Der Pharma-Außendienst steht vor einem Wendepunkt: Traditionelle Methoden reichen nicht mehr aus, um Kunden optimal zu betreuen. Die Anforderungen an digitale Fähigkeiten steigen, während der persönliche Kontakt weiterhin wichtig bleibt. Wir haben die Branche befragt, wie sich der Außendienst in den nächsten Jahren verändern wird und welche Maßnahmen Pharmaunternehmen ergreifen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Der Außendienst ist wichtig und bleibt es.

In unserer Umfrage im August unter 59 Marketing- und Sales-Entscheidern in der Pharmaindustrie zeigt sich, dass der Außendienst nach wie vor eine zentrale Rolle in den Marketingstrategien vieler Unternehmen spielt. 76 % der Befragten gaben an, dass der Außendienst für ihre aktuellen Marketingstrategien „sehr wichtig“ ist, weitere 21 % stufen ihn als „eher wichtig“ ein. Kein Teilnehmer hielt den Außendienst für „überhaupt nicht wichtig“, was die anhaltende Relevanz dieser Rolle unterstreicht.

Mehr als die Hälfte (54 %) ist überzeugt, dass der Außendienst auch künftig immer wichtig bleiben wird. Aber schon jeder Dritte räumt ein, dass er an Bedeutung verlieren wird. 5 % geben bereits an, dass der Außendienst durch digitale Alternativen ersetzt werden könnte. Unter Sonstiges wurde die Einschätzung geteilt, dass der persönliche Austausch und das Beziehungsmanagement vermutlich bleiben werden, sich die Informationsbeschaffung aber mehr und mehr aufs Digitale verlagern wird.

Digitalisierung ist die wichtigste Maßnahme im Wandel.

86 % der Befragten sehen in der Integration digitaler Kommunikationskanäle die wichtigste Maßnahme zur Steigerung der Effektivität des Außendienstes. Dies deutet darauf hin, dass eine hybride Strategie, die persönliche Besuche mit digitalen Tools kombiniert, als optimal angesehen wird. Dr. Torsten Cornelius, Head of Sales bei der Pharma Stulln GmbH, fasst es treffend zusammen: „Außendienstmitarbeitende müssen lernen, zu ihrer traditionellen Vorgehensweise neue Kommunikationswege aktiv hinzuzufügen.“

Andere wichtige Maßnahmen umfassen die Bereitstellung hochwertiger, praxisorientierter Materialien (61 %) und Schulungen zur Steigerung der fachlichen Kompetenz (51 %). Unter Sonstiges wurde beispielsweise genannt, dass der Außendienst eh bereits in vielen dieser Aspekte sehr effizient arbeite. Matthias Schiller, Bereichsleiter Marketing bei der BA.Unternehmensgruppe erklärt: „Der Außendienst sollte künftig in der Kundenkommunikation einer von vielen Kanälen sein. Die gegenwärtige ‚Abhängigkeit‘ sollte reduziert werden, durch die Schaffung und Nutzung neuer sowie bestehender Kommunikationswege. Der Außendienst ist dann ein Teil, aber nicht der entscheidende Teil im Kommunikationsmix.“

In einem weiteren Feedback kommt die neue Balance von Push und Pull zur Sprache: Während sich kleinere Team mit klarer Fokussierung auf Kunden mit hohem Potenzial konzentrieren und dort „pushen“ können, kann man bei anderen Zielgruppen wiederum eher auf digitale Maßnahmen und Pull-Angebote setzen. Auch Dr. Hansjörg Meyer, Geschäftsführer von Hippokrates Consult, hebt den „fachlich qualifizierten Außendienst als kompetenter Gesprächspartner für die jeweilige Arztgruppe“ hervor, der „zusammen mit lokalen Meinungsbildnern sogenannte Zuweisersymposien organisiert.“

Die Außendienst-Rolle wird in 5 Jahren …

Wir haben auch nach den Top 3-Aussagen hinsichtlich der nächsten fünf Jahre gefragt: In Bezug auf die Zukunft des Außendienstes glauben 61 %, dass er wesentlich digitaler wird. Datengetriebene Insights und Analysen als Unterstützung werden eine zentrale Rolle spielen, wie 63 % der Befragten angeben. Jeder Dritte geht davon aus, dass die Anzahl der Besuche zurückgehen wird und sich dafür die Besuchsqualität steigert. Dass die Zusammenarbeit zwischen Außendienst und (digitalem) Marketing enger werden wird, bestätigt mehr als die Hälfte. Ebenso jeder Zweite sagt, dass sich der Außendienst zielgruppenspezifischer aufstellen wird.

In puncto Künstlicher Intelligenz sind 41 % der Meinung, dass sie den Außendienst künftig stärker unterstützen wird. Diese Aussage passt zum Trend der Spezialisierung und dass fast ebenso viele davon ausgehen (39 %), dass sich die Außendienst-Rolle noch persönlicher und individueller gestalten wird. Lediglich 7 % geben unter ihren Top 3-Aussagen an, dass sich die Rolle nicht wesentlich verändern wird.

Was Ärztinnen und Ärzte über den Außendienst denken

Erfahren Sie im Facharztreport, welchen Hauptnutzen die Ärzteschaft in Klinik und Praxis im Außendienst sieht, was sie an ihm schätzen und ob es Unterschiede zwischen den Generationen gibt. Würden sie den Außendienst vermissen, wenn es ihn nicht mehr geben würde?

