Allgemeinmediziner:

„Immer wieder hat man Patienten, bei denen der muskuläre Hypertonus die Ursache allen Übels der mannigfaltigen Beschwerden des Bewegungsapparates zu sein scheint. Diese haben ständig wechselnde Ansatztendinitiden, wechselnde Gelenkbeschwerden durch erhöhten Tonus der darüber gehenden Muskulatur. Die gesamte Rheumaserologie ist negativ, keinerlei Erhöhung der Entzündungsparameter, keine Hinweise auf strukturelle Veränderungen wie bei seronegativen rheumatischen Erkrankungen. Kurzfristig helfen bei diesen Patienten Kortison-Gaben ebenso wie Relaxantien vom Diazepam-Typ. Die Patienten werden v.a. durch das Kortison komplett beschwerdefrei, allerdings nur bei Dosen, die dauerhaft nicht akzeptabel sind, also über 10mg. Der Gedanke ist, dass dahinter eine wie auch immer geartete Stoffwechselproblematik stecken kann und natürlich auch eine larvierte Depression, aber die ließe sich nicht so gut mit Kortison therapieren, trotz des euphorisierenden Effektes von Kortison.
Wer hat dazu einen Ansatz?“

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„Ich selbst bin ebenfalls sehr an Antworten zu dieser Frage interessiert, habe auch sehr viele solcher Patienten mit multiplen unklaren Muskel- und Sehnenschmerzen und Verspannungen. Besonders häufig tritt das bei Migrantinnen auf, die natürlich oft große psychische Probleme haben und diese sehr gerne somatisieren. Psychotherapieplätze gibt es zu wenig, dann häufig auch sprachliche oder kulturelle Probleme. Die Orthopäden haben anscheinend für solche Patienten keine Zeit. Krankengymnastik wäre sicher nicht schlecht, aber leider budgetiert…Die Compliance für Antidepressiva und auch für Schmerzmittel ist relativ gering, Magnesium zu schwach, ich gebe ganz gerne mal Traumeel, Kytta Balsam zum Einreiben…biete Akupunktur an und gebe den Leuten öfter mal Zeit zum Reden. Hilft teilweise gut, teilweise wenig, da die Psychosomatik eine große Rolle spielt.
Aber viel interessanter wäre die Frage, woher das alles kommt, wenn es nicht rein psychosomatisch ist. Stoffwechselstörung im Muskel? Entzündung? Borrelien? Einseitige Überlastung/Bewegungsmangel? Postinfektiöse rheumatische Geschehen? Irgendwelche Ablagerungen von Giftstoffen oder Stoffwechselprodukten? Irgendwelche Autoantikörper? Ideen?“

Allgemeinmediziner

„Das ist ja so ähnlich wie Fibromyalgie. Kortison ins Blaue hilft ja bei vielen Dingen, auch wenn es kaum erklärbar ist. Saroten ist auch mal einen Versuch wert. Analog hab ich das mit den nicht-beweisbaren Allergien, die diffuseste Beschwerden verursachen.
Nur bloß keine Autoantikörper und Borrelien abnehmen, falls die mal unspezifisch positiv sind, kann ein frustrierender diagnostischer und manchmal auch therapeutischer Marathon beginnen.“

Arzt Haut- und Geschlechtskrankheiten

„In den allermeisten Fällen ist die Muskellänge die Ursache der Beschwerden. In meiner Praxis versuchen wir mit diesen Patienten die longitudinale Adaptation der Muskulatur auf die physiologischen Bewegungsweiten (range of motion) der Gelenke einzustellen. Hierzu ist ein Längentraining der hypertonen Muskulatur notwendig. Erst wenn die Muskulatur auf normale Gelenkreichweiten eingestellt ist, macht Krafttraining der Hypotonenmuskulatur, meist antagonistischen Muskulatur, Sinn und führt in den meisten Fällen zur Beschwerdefreiheit. Dieser Wirkmechanismus macht auch klar, warum reines Krafttraining beim Rücken- und Gelenkschmerz nicht wirkt oder in vielen Fällen sogar eine Verschlechterung durch sportliche Aktivität beobachtet werden kann.“

Orthopäde und Unfallchirurg

„Nach meiner Beobachtung haben diese geschilderten Patienten oft eine ähnliche Charakterstruktur und es sind häufiger Frauen betroffen. Leider wird eine psychische Komponente seitens der Patienten oft negiert und es folgt ein Ärztemarathon einschließlich Diagnostik ohne wirklich greifbare Befunde. Gute Erfahrung habe ich mit Progressiver Muskelrelaxation gemacht. Habe mir dazu CDs von Pharmaunternehmen schicken lassen, die ich den Patienten verleihe. Der Patient muß dies natürlich auch wollen und sich die Zeit und die Ruhe dafür gönnen (genau daran scheitert es oft).“

