Warum ist die Fähigkeit gute Fragen zu stellen so essentiell für Marketers? Ganz einfach: Um die Bedürfnisse von Kunden herauszufinden und Produkte und Kommunikationskampagnen dementsprechend aufzusetzen, braucht es das gezielte Gespräch mit ihnen.

Denn die Möglichkeit, „in den Kopf“ von Usern zu schauen, ist ungemein wertvoll, um Produkte, Webseiten, Werbebotschaften und vieles mehr zu entwickeln. Warum? Das Gespräch mit Anwendern deckt blinde Flecken auf und liefert oft wertvollere Erkenntnisse als reine Nutzerdaten. Für Fragen wie „Warum bricht der Käufer den Kaufvorgang an einer bestimmten Stelle ab?“ gibt es plötzlich ganz einfache Antworten, sobald man einem User über die Schulter schaut.

Auch im Pharma-Marketing gibt es unzählige Fragen, die bei Kampagnen oft unbeantwortet bleiben: „Warum laden die Ärzte die Patientenbroschüre XY nicht auf meiner Website herunter?“ „Warum sind die Downloadzahlen meiner Patienten-App zwar gut, aber die Verwendungshäufigkeit miserabel?“ Bei solchen Unsicherheiten liefern User Interviews oft die besten Erkenntnisse.

So hat Airbnb ihr Business durch User Interviews vor dem Bankrott bewahrt.

Am Anfang stand eine Idee: Wie wäre es, wenn Menschen ihre Zimmer, Räume und Apartments privat vermieten könnten? Monatelang feilten die Gründer an ihrer Website und waren am Ende überzeugt, ein fast perfektes Produkt auf die Beine gestellt zu haben. Doch die Kunden blieben aus. Dem Bankrott nahe, beschlossen die Gründer eine verzweifelte Maßnahme, identifizierten und besuchten einige ihrer Kunden und sahen ihnen bei der Benutzung ihrer Website über die Schulter. Die Ergebnisse waren erhellend und schmerzvoll zugleich. Ihre Website hatte gravierende Mängel. Selbst einfache Dinge wie die Auswahl eines Datums verwirrten die Kunden. Also verbesserten sie ihre Website und ihr Umsatz verdoppelte sich. Und eine Runde User Interviews und Verbesserungen später, verdoppelte sich ihr Umsatz wieder. Heute ist Airbnb in 190 Ländern vertreten und hat bereits mehr als 35 Millionen Gäste vermitteln können. Es hat sich herausgestellt, dass die Idee der Gründer funktionierte. Aber ohne Gespräche mit Usern wäre vielleicht nie etwas daraus geworden.

Mit dieser Roadmap zu den gewinnbringenden Fragen und Antworten

User Interviews können sehr unterschiedlich aussehen. Sie können im formalen Rahmen stattfinden, indem Sie den User gezielt ansprechen und interviewen, oder auch im „informalen“ Rahmen auf einer Cocktailparty, wo Sie Ihr Gegenüber in ein Gespräch verwickeln, ohne Ihre Zielsetzung zu offenbaren. User Interviews sind besonders hilfreich, wenn es um Produkte oder Webseiten geht, die schon live sind oder um Kommunikationskampagnen, bei denen Sie wissen wollen, wie diese bei den Usern (oder Kunden) ankommen. Alles was Sie brauchen sind vorbereitete Fragen und eine Roadmap.

Eine gute Methode, um User Interviews vorzubereiten, ist das Interview in 5 Akten von Google Ventures, dass Sie als Framework nutzen können:

Ein Interview in fünf Akten

Prolog: Ergebnisse aufzeichnen

Vor Start eines jeden Interviews – egal ob formal oder informell – ist es wichtig festzulegen, wie die Ergebnisse des User Interviews aufgezeichnet werden sollen. Handelt es sich um ein formales Interview kann das Gespräch einfach mit Erlaubnis des Users aufgezeichnet werden. Haben Sie diese Möglichkeit nicht, hilft es Ihre Beobachtungen gedanklich zu ordnen. Eine geeignete Methode ist die „Empathy Map Canvas“ von XPLANE. Wie diese funktioniert, können Sie hier nachlesen.

1 – Ein freundliches Willkommen

Damit Menschen sich offen, ehrlich und auch kritisch zu Ihren Fragen äußern können, müssen sie sich wohlfühlen. Deswegen ist die Willkommensphase nicht zu unterschätzen. Was hier zählt, sind die kleinen Dinge: eine freundliche Begrüßung, Small Talk und ihr offenes und aufrichtiges Lächeln.

2 – Allgemeine und offene Fragen zu den Lebensumständen des Users

Die meisten Interviewer würden nach der Begrüßung gerne sofort zum Thema kommen und Feedback zu den Fragen erhalten, die ihnen auf dem Herz liegen. Doch nicht so schnell! Bei einem guten Interview ist der Übergang von Small Talk zum Thema, zu dem Sie den User befragen wollen, ganz natürlich.

