Die Erwartungen an eHealth sind hoch: fundierte und lückenlose Patientendaten, verbesserte Therapietreue, höhere Qualität von Face2Face-Kontakten zwischen Arzt und Patient – die Liste könnten wir noch um zahlreiche Punkte ergänzen. Letztlich liegt die große Hoffnung darin, das Gesundheitssystem insgesamt effizienter zu machen.

Doch welche Erwartungen stellen Ärzte an eHealth-Technologien? Und welche Auswirkungen hat die Digitalisierung aus ihrer Sicht auf den Arztberuf und ganz konkret das Verhältnis zwischen Arzt und Patient? Wir geben Ihnen anhand aktueller Studien aus den USA und Deutschland einen Einblick, wo Mediziner das größte Potential sehen.

Die Situation in den USA:

Spürbare Digitalisierung im Arzt-Patienten-Verhältnis

In den USA ist der Praxisalltag schon stärker von digitalen Technologien geprägt. Plattformen wie Doctor on demand machen Telemedizin zu einer alltäglichen Dienstleistung. Auch das Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist schon von eHealth-Technologien bestimmt. Eine Studie unter 2.000 US-Amerikanern hat ergeben, dass 60 Prozent der Befragten ihr Smartphone nutzen, um Informationen mit ihrem Arzt zu teilen. Jeder Vierte hat schon einmal ein Foto von einem Gesundheitsproblem an seinen Arzt geschickt. Vor diesem Hintergrund ist interessant, wie die US-amerikanischen Ärzte das Potential von eHealth einschätzen.

Ärzte sind offen für digitale Technologien…

Die American Medical Association hat in diesem Juli im Rahmen ihrer „Digital Health Study“ 1.300 Ärzte befragt und nachgeforscht, welche Motivation Ärzte haben, eHealth-Tools zu nutzen.

Die wichtigste Erkenntnis: Über alle Altersgruppen hinweg zeigte sich eine positive Einstellung gegenüber digitalen Lösungen. Eine überwältigende Mehrheit von 85 % der Befragten sieht ein großes Potential und ist überzeugt, dass eHealth-Lösungen sie in der Patientenversorgung unterstützen. Fragt man nach dem konkreten Nutzen für den Berufsalltag, zeigt sich folgendes Bild:  Die Ärzte erwarten vorrangig mehr Effizienz in den Praxisabläufen und in der eigenen Arbeit. Indem eHealth-Tools den Arzt bei der Diagnose unterstützen, werde die Patientenversorgung sicherer, die Patienten-Arzt-Beziehung verbessert und im Praxisalltag der Stress reduziert.

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Quelle: AMA, Digital Health Study 2016

… unter bestimmten Voraussetzungen

Ärzte gehen davon aus, in naher Zukunft mehr eHealth Tools zu nutzen, stellen aber bestimmte Anforderungen. Nur wenn die Nutzung von ihrer Versicherung abgedeckt und der Datenschutz gewährleistet ist, sehen Ärzte die notwendigen Voraussetzungen für eHealth Tools erfüllt.  Die technische Anbindung an bestehende Systeme wie die elektronische Gesundheitsakte (EHR-Systeme) ist für die Befragten ebenfalls ein Muss. Außerdem sollten die Tools einfach in der Handhabung sein und mindestens genauso effektiv wie traditionelle Methoden.

Werfen wir jetzt einen Blick auf die Situation hierzulande.

Die Situation in Deutschland:

Digitalisierung für Patienten noch nicht spürbar

Healthcare-Unternehmen und Start-ups sind immer noch die größten Digitalisierungstreiber im deutschen eHealth-Markt. Inzwischen befassen sich jedoch auch politische Akteure und andere Stakeholder des Gesundheitssystems damit, digitale Technologien in den Versorgungsalltag zu integrieren.

Das eHealth-Gesetz sieht vor, Praxen und Krankenhäuser flächendeckend an eine digitale Infrastruktur anzuschließen. Für Gesundheitsapps und medizinische Apps soll es verbindliche Standards geben, sodass verifizierte Apps als Medizinprodukt verschrieben werden können. Auch in der Praxis- und Kliniklandschaft läuft die Integration digitaler Technologien an – bisher sind es vor allem Leuchtturm-Projekte, wie die Erprobung von Telemedizin in ländlichen Regionen oder die Studie der Charité zur Therapietreue dank mobiler App. Daher haben Patienten und Ärzte in Deutschland noch kaum Berührung mit eHealth.