Allgemeinmediziner

„Soweit ich mich eingelesen habe, sind die Muskeln tatsächlich relativ sauer und bilden tastbare Knötchen und Knoten. Ursache hierfür scheint mir oft ein lang andauernder Stress zu sein, auf den die Patienten mit übermäßig starker Aggression bei gleichzeitig bestehender Aggressionshemmung reagieren. Im Verhalten sind sie oft ausgesprochen höflich. Im Sinne der Polyvagaltheorie nach Porges sind Sympathikus und der nicht myelinisierende Parasympathikus erregt. Dies führt auf Dauer zu einer Erschöpfung des Stresshormonsystems und langfristig zum Stresstod. Gesichert ist wohl, dass basische Kost die Schmerzen mittel- und langfristig reduziert, ich empfehle mäßiges Körpertraining; bin mit Medikamenten äußerst zurückhaltend und arbeite psychotherapeutsich an Gefühlswahrnehmung, -differenzierung und Verhaltensänderung.“

Arzt Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

„Meiner Erfahrung nach haben die meisten „verspannten“ Patientinnen auch eine Schlafstörung, was in dieser Diskussion noch nicht zur Sprache kam. Ich erkläre den Patientinnen, dass die Muskulatur ausreichend Schlaf braucht, um zu entspannen und verordne deshalb gelegentlich Tetrazepam (Musaril) 50mg abds. für ein paar Tage und zusätzlich Wärmeanwendungen in jeder Form (heisse Bäder, Wärmekabine, Fango etc).“

Orthopäde und Unfallchirurg

„Dass Kortikoide wirken, wenn ein fortgesetzt angespannter Sehnenansatz überreizt ist und Entzündungssymptome aufweist, ist ja kein Wunder. Dass es nicht nur bei „larvierten Depressionen“ (den Begriff sollte man eigentlich gar nicht mehr verwenden) zu längerfristigem muskulärem Hypertonus kommt, sondern auch bei anhaltender seelischer Anspannung bzw. bei langdauerndem Stress unabhängig von der Ursache, ist auch bekannt. Ich würde nicht mit Aufwand nach einer wie auch immer gearteten Stoffwechselproblematik suchen sondern nach der Ursache für den Stress bzw. hier die Fachkollegen um Mitbehandlung bitten. Das Arbeiten an der Ursache, nämlich einer inadäquaten Stressbewältigung, hilft dem Betroffenen längerfristig, weil kürzere oder längere Stressituationen ja immer wieder auftreten werden. Das lässt sich auch bei Patienten, die unsere Sprache nicht verstehen bewerkstelligen und mit etwas Geduld lassen sich auch viele Patienten mit ggf. anderem kulturellem Hintergrund, die einem derartigen Ansatz (= eigentlich keine körperliche sondern psychische Ursachen der Beschwerden) zunächst skeptisch gegenüberstehen, letztlich überzeugen.“

Allgemeinmediziner

„Gerade bei Migrantinnen untersuche ich in diesen Fällen das Vitamin D, das sehr häufig stark erniedrigt ist. AP oft erhöht, aber nicht unbedingt. Dann bessern sich die Schmerzen oft sehr rasch bei Substitution. Da die Untersuchung 28,00 € kostet, empfehle ich sie den Patienten privat zu zahlen, wozu sie meistens bereit sind. Unser Budget beträgt ja nur 5 Punkte…
Ebenfalls frage ich nach dem Klimakterium oder hormonellen Problemen, auch hier bringt gegebenfalls eine Hormonsubstitution rasche Besserung. Ansonsten kann jeder Rehasport verordnen, was meistens sehr hilfreich ist.

Orthopäde und Unfallchirurg

„Ich habe auch schon beobachtet, dass antibiotische Behandlungen auch positive Nebenwirkungen haben, die keiner so richtig erklären kann. Das habe ich auch mehrfach bei systemischen antimykotischen Therapie erlebt und war teilweise sehr erstaunt. Leider erforscht das keine Uni, da niemand was sponsern wird.
In der Derma nutzen wir bei einigen Indikationen Doxycyclin 100mg 1-0-1 für 14 Tage. Mit dieser Dosis sind einige latente infektiöse Foci ausbehandelt, inkl. Borrelien, und diverse venerische Erreger.
Das schadet in der Regel keinem und kann durchaus eine Symptombesserung bringen, auch wenn die Ursache und der Wirkmechanismus im Dunkeln bleiben.
So mal als Ergänzung zu Kortison.
Sicherheitshalber füge ich hinzu:
Natürlich nur, wenn die indizierte Fokussuche keine Erklärung bringt und die reguläre Therapie keine Besserung.“

Arzt Haut- und Geschlechtskrankheiten

 

 

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