Arzt- und Zahnarzt-Diskussion mit 42 Kommentaren

Original-Beitrag des fragestellenden Zahnmediziners vom 26.02.2014:

Hin und wieder gebe ich nach größeren oralchirurgischen Eingriffen ins umliegende Gewebe eine Gabe Dexamethasone 4%.
Jetzt haben sich vermehrt Patienten gemeldet, dass sie die ersten zwei Tage keine Schmerzen haben aber am dritten Tag kommt ein Schmerzschub. Kann das mit dem Cortison zusammenhängen?

Was gibt es für gute Alternativen zur Post-OP Schwellungsprophylaxe?

Nach größeren Eingriffen, bei denen eine starke Schwellung zu erwarten wäre, gebe ich

250 mg Urbason intravenös als einmalige Gabe unmittelbar vor dem Eingriff. Das Medikament wirkt ca. 24 Stunden. Damit wird die Schwellung im Allgemeinen um ca. 70-90 % reduziert.
Eine einmalige Gabe hat sich immer als ausreichend erwiesen. Unter Klinikbedingungen, bei noch größeren Eingriffen werden 500-1000 mg Urbason/d als Infusion verabreicht. Alternativ käme die orale Gabe von Dexamethason in Betracht. An die Wirksamkeit der i.v. Gabe reicht dies jedoch nicht heran.

Die Schmerzen nach der lokalen Cortisongabe kann ich mir nicht erklären, diese Art der Verabreichung ist mir auch neu.

Arzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie

Steroidgabe zur Reduktion der Schwellneigung ist/war in vielen Kliniken etabliert.

Manche HNO Kliniken geben/gaben mehrere Tage hohe Steroiddosen zu jedem größeren Halseingriff.
Ich gebe hin und wieder auch mal 50 mg Pred p.o. postoperativ für 2-3 Tage. Meiner Erfahrung nach bringt das immer eine verkürzte Rekonvaleszenz. Infektionen oder andere Komplikationen habe ich dadurch noch nicht beobachtet. (…)
Ins Gewebe würde ich es aber nicht injizieren, meines Wissens diffundiert das da ganz schnell weg und dann ist die systemische Wirkung nicht ausreichend? Was sind 4 % Dexamethason, meinen Sie 4 mg?
Dann vielleicht gleich lieber nur die systemische Gabe?

Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten

Diese Schmerzsymptomatik nach lokaler Cortisongabe habe ich auch noch nicht selbst erlebt, wobei ich ebenso (…) bei größeren Eingriffen Urbason niedrigdosiert 1x i.V. gebe. Die besten Erfahrungen aber habe ich mit der lokalen oder i.V.-Applikation von Traumeel in Verbindung mit low-level-Lasertherapie. Patienten bekommen für 5-10 Tage (je nach Umfang des Eingriffs) zusätzlich Traumeel oral verordnet. Durch die Bank benötigen Patienten kaum Schmerzmittel, Schwellungen sind auf ein absolutes Minimum beschränkt. Und die Antibiotikagabe hat sich drastisch reduziert. Eine Entzündungsneigung ist so gut wie nicht mehr zu beobachten.

