Für Ärzte ist es krisenbedingt schwieriger geworden, sich fachlich auszutauschen. Genau hier knüpft Michael Gramann, Key Account Manager im Gesundheitswesen, an. Er bringt die Ärzte in seiner Region virtuell zusammen – ein Experiment mit steiler Lernkurve, wie er berichtet. Ich habe mit ihm darüber gesprochen, wie seine Zielgruppe das annimmt und welche Tipps er für weniger technikaffine Kollegen hat.

Von der Idee zur Umsetzung

Nathalie Haidlauf: Herr Gramann, Sie bringen Gynäkologen aus Ihrer Region virtuell zusammen. Wie ist die Idee dazu entstanden?

Michael Gramann: Die Idee entstand aus der Notwendigkeit heraus. Ich musste mitten im Lockdown einen Qualitätszirkel umsetzen. Also habe ich die Teilnehmer gefragt, was sie davon halten, das Meeting virtuell umzusetzen. Ich bin per se technikaffin und habe auch Spaß daran, etwas Neues auszuprobieren. Jedoch fehlte die Erfahrung. Ich habe mir also das nötige Wissen angeeignet, die Teilnehmer über die technischen Voraussetzungen informiert, und es einfach ausprobiert.

Nathalie Haidlauf: Wie gut hat dieser erste Test aus Ihrer Sicht funktioniert – und welche Rückmeldungen kamen von den Ärzten?

Michael Gramann: Aus meiner Sicht hat es bestens geklappt. Mir war jedoch auch wichtig, das Feedback der Ärzte einzuholen. Hier waren die Meinungen geteilt. Die älteren Kollegen sagten durchgängig: „Alles schön und gut, aber wenn das alles vorbei ist, möchten wir lieber wieder bei einem Glas Wein zusammensitzen.“ Die jüngeren Kollegen dagegen waren dankbar für die virtuelle Umsetzung, da sie den Qualitätszirkel so besser mit ihrem Familienalltag vereinbaren konnten. Doch ich beobachte jetzt schon, dass auch ältere Ärzte sich zunehmend an digitale Formate gewöhnen. Ich persönlich glaube, mindestens ein Drittel der Fortbildungen wird in Zukunft online ablaufen und der Großteil der Ärzte hat sich schon auf diese neue Realität eingestellt.

Michael Gramann

Über Michael Gramann

Michael Gramann ist seit über 30 Jahren im Vertrieb tätig. Er ist überzeugt: „Wir Pharmareferenten stehen vor einer neuen Ära unseres Berufsstandes.“

 

Seit über 9 Jahren verantwortet Michael Gramann als Regionaler Sales Manager bei Gedeon Richter das Gebiet Frankfurt/Rhein-Main.

Ein praxisnahes Konzept

Nathalie Haidlauf: Wie kann ich mir den Qualitätszirkel als digitales Live-Event genau vorstellen und welche thematischen Aufhänger nutzen Sie?

Michael Gramann: Mir war es wichtig, die Veranstaltung kurz und knapp zu halten und die Essenz in 30 Minuten zu vermitteln. In jeder Folge widme ich mich einem neuen Thema und lade einen Referenten dazu. Mein Ziel ist es, dass die Ärzte die Problemstellungen, die sie aus dem eigenen Alltag mitbringen, mit einem Experten und anderen Kollegen live besprechen können. Letztes Mal war beispielsweise eine neue Führungskraft aus der Region als Referent dabei, um sich persönlich vorzustellen und über eine neue Operationsmethode aufzuklären. Das kam bei den Ärzten sehr gut an, weil es eine sehr gute Möglichkeit war, ohne großen Zeitaufwand auch überregional Kollegen kennenzulernen. Doch der Referent muss nicht immer ein Chefarzt sein: Ich ermutige auch die Teilnehmer selbst, sich in dieser Runde einmal als Experte einem Thema zu widmen. So entsteht eine Community, die sich gegenseitig fortbildet.

Nathalie Haidlauf: Das klingt nach einem hohen Mehrwert für die Ärzte und nach einem sehr praxisnahen Format. Wie bringen Sie da die eigenen Produktbotschaften unter?

