Stellen Sie sich vor, jemand bittet Sie, für das nächste halbe Jahr monatlich 500 EUR auf sein Konto zu überweisen. Zusätzlich sollen Sie noch jede Woche einen Tag zur freien Verfügung stehen. Auf die Frage, wofür Sie das tun sollen, kommt die vage Aussage "...für was ganz Tolles, wenn es klappt". Und auf die Frage, ob es irgendeinen Plan gibt, kommt die Antwort "Vertrauen Sie mir einfach".

Auch ohne Wahrscheinlichkeitsberechnung schätze ich die Chance, dass die besagte Person die Zeit und das Geld von Ihnen bekommt, als sehr gering ein.

Leider beginnen viele potentiell gute Projekt-Ansätze in kleinen und mittelständischen Unternehmen auf diese Art und Weise – und werden so niemals realisiert.

Projekte setzen Impulse: Zeit für Veränderungen

Es gibt heute viele gute Gründe, Veränderungen im Unternehmen herbeizuführen. Die Digitalisierung ist einer davon.

Die technische Entwicklung vollzieht sich derzeit mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit und hat Einfluss auf die unterschiedlichsten Organisationsbereiche eines Unternehmens.

  • Die HR-Abteilung kämpft im „War for Talents“ um die besten Nachwuchskräfte und muss ganz neue (digitale) Wege bei der Ansprache von neuen Mitarbeitern gehen.
  • Führungskräfte arbeiten sich am Thema „Creative Leadership“ ab und müssen lernen, eingefahrene Führungsmethoden durch zeitgemäße zu ersetzen.
  • Mitarbeiter sollen sich an den „Digital Workplace“ gewöhnen und gleichzeitig darauf achten, dass ihre persönliche Grenze zwischen Beruf und Freizeit nicht zu sehr aufweicht und zum Burn-Out führt.
  • Und zu guter Letzt fragen sich fast alle Abteilungen eines Unternehmens, wie sie in Zukunft einheitlich mit ihren unterschiedlichen Anspruchsgruppen kommunizieren sollen, ohne das Schicksal der Turmbauer von Babel zu teilen.

Viele gute Projekt-Ideen kommen aus der Belegschaft. Sie sitzen an der Quelle und erfahren aus erster Hand, wo es Verbesserungsbedarf in Arbeitsabläufen gibt. Sie haben eine Vorstellung davon, wie man Prozesse effektiver bzw. effizienter gestalten kann, aber kaum Ahnung, wie Sie diese Veränderungen herbeiführen können.

Hier helfen Projekt-Visionen, die aber konkreter formuliert werden müssen als als „… ich hab da mal eine Idee“.

Was ist eine Projekt-Vision?

Eine Projekt-Vision ist immer ein strategisches Ziel und greift in die strategische Ausrichtung eines Unternehmens oder eines Geschäftsbereiches ein.

Es gibt unterschiedliche Ziele, die mit einer Projekt-Vision umgesetzt werden sollen.

  • Eine Projekt-Vision kann dazu dienen, ein Unternehmen oder einen Geschäftsbereich auf ein gemeinsames, übergeordnetes Ziel einzustimmen.
  • Eine Projekt-Vision soll den Mitarbeitern eine Motivation bieten, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten.
  • Nicht zuletzt dient eine Projekt-Vision dazu, potentielle Investoren davon zu überzeugen, finanzielle und personelle Ressourcen zu bewilligen, sprich: Marketing für das Projekt.

Wie bereiten Sie nun eine Projekt-Vision vor?

Nennen Sie ein konkretes Problem und finden Sie einen Lösungsansatz

Im ersten Schritt müssen Sie das Problem, für das Sie eine Veränderung herbeiführen wollen, erst einmal konkret benennen. Oft scheitert es bereits daran.