Ärzte glauben, dass eHealth bald Standard wird…

Auch eine Studie unter deutschen Ärzten kommt zum Schluss, dass die Bedeutung von digitalen Lösungen im Praxisalltag zunehmen wird. In ihrer Studie „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit ermittelte die Stiftung Gesundheit bereits im vergangenen Jahr, dass die ursprünglich sehr kritische Haltung der Ärzte gegenüber der Digitalisierung stark abgenommen hat. Ein Großteil der Ärzte steht digitalen Technologien inzwischen offen gegenüber.

Auch in diesem Jahr zeigt die jüngst erschienene Studie ein positives Stimmungsbild der Ärzte – nur 3,5 % der Befragten lehnen eHealth grundsätzlich ab. Das größte Potential sehen die befragten Ärzte in der stärkeren Vernetzung von Daten: knapp 60 % meinen, dass eHealth-Technologien die Kommunikation mit anderen Behandlern verbessern. Ein gutes Drittel meint, die Kommunikation mit Patienten werde verbessert und Patienten in größerer Entfernung könnten besser versorgt werden.

Im Gegensatz zu den Ärzten, die in den USA von der AMA befragt wurden, glauben die Ärzte hierzulande allerdings nicht, dass eHealth einen positiven Einfluss auf ihren Arbeitsalltag hat. Nur 12 Prozent gehen davon aus, dass sich der Praxisalltag verbessert und ihre Zufriedenheit dadurch steigt.

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Quelle: https://www.stiftung-gesundheit.de

… sie sehen jedoch Probleme bei der praktischen Umsetzung

Auf die Frage, wo die Ärzte die größten Probleme in der Nutzung von eHealth sehen, landete ein ganz praktischer Aspekt an erster Stelle: Zwei Drittel sehen das größte Problem darin, dass die praktische Umsetzung noch nicht ausgereift ist. 60 % der Befragten fürchten Datenschutzprobleme und immerhin ein knappes Drittel scheut vor dem hohen Aufwand zurück, den eHealth verursachen könnte.

Klares Ja zu eHealth

Die beiden Studien sind natürlich nicht völlig vergleichbar – sie geben nur ein unscharfes Stimmungsbild wieder und werfen ein Schlaglicht auf die Sicht der Ärzte in ganz unterschiedlichen Kontexten. Interessant ist jedoch, dass beide Studien in ihrer Kernaussage zu einem ähnlichen Schluss kommen. Der Nutzen von eHealth-Technologien wird nur von einem geringen Teil überhaupt in Frage gestellt. Die Mehrzahl der Ärzte sieht klare Chancen. Dass der Praxisalltag digitalisiert wird, ist also unbestritten, vielmehr sorgt die Frage nach der praktischen Umsetzung für Unsicherheit. Wenn Qualität, Datenschutz und die Anbindung an bestehende Systeme gewährleistet sind, kann die Gesundheitsversorgung von eHealth profitieren.

Und wo liegen die Chancen im mHealth-Markt?

Lesen Sie hier auf coliquio Insights, warum es sich für Pharmaunternehmen lohnt, in den Markt der therapiebegleitenden Apps einzusteigen.

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Kommentare
  • Istok Kespret

    Während die IT-Vernetzung in der Industrie 4.0 in zügigen Schritten voranschreitet, ist die Bremse bei der Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft in Deutschland nach wie vor angezogen. Im produzierenden Gewerbe ist die Entwicklung und Implementierung von Innovationen wichtiger Bestandteil um wettbewerbsfähig zu sein – in öffentlichen Belangen hingegen haben häufig allzu komplexe Entscheidungsstrukturen einen dämpfenden Effekt. Entgegen der vorherrschenden Meinung, bemängeln nun aber auch die Ärzte selbst das Tempo bezüglich der IT-Vernetzung im Bereich Gesundheit und Pflege.

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Nathalie Haidlauf
Nathalie Haidlauf
berichtet für coliquio Insights über die wichtigsten Marketing-Trends und liefert Inspirationen für die Pharmakommunikation der Zukunft.