Was bewegt Entscheider der Pharma-Branche? Welche Chancen sehen sie in neuen Technologien und welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf ihr Daily Business? In unserer neuen Reihe spricht Martin Drees mit Unternehmenslenkern und gibt exklusive Einblicke, wie diese sich die Pharmabranche von morgen vorstellen. Heute im CEO Talk: Dr. Roman Stampfli, Geschäftsführer Amgen GmbH.

Innovation funktioniert nur mit den eigenen Mitarbeitern

Martin Drees: Amgen ist das weltweit größte unabhängige Biotech-Unternehmen. Gibt es Aspekte der Digitalen Transformation, die für Sie bzw. die Biotechnologie-Sparte besonders relevant sind?

Dr. Roman Stampfli: Wir entwickeln neue und innovative Therapien gegen schwere Erkrankungen wie z. B. Herzerkrankungen, Osteoporose oder Krebs. Dadurch gewinnen viele unserer Patienten mehr Lebensqualität und eine längere Lebenszeit.

Das Marktumfeld ändert sich ständig für alle Akteure im Gesundheitswesen – Ärzte, Krankenkassen und auch für uns.

Vor allem für den Austausch zwischen den Marktteilnehmern und ihre Zusammenarbeit bringt die Digitalisierung neue Möglichkeiten. So nutzen unsere Außendienstmitarbeiter im persönlichen Kontakt mit den Ärzten heutzutage fast nur noch iPads.

Digitale Entwicklungen nutzen wir generell dazu, die Kommunikation mit unseren Kunden persönlich, individuell und möglichst schnell zu gestalten.

Als Unternehmen und Teilnehmer im Markt versuchen wir aktuelle Entwicklungen entscheidend mitzugestalten. So haben wir Ende letzten Jahres einen „Technologie- und Innovations-Think Tank“ veranstaltet. Dabei haben wir uns mit Ärzten und Industriepartnern intensiv mit neuen Möglichkeiten im Gesundheitswesen beschäftigt und miteinander diskutiert. Zum Beispiel haben wir uns gemeinsam Zukunftstechnologien wie Blockchain, Chat Bots und Künstliche Intelligenz sowie deren Anwendungsfälle und Einsatzmöglichkeiten angesehen.

Martin Drees: Wie bleiben Sie innovativ und wie bringen Sie Innovation in die Umsetzung? Wie fördern und fordern Sie Innovation bei Ihren Mitarbeitern?

Dr. Roman Stampfli: Unser unternehmerischer Erfolg als Biotech-Unternehmen basiert vor allem auf unserer Innovationskraft. Und sie lebt von innen, von unseren Mitarbeitern. Uns ist es wichtig, ein Arbeitsumfeld zu bieten, in dem Mitarbeiter sich entfalten und ihr Potenzial voll ausschöpfen können.

Wir wollen unseren Mitarbeitern ermöglichen, die Entwicklung der Organisation mit zu beeinflussen und andere Funktionsbereiche innerhalb des Unternehmens kennenzulernen. Ermöglicht wird das vor allem durch unsere Teamstruktur und die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Wir schaffen eine Arbeitsatmosphäre, welche Engagement, Respekt und persönliche Verantwortung fördert. Wir sind eine lernende Organisation und interessieren uns auch für neue Arbeitsweisen wie zum Beispiel agiles Arbeiten, welches wir im Augenblick versuchen in unsere DNA einzubauen.

Dr. Roman Stampfli

Über Dr. Roman Stampfli: 

Dr. Roman Stampfli ist seit 2017 Geschäftsführer der Amgen GmbH Deutschland. Er arbeitet bereits seit 2004 für Amgen und leitete unter anderem die Niederlassungen Schweiz, Portugal und Spanien. Dr. Stampfli ist studierter Mediziner und promovierte an der Universität Bern. Daneben hält er einen Executive Master of Business Administration (EMBA) von der Universität Zürich.