Stimmungsbild: Umdenken auf mehreren Ebenen

Als Letztes haben wir gefragt: „Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Anpassung des Außendienstes an die zukünftigen Bedürfnisse?“ Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Pharmaunternehmen gleichzeitig vor mehreren Herausforderungen stehen, um den Außendienst zukunftsfähig zu machen. Eine der zentralen Herausforderungen ist der notwendige Mindset-Shift: Es sei enorm wichtig, dass Außendienstmitarbeitende verstehen, warum es zu Änderungen kommt und warum diese notwendig sind. Der Außendienst mache eine Entwicklung vom Informationsüberbringer zu einem Service-Provider, vom Produktspezialisten zum Kundenspezialisten. Die Notwendigkeit von guten Change-Management-Prozessen wird mehrfach in den freien Antworten der Umfrage betont.

Zudem wird die Anpassung an neue Kommunikationskanäle und ein tiefes Verständnis des Kanalmixes als essenziell angesehen. Digitale Kanäle dürfen dabei nicht als Bedrohung, sondern als Unterstützung und Verstärkung begriffen werden. Als konkrete Chancen, die damit einhergehen, werden genannt: Durch die Digitalisierung werden Außendienstmitarbeiter nicht mehr in ihrem Gebiet wohnen müssen. Termine können auch 24/7 stattfinden und sind nicht mehr an Praxis-Öffnungszeiten gebunden.

All dies erfordere nicht nur eine einzelne Veränderung der Arbeitsweise, sondern auch eine engere Zusammenarbeit innerhalb der Unternehmen insgesamt. Man müsse Brücken bauen zwischen Innendienst und Außendienst – für ein besseres gegenseitiges Verständnis, Akzeptanz und ein stärkeres Wir-Gefühl.

  • Um in Zukunft einen Mehrwert für Ärzt*innen zu bieten, muss ein Umdenken erfolgen: Weg vom Einzelkämpfer, hin zum Teamplayer - gemeinsam mit anderen Kolleg*innen im Feld, so dass der Arzt und die Ärztin in den Mittelpunkt rücken kann und bedarfsgerechter gearbeitet werden kann. Weg vom Funktions-Denken (Silos), hin zum Fähigkeits-Denken (was trägt jeder bei).

    Sya Ukena, Head of Sales Oncology, Bayer Vital GmbH
  • Die Größte Herausforderung ist meiner Meinung nach, dass sich die Bedeutung und Relevanz des Außendienstes ändert und stetig abnimmt. Kunden erwarten digitale Kommunikation und präferieren andere Kanäle als noch vor 30 Jahren, als der Außendienst der einzige Zugang zum Kunden war. Diese Entwicklung zu akzeptieren und sich dieser anzupassen ist für den Vertrieb sowie außendienstlastige Unternehmen aus meiner Sicht ein großes Thema.

    Matthias Schiller, Bereichsleiter Marketing, BA.Unternehmensgruppe
  • Wichtig wird sein, die digitalen Strategien und den Außendienst zu einer Einheit zu verbinden. Aktuell laufen viele Entwicklungen nebeneinander oft zu wenig miteinander. Der persönliche Kontakt wird weiterhin sehr wichtig sein, aber er findet nicht mehr immer nur in den Praxis- oder Klinikräumen statt. Auch digitale Ansprache muss individuell und persönlich erfolgen.

    Dr. Torsten Cornelius, Head of Sales, Pharma Stulln GmbH

Was das für Pharmaunternehmen bedeutet

Die Umfrageergebnisse zeigen deutlich, dass der Außendienst in der Pharmaindustrie auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Allerdings wird diese Rolle anders aussehen als bisher: Digitalisierung, Spezialisierung und datengetriebene Ansätze sind die neuen Schlagworte. Pharmaunternehmen, die diese Trends frühzeitig erkennen und umsetzen, werden langfristig im Vorteil sein. Gleichzeitig sollten sie sicherstellen, dass ihre Außendienstmitarbeitenden nicht nur über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, sondern auch motiviert sind, diese Veränderungen aktiv mitzugestalten.

Daher sollten Pharmaunternehmen in passende Change-Management-Prozesse investieren, ihre Außendienstteams frühzeitig und nachhaltig schulen und ihnen praxisnah digitale Werkzeuge an die Hand geben, um im Wettbewerb bestehen zu können.

Newsletter

Nie wieder Neuigkeiten verpassen

Auf coliquio Insights bekommen Sie regelmäßig die wichtigsten Neuigkeiten rund um die Themen Zukunft der Medizin, Pharmamarketing und die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Abonnieren Sie jetzt unseren Newsletter und verpassen Sie keinen Blogpost mehr!

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren

Hinterlassen Sie einen Kommentar
E-Mail-Adressen werden nicht veröffentlicht.

Ich möchte Benachrichtigungen erhalten bei weiteren Kommentaren.

Kristina Lutilsky
Kristina Lutilsky
ist Redaktionsleiterin von coliquio Insights und berichtet als Content & Communications Spezialistin über wirksames Healthcare Marketing sowie die spannendsten Trends im Gesundheitswesen.