Angenommen Sie sind als Mitarbeiter im Außendienst und schlagen sich bei Ihren Kunden immer noch mit generischen Flyern und Prospekten durch, wollen aber Ihre Kunden viel spezifischer beraten. Eine digitale Lösung, mit der Sie vor Ort individuelle Werte Ihrer potentiellen Kunden aufnehmen und für die Angebotserstellung verwenden können – das wäre was.

coliquio Kommunikationslösungen

Allerdings fehlen dem Unternehmen die strategischen Kompetenzen und die technische Ausrüstung, um diese Anforderungen umzusetzen. Sie haben jetzt ein konkretes Problem, für das Sie eine Verbesserung finden wollen. In diesem Stadium gibt es viele mögliche Lösungswege.

Für Ihre Projekt-Vision brauchen Sie nun Argumente, womit Sie sich zum einen mehrere lösungsfokussierte Wege offenhalten, aber utopische Lösungsansätze, welche die Investoren abschrecken könnten, bereits ausschließen.

Projekt-Recherche: Bereiten Sie Ihre Argumente vor

Sie beginnen also mit einer projektbezogenen Recherche, in der Sie deduktiv vorgehen, also indem Sie vom Allgemeinen auf das Besondere ableiten.

Sucht der Außendienst-Mitarbeiter nun also Werkzeuge, um seine zukünftigen Kundengespräche „digitaler“ gestalten zu können, recherchiert er zuerst allgemeine Informationen zu Endgeräten und Systemen für den Vertrieb, um dann die Ergebnisse weiter auf seine bestimmte Branche (bspw. die Pharma-Branche) auszuweiten.

Neben der klassischen Internet-Recherche haben sich vor allem Stakeholder-Interviews bewährt, auch Fokus-Gruppen-Interviews genannt.

Identifizieren Sie dafür die passenden Anspruchsgruppen, die aktiv oder passiv an dem Projekt beteiligt sind, und erstellen Sie einen qualitativen Fragebogen.

In dem oben genannten Beispiel würden sich als Anspruchsgruppen die anderen Vertriebsmitarbeiter sowie die Vertriebsleitung anbieten. In diesen Gruppen lässt sich das Problem bei der Kunden-Akquise und Beratung einmal aus der Macher- und einmal aus der Entscheider-Perspektive betrachten, was zu einer genaueren Anforderungseingrenzung an eine digitale Lösung führt.

Kleine Praxistipps:
  • Beginnen Sie mit einer offenen Fragestellung und arbeiten Sie sich explorativ durch, bis Sie der Meinung sind, das Problem (und ggf. mögliche Lösungswege) ausreichend verstanden zu haben.
  • Zeichnen Sie die Interviews für die spätere Auswertung auf. Zuhören, Fragen stellen und gleichzeitig Notizen machen klappt auch bei erfahrenen Interviewern nur bedingt.
  • Alternativ nehmen Sie eine zweite Person mit ins Interview, die nur mitschreibt. So können Sie sich ganz auf das Interview konzentrieren.

Eine andere Anspruchsgruppe ist die hauseigene IT. Bei dieser Gruppe lassen sich ebenfalls konkrete Anforderungen für die Schnittstellen-Anbindung, beispielsweise für das bereits bestehende CRM-Tool feststellen. Außerdem sind die Mitarbeiter aus dieser Abteilung in der Lage, Ihnen konkrete technische Voraussetzungen für die digitale Lösung vorzuschlagen.

Haben Sie die notwendigen Informationen zusammen, geht es an den nächsten Schritt: die Projekt-Vision.

Die Projekt-Vision: So visionär wie möglich, so konkret wie nötig

Die Projekt-Vision ist eine erste Bewertung der gesammelten Informationen, eine Fortführung der möglichen Lösungen sowie eine Eingrenzung auf die erfolgversprechendsten Lösungsansätze.

Da wir noch im Stadium der Projekt-Vision sind, muss die Bewertung der gesammelten Informationen nicht zwingend methodisch sein.