Michael Gramann: Das funktioniert sehr gut. Beispielsweise sind im September neue Leitlinien zu Endometriose erschienen – hier konnten wir eine Verknüpfung zu einem unserer Medikamente herstellen. Grundsätzlich bieten sich auch Produktneueinführungen sehr gut an. Im digitalen Live-Format habe ich sogar die Möglichkeit, jemanden von der medizinischen Abteilung dazu zu schalten, um Detailfragen zum Präparat zu beantworten – das steigert den Mehrwert für die Ärzte. Und wenn ich im Vorfeld der Produktneueinführung schon eine Community aufgebaut habe, erreiche ich durch ein virtuelles Format sehr schnell sehr viele Ärzte. Inzwischen habe ich einen Pool aus 100 Ärzten, die ich zum virtuellen Qualitätszirkel einlade, und die Zahl wächst kontinuierlich.

Tipps für die Umsetzung

Nathalie Haidlauf: Sie bezeichnen sich selbst als technikaffin. Welchen Tipp haben Sie für Kollegen, die im Umgang mit digitalen Kanälen noch unsicher sind?

Michael Gramann: Ich kann die Unsicherheit vieler Kollegen gut nachvollziehen. Bisher gehörte es nicht zum klassischen Job des Pharmareferenten, digitale Veranstaltungen zu organisieren. Es erfordert Übung und Durchhaltevermögen, sich die neuen Methoden anzueignen. Ich hatte auch schon technische Pannen – hier hilft es, wenn ein Kollege dabei ist und zum Beispiel den technischen Support übernimmt, sodass ich in der Rolle des Moderators bleiben kann. Für mich ist jedoch entscheidend: Ich muss mir darüber klar werden, warum ich es tue. Wie erreiche ich meine Ärzte, wenn der Face-to-Face-Kontakt schwierig bleibt und ich am Telefon nicht durchdringe? Dafür braucht jeder Pharmareferent eine Lösung.

Nathalie Haidlauf: Sie sehen also eine große Dringlichkeit, sich neuen Kanälen zu öffnen. Wie blicken Sie auf den Job des Pharmareferenten in Zukunft?

Michael Gramann: Aus meiner Sicht stehen wir heute vor einer neuen Ära unseres Berufsstands. Der Quantensprung in der Digitalisierung war unausweichlich, und wurde durch Corona nochmals beschleunigt. Daher müssen wir uns jetzt alle mit der Thematik auseinandersetzen.

Nathalie Haidlauf: Vielen Dank, Herr Gramann, für das interessante Gespräch.

Michael Gramann: Gerne, ich danke Ihnen.

Webinar

Wie gut nehmen Ärzte virtuelle Alternativen an?

Nehmen Ärzte gerne an Web-Seminaren und virtuellen Kongressen teil oder sind sie schon genervt von der Vielzahl an Einladungen? Ein aktuelles Stimmungsbild zur Akzeptanz digitaler Live-Formate finden Sie in diesem Beitrag:

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2 Kommentare
  • Paul Rauch

    Ich beglückwünsche Herrn Gramann zu seiner Initiative.
    In Zukunft wird der Außendienst in der Pharmaindustrie noch viel stärker auf Kundenbedürfnisse und Multichannel Marketing eingehen müssen, als es bisher der Fall war. Die reine Besuchsroutine ist passe. Es gilt, sich auf die Kommunikationsbedürfnisse der Kunden einzustellen. Der Außendienstmitarbeiter wird dann zum Multichannel Manager, der es versteht, verschiedene Kundensegmente mit verschiedenen Kommunikationskanälen anzusprechen, und das nicht nur in der Corona-Zeit. Das alte Model des Pharma-Außendienstes hat ausgedient!

  • Daniela Drescher

    Lieber Herr Rauch,
    es freut mich, dass Ihnen das Interview mit Herrn Gramann gefallen hat und Sie es auch so sehen, dass sich die Rolle des Außendienstes verändern muss. Es ist ein großer Wandel, der im letzten Jahr deutlich beschleunigt wurde – das löst bei vielen auch Unsicherheit aus. Durch Best Practices und den Austausch untereinander können wir diese Bedenken hoffentlich schnell in gemeinsame Visionen verwandeln.
    Liebe Grüße
    Daniela Drescher

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Nathalie Haidlauf
Nathalie Haidlauf
berichtet für coliquio Insights über die wichtigsten Marketing-Trends und liefert Inspirationen für die Pharmakommunikation der Zukunft.