Mit Beyond the Pill kann die volle Kraft der Pille ausgeschöpft werden

Martin Drees: Welchen Stellenwert nimmt Beyond the Pill bei Ihnen ein? Hat es Einfluss auf neue Geschäftsmodelle?

Dr. Roman Stampfli: „The Pill“ – also in unserem Fall das biotechnologisch hergestellte Arzneimittel – bedarf besonders der Information und Kommunikation. Nur dann kann sie auch den vollen Wert liefern.

Wir sehen uns als Partner der Ärzte und unterstützen sie mit umfassenden Informationen und speziell entwickelten Programmen rund um unsere Produkte, um eine bestmögliche Versorgung der Patienten sicherzustellen.

In diesem Bereich arbeiten wir mit strategischen Partnern zusammen. Ein Beispiel ist das innovative eHealth-Konzept CANKADO: ein Support-Programm, welches die Arzt-Patienten-Kommunikation unterstützt. Studien haben gezeigt, dass sich das Gesamtüberleben verlängert und sich auch die Lebensqualität deutlich verbessert, wenn Patienten im Rahmen eines webbasierten Monitorings regelmäßig über ihren gesundheitlichen Zustand berichten und Ärzte auf dieser Basis ein besseres Symptom-Management vornehmen können.

Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich Kardiologie ist das Project MyTherapy, eine Erinnerungs-App für Patienten. Hierfür arbeiten wir mit der Münchner Start-up Firma SMARTPATIENT zusammen. Aktive User der App mit Hypercholesterinämie werden über Push-Nachrichten zu verschiedenen relevanten Themen rund um Herz-Kreislauf- Erkrankungen und hohe LDL-Cholesterinwerte informiert und dazu motiviert, mit dem Arzt über ihre Cholesterinwerte zu sprechen.

Die Zukunft liegt in gemeinsamen Lösungen

Martin Drees: Welche Technologien und digitalen Trends sind nach Ihrer Einschätzung und Erfahrung ein Hype und welche die Zukunft?

Dr. Roman Stampfli: Um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein, ist es für uns auf Unternehmensseite wichtig, Erfahrungen zu sammeln und Know-how aufzubauen. Nur so können wir einschätzen, was einen echten Mehrwert bringt und was noch nicht ganz durchdacht ist. Das ist meiner Meinung nach ein kontinuierlicher Lernprozess und gerade in der schnelllebigen Zeit der digitalen Technik besonders wichtig.

Im deutschen Gesundheitssystem sehe ich vor allem für integrierte Lösungen eine echte Zukunft. Besonders bei Projekten, in denen nicht nur einzelne Akteure eine Rolle spielen, sondern alle Marktteilnehmer zusammenarbeiten. Ein gutes Beispiel für solch eine Lösung ist die elektronische Patientenakte (ePA). Sie ist Voraussetzung für ein modernes und vernetztes Gesundheitssystem, da sie die entscheidende Grundlage für die effiziente und versorgungsorientierte Zusammenarbeit aller Akteure bietet.

Darüber hinaus nimmt die Bedeutung der „Digital Devices“ stetig zu. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist ein EKG-Messer, der per App die Daten des Patienten direkt zum behandelnden Arzt sendet. Technisch gesehen stehen bereits zahlreiche Möglichkeiten zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung zur Verfügung. Damit die Vernetzung funktioniert, bedarf es einer gut funktionierenden Infrastruktur mit bundesweiter Glasfasernetz-Abdeckung und vor allem eine hohe Datensicherheit. Medizinische Daten sind hoch sensibel und müssen daher gut geschützt werden. In diesem wichtigen Bereich gibt es noch einige Hürden zu nehmen und Ängste zu bewältigen. Hier können neue Technologien, wie zum Beispiel Blockchain, helfen. Der große Vorteil dabei ist, dass es sich um eine dezentrale Datenbank handelt, die nicht der Steuerung eines Dritten bedarf. Herausforderungen bezüglich des Datenschutzes könnten damit maßgeblich verringert werden.