Unter methodisch fällt zum Beispiel der Einsatz einer Entscheidungsmatrix, bei der durch die Geschäftsleitung Kriterien definiert werden, welche im Anschluss gewichtet werden. Die Lösungsmöglichkeit mit den meisten Gewichtungspunkten wird dann in der Regel gewählt. Dieses Verfahren kommt oft erst zum Einsatz, wenn ein Projekt bereits genehmigt wurde.

Die Projekt-Vision führt auch Lösungsvorschläge weiter aus. Zeichnen sich im Stakeholder-Interview bereits einige vielversprechende Lösungen ab, können diese durch Recherchen weiterentwickelt oder konkretisiert werden.

Im letzten Schritt werden dann die erfolgversprechendsten Lösungen eingegrenzt.

Kleiner Praxistipp:

Wenn Sie eine Projekt-Vision erstellen, ist eine wie oben beschriebene Entscheidungsmatrix definitiv zu aufwändig. Arbeiten Sie lieber mit Hypothesen. Hypothesen sind Aussagen, die im Laufe einer genaueren Überprüfung entweder bestätigt oder verworfen werden.

Leiten Sie aus den vorliegenden Informationen (beispielsweise den Stakeholder-Interviews) Hypothesen ab und priorisieren Sie diese. Beginnen Sie mit der Hypothese, die Ihnen am wahrscheinlichsten erscheint und nutzen Sie diese als Grundlage für Ihre Pilot-Vision.

In unserem Beispiel haben die Stakeholder-Interviews ergeben, dass die Kunden der anderen Vertriebsmitarbeiter gerne spezifischere Angebote bekommen möchten. Zudem haben die Mitarbeiter den Wunsch geäußert, unmittelbar vor Ort auf die unternehmensinternen Daten via Cloud-Drive zuzugreifen, um möglichst spezifische Angebote erstellen zu können.

Die Vertriebsleitung hingegen hat auch ein Interesse daran, möglichst schnell die Informationen ihrer Außendienstler zu erhalten, um die Arbeit zwischen Innen- und Außendienst besser gestalten zu können. Und durch die Interviews mit der IT wurden die technischen Anforderungen genau benannt, was die Auswahl von Lösungen in Form von Geräten bzw. Systemen erleichterte.

Die Hypothese aus diesem Beispiel könnte also sein,

dass durch den Vertriebseinsatz von digitalen Endgeräten mit Zugang zu einer cloudbasierten Datenbank eine personalisiertere Beratung inklusive Wirtschaftlichkeits-Berechnung vor Ort möglich ist, welche zu einer höheren Verkaufsabschluss-Rate führt.

Diese Hypothese wird dann als Projekt-Vision verwendet.

Der Moment der Wahrheit: Die Vorstellung der Projekt-Vision

Haben Sie alle Informationen zusammen, geht es im letzten Schritt darum, Ihre Ergebnisse zu vermarkten.

Bereiten Sie sich auf diesen Moment so gut wie möglich vor:

  • Teilen Sie die Ergebnisse mit kompetenten Mitarbeitern und lassen Sie sich Feedback geben.
  • Formulieren Sie realistische Ziele und Zeiträume für die Umsetzung des Projektes.
  • Beschränken Sie sich am Anfang, indem Sie die Projekt-Vision als Pilot-Projekt auslegen und beispielsweise auf einen Geschäftsbereich oder auf eine bestimmte Zeitspanne einschränken.
  • Erstellen Sie eine Präsentation und achten Sie dabei auf die Grundsätze einer guten Vorstellung (Stichwort: Death bei PowerPoint).
  • Bereiten Sie ein Handout vor, damit die Entscheider/Investoren alle notwendigen Informationen zur Hand haben.

Fazit

Sie sehen, dass eine Projekt-Vision vor allem viel Vorbereitung ist.

Zuerst benennen Sie ein konkretes Problem. Danach recherchieren Sie mit Hilfe von Stakeholder-Interviews weitere Informationen, verdichten diese auf konkrete Lösungsvorschläge und präsentieren die Ergebnisse anschließend in einer Präsentation der Geschäftsführung oder aber anderen relevanten Entscheidern.

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