Ein guter Übergang könnte zum Beispiel so aussehen:

Was für eine Art von Arbeit machen Sie?
Wie lange arbeiten Sie schon dort?
Was machen Sie, wenn Sie nicht arbeiten?
Was machen Sie, um für sich selbst zu sorgen? Wie bleiben Sie in Form?
Haben Sie schon einmal Apps oder Websites für Fitness genutzt? Welche?
Wozu haben Sie die Apps verwendet? Was mochten oder mochten Sie nicht an ihnen? Haben Sie dafür bezahlt?

Jetzt eine Frage zur neuen Fitness-App zu stellen, zu welcher der Interviewer Feedback möchte, erscheint aufgrund der Fragen zuvor sehr natürlich.

3 – Einführung in den „Prototype“

Jetzt ist der Zeitpunkt, den User in die Thematik einzuführen und die Sache, um die es bei Ihrem User Interview geht, zur Sprache zu bringen. Das kann ein wirklicher Prototyp sein, aber auch eine bereits bestehende Website, eine Werbebotschaft – was immer Sie testen möchten.

Tipp: Versichern Sie dem User, dass heute der Prototyp auf dem Prüfstand steht und nicht er. Der User fühlt sich dann freier, auch kritisches Feedback zu geben. Haben Sie selbst nicht am Produkt mitgearbeitet, nutzen Sie die Chance und teilen Sie das dem User mit. So wird dieser sich freier fühlen und befürchtet nicht, Ihre Gefühle durch kritisches Feedback zu verletzen.

4 – Alle Fragen und alle Antworten

Jetzt kommen wir zum Hauptteil des Interviews und zu all den wichtigen Fragen, die Sie haben. Hier hat Google Ventures eine ganze Menge wichtiger Tipps und Tricks zusammengefast, die dabei helfen können, die besten Fragen zu stellen:

Hören Sie mehr zu, als zu reden.

Gerade wenn Sie selbst sehr involviert in dem Thema sind und Ihnen die Sache wichtig ist, kann es schnell passieren, dass Sie mehr über das Produkt erzählen, als Fragen zu stellen.

Holen Sie Fakten ein, keine Meinungen.

Achten Sie bei Ihren Fragen darauf, nicht zu fragen „würden Sie?“, sondern „wann haben Sie das letzte Mal?“. So vermeiden Sie es, Meinungen anstatt von Fakten zu bekommen. Denn oftmals stimmt die Wahrnehmung eines Kunden nicht unbedingt mit seinem tatsächlichen Verhalten überein.

Fragen Sie offene Fragen.

Achten Sie bei Ihren Fragen darauf, offene Fragen zu stellen und keine „oder“ Fragen. Denn mit „oder“-Fragen geben Sie schon zwei Optionen vor und verringern damit das Wissen, das Sie bekommen werden. Gute offene Fragen sind die klassischen W-Fragen.

Fragen Sie „gebrochene Fragen“.

Ein Geheimtipp sind „gebrochene Fragen“ – dabei fangen Sie an, eine Frage zu stellen, lassen diese Frage aber dann im Sande verlaufen… So ermutigen Sie Ihren User, weiterzureden und „laut zu denken“. Und Sie laufen nicht Gefahr, eine Frage zu stellen, bei der Sie den User in eine Richtung lenken.

Erwähnen Sie nicht die Lösung.

Es kann verlockend sein, dem User weiterzuhelfen oder Fragen zu stellen, die dem User helfen, den nächsten Schritt zu erkennen, während dieser sich auf der Webseite oder App bewegt. Allerdings hilft das dem User nicht weiter, da dieser sich in der realen Situation auch ohne Ihre Hilfe zurechtfinden müsste.

Fragen Sie nach und vor allem nach dem „Warum“.

Sie werden selten die Erfahrung machen, dass der User Ihnen gleich bei der ersten Frage alle Informationen gibt, die Sie brauchen. Deswegen ist es entscheidend, nicht davor zurückzuschrecken, nachzuhaken und bei einzelnen Fragen nach dem „Warum“ hinter den Antworten zu fragen.

5 – Ein kurzes Debriefing, um die übergreifenden Gedanken und Eindrücke zu gewinnen

Dies macht vor allem Sinn, wenn es sich um ein formales Interview handelt. Fassen Sie zusammen und fragen Sie noch einmal nach, welche Eindrücke der User hatte und was seine Gedanken waren. Ermutigen Sie Ihn, auch kritische Gedanken zu äußern, indem Sie ihm immer wieder klar machen, dass das Produkt und nicht er getestet wird.

Warum Janssen Deutschland auf User-Gespräche setzt:

Gute User Interviews führen zu guten Antworten und damit zu guten Kampagnen und guten Produkten. Kundengespräche und die strategische Ausrichtung mit Kunden gemeinsam zu entwickeln, hat das Marketing von Janssen-Cilag verändert. Wie, das hat uns Urs Voegeli, Commercial Direktor bei Janssen Deutschland im Interview verraten:

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren

Hinterlassen Sie einen Kommentar
E-Mail-Adressen werden nicht veröffentlicht.

Ich möchte Benachrichtigungen erhalten bei weiteren Kommentaren.