Martin Drees: Welche Rolle spielt Therapieentwicklung bei Amgen? Nutzen Sie hier zunehmend auch neue digitale Methoden?

Dr. Roman Stampfli: Digitale Methoden sind für uns heutzutage auch bei der Identifizierung neuer und vielversprechender „Targets“, ihrer genetischen Validierung und der Therapieentwicklung insgesamt nicht mehr wegzudenken. Mit Hilfe von computerisierten Methoden können wir riesige Datenmengen analysieren. Dadurch sind wir in der Lage, Targets und passende Modalitäten zu deren Beeinflussung schneller und sicherer zu bestimmen – also die Nadel im Heuhaufen zu finden und sie gezielt einzusetzen. Das hilft uns dabei, die Wirkstoffentwicklung effizienter zu gestalten und zu beschleunigen.

Martin Drees: Arbeiten Sie als Geschäftsführer durch die Digitalisierung anders? Mit anderen Personen? Mit anderen Funktionen? Gab es Umstrukturierungen oder ist zum Beispiel agiles Arbeiten ein Thema?

Dr. Roman Stampfli: Wir nutzen die Vorteile der Digitalisierung in vielen Aspekten unserer Geschäftstätigkeit: von der Art und Weise der Zusammenarbeit und der internen Kommunikation über die Art und Weise der Interaktion mit Kunden, anderen Marktteilnehmern und Patienten, bis hin zur Unternehmenskommunikation. Seit Juli 2018 stehen wir außerdem über Twitter mit der Öffentlichkeit im Austausch. Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit dem Thema „agiles Arbeiten“ und unsere Teams haben begonnen, die „Scrum“-Methode für die Projektplanung zu nutzen. Der Fokus auf Sprints, also kurze intensive Phasen der Zusammenarbeit mit definierten Arbeitsschritten in kleinen, autonomen, interdisziplinären Teams, birgt sehr viel Potential für unsere tägliche Arbeit. Bei der Kommunikation nach außen nutzen wir diverse Multichannel-Kanäle wie Webinare und E-Mails und entwickeln ebenfalls neue Tools wie Chat Bots.

Arztansprache sollte so persönlich wie möglich sein

Martin Drees: Wie sieht die Arzt-Ansprache bei Amgen heute aus? Was hat sich verändert und was wird sich künftig verändern? (Was auch nicht?)

Dr. Roman Stampfli: Der persönliche Kontakt unserer Teams mit den Ärzten ist für uns weiterhin essenziell und die Basis des Austausches. Mit den digitalen und datenbasierten Techniken, welche wir im Rahmen unserer Multichannel-Strategie nutzen, können wir den Kundenkontakt persönlich, individuell und schnell gestalten – kurz gesagt kundenzentriert. Das heißt, wir haben die Möglichkeiten, den Austausch und die Informationen an unsere Kunden immer personalisierter zu gestalten und zugleich unsere Partner auf verschiedenen Kanälen online und offline zu erreichen und abzuholen.

Martin Drees: Was ist Ihre Einschätzung, wo geht die Reise hin? Was wird sich in den nächsten 5 Jahren verändern?

Dr. Roman Stampfli: Im Mittelpunkt unseres Tuns steht der Patient. Wir werden die digitale Transformation und Initiativen stärker nutzen, um Patienten besser zu begleiten und zu unterstützen. Hierzu werden wir verstärkt auf strategische Partnerschaften setzen, die über unseren Berliner Tech Hub oder über bestehende Kollaborationen entstehen, aber auch über den Input einzelner Mitarbeiter zustande kommen. Unser Ziel ist es, heute wie auch in fünf Jahren mit unseren Arzneimitteln und „Beyond the Pill“-Lösungen Innovationsführer zu sein und unseren Patienten zu helfen.

Martin Drees: Dr. Stampfli, vielen Dank für das Gespräch!

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