Arzt für Zahnmedizin

Zur Frage „managment of postoperative sequelae“ hat Prof. Per Lokken (Institut für klinische Pharmakologie, Univ. Oslo) viele Studien publiziert und vor etwa 10 Jahren das Fazit seiner Forschungen bei der AG Kieferchirurgie vorgetragen: Die beste Wirkung zeigten 9 mg Betamethason i.m.: etwa 50 Prozent Reduktion der Schwellung und deutlich weniger subjektive Beschwerden.
Eine Studie der Uni Freiburg aus dieser Zeit mit Dexamethason oral als Einmalgabe kam dagegen zu ähnlichem Ergebnis, wie in der Eingangsfrage formuliert: 2 Tage gut, am 3. Tag doch noch Schwellung und Schmerzen.
Grund dafür laut Lokken: Zu schnelles Abklingen der Corticoiddosis bei oraler Gabe. Das i.m.- Depot setzt asymptotisch abklingend noch etwas Betamethason frei. Er empfahl bei oraler Gabe (Dexamethason statt Betamethason) eine ausschleichende Dosierung über 3 Tage.
Daran orientiert gebe ich seit 10 Jahren bei Entfernung von 4 Weisheitszähnen am OP-Tag 2-mal 4,5mg Dexamethason, am folgenden Tag 2-mal 3mg und am dritten Tag 2-mal 1,5mg. Bei sehr geringem oder sehr hohem Körpergewicht passe ich entsprechend etwas an. Wirkt zuverlässig und sehr nebenwirkungsarm, ganz selten einmal facies rubra oder leichte Euphorisierung, meist gar nichts.
Gebe es auch manchmal bei Entnahme größerer Knochentransplantate aus dem Kieferwinkel, was vom OP-Trauma einer schwierigen WZ-Entfernung ähnelt.

Seit dieser Zeit gibt es größere Schwellungen, wie ich sie aus meiner Klinikzeit vor über 20 Jahren kenne, nicht mehr, es sei denn wir hätten das Rezept vergessen oder der Patient hätte Angst vor Corticoiden.

Arzt für Zahnmedizin

Ich weiß ja nicht, ob mir mein Zahnarzt je Cortison mit „untergejubelt“ hat, ohne mich zu fragen. Ich denke eher nicht. Wenn er mich fragt, dann würde ich eine Kortisongabe zur Prophylaxe postoperativer Schwellungen – vorsichtig formuliert – nicht wünschen, denn mir schien das Nebenwirkungsprofil der Kortisongabe in keinem Verhältnis zum Nutzen. Ein paar Tage dicke Backe – da nähme ich persönlich doch lieber Diclofenac, auch wenn ich weiß dass das nicht jeder Patient verträgt. (…)

Aber natürlich weiß auch ich, dass manche Kollegen Dinge machen, die ich nie machen würde. Wie z.B. intramuskuläre Injektionen von Kortikoiden, wie weiter oben geschrieben. Das ist nach meiner Kenntnis obsolet und kontraindiziert. (…)

Arzt für Allgemeinmedizin

Nur noch mal zur Erinnerung…mein Kommentar war ganz oben… eine Depotgabe von Corticoiden in das betroffene Gewebe halte ich für kontraindiziert. Eine einmalige präoperative i.v. Gabe von z.B. Urbason habe ich im klinischen Bereich kennengelernt: Beispiele: Tumor OPs, chirurgisch ästhetische und wiederherstellende Eingriffe. Da hat sich das wirklich gut bewährt. Es nimmt in den ersten Stunden die Spannung von den Wundrändern. Es bildet sich kein so ausgeprägtes Ödem und die Gefahr eine lokalen Wundinfektion sinkt, durch die dadurch lokal verbesserte Zirkulation, weil weniger Schwellung. Die Patienten haben deutlich weniger Schmerzen.

Ambulant halte ich dieses Vorgehen in folgenden Situationen für gerechtfertigt: (z.B.) Entfernung von 4 Weisheitszähnen wo u.U. mit einer umfangreiche Schwellung zu rechnen ist, vor allem hier bei jüngeren Patienten. Bei umfangreichen Implantationen und Knochenaufbaumaßnahmen, bei denen es notwendig ist eine mögliche Wunddehiszenz unter allen Umständen zu verhindern.(Gefahr von Transplantatnekrosen usw.) sowie bei diversen plastisch chirurgischen Maßnahmen im Gesichtsbereich. Das geht NATÜRLICH auch alles ohne Corticoide. Aber mit entsprechendem Augenmaß und unter Beachtung der allgemeinen Anamnese, sowie selbstverständlich mit Einverständnis des Patienten.

Arzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie

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