig autark vorgenommen werden können. Dabei überzeugt die Präzision von KI. Es kann so wesentlich näher an Tumoren geschnitten werden als ein Mensch dazu in der Lage wäre. Durch jeden Eingriff wird die Software besser, weil sie selbstständig lernt. Dazu können Untersuchungs- und neuste Forschungsergebnisse in einen größeren Zusammenhang gesetzt werden. KI könnte Untersuchungen aus Mikrobiologie und Virologie, Pathologie und Genetik hinzuziehen, denn auch diese werden nach und nach automatisiert. Genau das ist das Ziel bei Einsatz von KI in der Medizin. Einzelne Testergebnisse sollen sinnvoll verglichen und Rückschlüsse für die Diagnose ermöglicht werden. Der ganze Prozess der Diagnostik wird sich verändern. So könnte eine Diagnose nicht nur früher erfolgen, sondern auch wesentlich umfassender sein und davon profitiert am Ende der Patient.

Das größte Hindernis für den Einsatz von KI: Unstrukturierte Daten

KI produziert und resultiert aus einer riesigen, unstrukturierten Menge an Gesundheitsdaten. Das größte Problem ist bisher, dass Medizindaten länderübergreifend meistens nicht kompatibel sind. Krankenakten enthalten Notizen, teilweise handgeschrieben oder teilweise unvollständig. Dazu kommen sprachliche Barrieren. Wenn all diese Daten sinnvoll ineinandergreifen sollen, muss ein Weg gefunden werden, wie diese Daten miteinander kompatibel gemacht werden können. Dazu zählen auch medizinische Fotos, MRTs, OP-Videos und vielzählige andere Quellen. In der IT-Branche nennt man diese Daten „unstrukturiert“. Sie zu ordnen ist bei Großunternehmen wie Siemens und IBM, Google und Microsoft hohe Priorität.

Wie sieht die Zukunft der Medizin aus?

Das kann man natürlich nicht mit Sicherheit vorhersagen, aber man kann davon ausgehen, dass Arbeitsplätze durch KI vorerst nicht gefährdet sind. Das liegt zum einen daran, dass es immer Befunde geben wird, die nicht eindeutig sind. Ärzte werden dann beispielsweise den Röntgenbefund und den Laborbefund beurteilen müssen und auch in allen anderen Fällen bleiben sie die letzte Instanz. Zudem wird KI nie die die Fähigkeit erlernen, auf Menschen einzugehen, was in der Medizin eine der Schlüsselkompetenzen ist.

Trotzdem wird der Patient durch den Einsatz von KI schneller an eine richtige Diagnose kommen. Klar ist: Das Berufsbild des Arztes wird sich verändern, was als Chance zu begreifen ist und dem Arzt die Möglichkeit gibt, sich noch besser um Patienten kümmern zu können.

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