Healthcare Marketing meets KI: Tipps aus der Praxis
In unserer neuen Interviewserie befragen wir Menschen in verschiedenen Rollen und Positionen zu ihren Erfahrungen und den besten Tipps aus der Praxis. Zum heiß diskutierten Thema Künstliche Intelligenz in der Healthcare-Branche verrät uns Niko Gabrielides, Partner & Director – Business Development bei BrainersHub, worauf es jetzt in den Unternehmen ankommt und wie sie den großen Spagat in Richtung Zukunft meistern können.
Wie sind Sie zum Thema KI gekommen?
Als InnovationHub ist eines unserer wichtigsten Ziele, Kunden im Healthcare– und Pharmabereich für die Zukunft zu rüsten. Deshalb beschäftigen wir uns bei BrainersHub täglich mit den wichtigsten Trends und Marktentwicklungen im Healthcare-Markt und verfolgen aktiv, was diese für das Healthcare-Marketing und die Unternehmensentwicklung bedeuten. Das Thema KI ist daher schon länger auf unserem Radar, aber in jüngster Zeit sehen wir endlich, dass die ersten KI-Anwendungsbereiche tatsächlich die Schwelle zur Praxistauglichkeit überschritten haben.
Im Fokus stehen dabei für uns drei Aspekte:
- Welche konkreten Mehrwerte und Anwendungen bietet ein KI-Tool?
- Was ist für eine erfolgreiche Implementierung der Technologie erforderlich?
- Wie sieht dabei das Verhältnis von Mitarbeitern und Technologie aus?
Können Sie ein oder zwei konkrete Beispiele teilen, in denen der Einsatz von KI im Healthcare Marketing unerwartete Ergebnisse erzielte?
Aktuell sehen wir speziell zwei Bereiche, in denen KI besonders interessant für Healthcare-Unternehmen ist: Der erste Bereich ist die Generative KI. Hierbei handelt es sich um verschiedene text- und bildbasierte KI-Tools, wie zum Beispiel ChatGPT, DeepL, Midjourney oder Adobe Firefly. Diese Technologie liefert bereits spannende Ergebnisse für die Contententwicklung von Healthcare-Unternehmen. Dennoch ist es auch hier wichtig, einen genauen Blick auf ihre Anwendungsfelder zu werfen.
ChatGPT funktioniert beispielsweise ausgezeichnet, um bestehenden Content für neue Formate und Kanäle anzupassen, wie etwa einen Blogartikel in einen Podcast umzuwandeln oder eine Studie in einen LinkedIn-Post. Gleichzeitig kann es bei einfachen Recherchetätigkeiten (z.B. wichtigste Herausforderungen im Thema X) und als Inspirationsquelle (z.B. einen griffigen Titel für einen Beitrag zu Y) helfen.
Nichtsdestotrotz bedeutet das nicht, dass ChatGPT die Contententwicklung komplett übernehmen kann. Gerade im Umgang mit Quellen und bei komplexeren Themen oder neuen Inhalten ist Vorsicht geboten, da ChatGPT hier gelegentlich Fakten erfindet oder relativ oberflächlich bleibt. Wir sollten KI-Anwendungen wie ChatGPT daher zunächst als Hilfstool verstehen, das uns bei punktuellen Aufgaben unterstützen kann, anstatt als Ersatz für unsere Kreationsteams.
Ähnliches gilt für Design-Tools wie Midjourney oder Adobe Firefly. Auch diese bieten wertvolle Unterstützung, insbesondere in der Anfangsphase, um Ideen zu visualisieren und Konzepte zu skizzieren, z. B. ein Design für einen Messestand. Gleichzeitig können wir hier mithilfe detaillierter Prompts Vorlagen entwickeln, die bei wiederkehrenden Aufgaben helfen, wie etwa Thumbnails für eine Artikelreihe. Dennoch bleibt die Expertise menschlicher Designer weiterhin ein wesentlicher Erfolgsfaktor, sowohl bei der Entwicklung von Ideen als auch bei der Ausarbeitung der finalen Designs.
Der zweite Bereich, in dem viel über KI gesprochen wird, ist Business Intelligence. Interessante Anwendungen sind „Next Best Actions“ oder das „Lead Scoring“, die bereits in anderen Branchen erfolgreich genutzt werden. Tatsächlich sehen wir hier, dass große Technologieunternehmen wie IQVIA und Veeva daran arbeiten, entsprechende Lösungen für den Healthcare-Bereich zu entwickeln. Dennoch müssen wir realistischerweise einsehen, dass wir im Healthcare-Bereich noch einen Schritt davon entfernt sind, dass solche Anwendungen im Pharmamarketing die Führung übernehmen.
Ein häufiger Grund dafür ist die Datenlage. Während Generative KI-Modelle auf einen bereits bestehenden, externen Datensatz zurückgreifen, benötigt Business Intelligence unternehmenseigene Daten, wie Kundenprofile und Performance-Marketing-Daten. Hier benötigen Healthcare-Unternehmen sowohl eine höhere Datendichte (mehr Daten) als auch eine stärkere Verknüpfung (z. B. zwischen Vertrieb und Marketing).
Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich nicht lohnt, in Business Intelligence zu investieren. Für Pharmaunternehmen ist es jetzt an der Zeit, in eine solide Dateninfrastruktur und datenorientierte Prozesse zu investieren, um mittelfristig KI-Lösungen effektiv integrieren zu können.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Integration von KI in das Pharma-Marketing und wie könnten diese am besten bewältigt werden?
Wie bereits angedeutet, ist es hilfreich zu bedenken, dass KI ein Sammelbegriff für eine Reihe unterschiedlicher Tools mit jeweils spezifischen Anwendungen ist. KI wird also nicht als eine einheitliche Lösung integriert, sondern in Form gezielter Lösungen für konkrete Anwendungsbereiche.
Gerade aufgrund der großen Bandbreite, die das Thema KI momentan umfasst, besteht die erste Herausforderung für Unternehmen darin, die unterschiedlichen Anwendungen und ihr Potenzial realistisch einzuschätzen.
Hierbei können sich Unternehmen an den folgenden vier Fragen orientieren:
- Kann das KI-Tool überhaupt das halten, was es verspricht?
Bei KI-Anwendungen ist es wichtig zu unterscheiden, was Vision und bereits Realität sind. Als Beispiel sehen wir Teslas Vision vom selbstfahrenden Auto, die zwar schon seit Jahren versprochen wird, bislang aber noch nicht zuverlässig umgesetzt ist. - Welche Anwendungen sind für Healthcare-Unternehmen relevant?
Gerade im Healthcare-Bereich mit seinen eigenen Richtlinien (z.B. Datenschutz und Compliance), Anforderungen (z.B. ärztliche Diagnosehoheit) und Prozessen (z.B. Produktlaunch) ist es wichtig, detailliert zu prüfen, ob ein Tool wirklich für die eigene Branche geeignet ist. - Welche konkreten Mehrwerte erwarten wir uns von der Anwendung?
Hier geht es zunächst darum, genau festzulegen, wo ein KI-Tool eingesetzt werden soll. Dabei ist vor allem der Kontext entscheidend: Wer soll es nutzen? Welche Prozesse werden unterstützt? Und welche Aufgaben übernimmt die KI, und welche bleiben in Menschenhand? Je genauer wir diese Fragen beantworten können, desto konkretere Ergebnisse können wir von der Implementierung erwarten. Denn gerade solche Details bestimmen bei der Umsetzung darüber, wie erfolgreich ein Unternehmen neue Technologien nutzen kann. - Ist mein Unternehmen bereit für diese KI-Anwendung?
Diese Frage knüpft direkt an die vorherige an, da es im letzten Schritt darum geht, festzustellen, welche Grundlagen im Unternehmen geschaffen werden müssen. So haben wir bereits erwähnt, dass z.B. KI für Business Intelligence eine ausreichende Datengrundlage und technische Infrastruktur benötigt. Aber auch bei der Nutzung von generativen KIs muss oft die notwendige digitale Kompetenz im Team sowie die Bereitschaft, KI in den Arbeitsalltag zu integrieren, gestärkt werden.
Mithilfe dieser Fragen können Healthcare-Unternehmen die vage Vision von KI in sehr konkrete erste Ansatzpunkte herunterbrechen. Dadurch schaffen sie sowohl eine deutlich realistischere Erwartungshaltung auf Führungsebene als auch eine größere Akzeptanz in der Belegschaft.
Welchen Tipp geben Sie Marketing-Kolleginnen und -Kollegen, die sich mit dem Gedanken tragen, KI in ihren Arbeitsalltag zu integrieren?
Das hängt natürlich stark von den Erwartungen ab: Wenn es darum geht, die Content-Entwicklung mit AI-Tools zu unterstützen, stehen bereits heute vielversprechende Anwendungen wie ChatGPT, Midjourney und andere zur Verfügung. In diesem Fall empfiehlt es sich vor allem, eine Kultur der Offenheit und Neugierde zu fördern. Dies erfordert sowohl Zeit und Raum, um mit den entsprechenden Tools herumzuprobieren, als auch die gegenseitige Unterstützung im Team.
Wir nutzen beispielsweise regelmäßige Team-Events, bei denen verschiedene Teams vorstellen, wie sie KI nutzen und welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. Auf diese Weise entsteht ein Dialog zwischen den Teams, der sicherstellt, dass wir voneinander lernen und crossfunktional denken.
Wenn jedoch die Erwartung besteht, Kundendaten automatisiert zu analysieren – beispielsweise, um den Außendienst mit personalisierten Themenvorschlägen zu unterstützen oder Vertriebsprozesse zu optimieren – ist ein deutlich längerer Atem erforderlich. Hier stehen wir erst am Anfang der Reise. KI wird sicherlich in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen, aber bevor Teams im Vertrieb und Marketing tatsächlich davon profitieren können, ist ein grundlegender Veränderungsprozess notwendig. Dieser umfasst Themen wie Omnichannel-Strategien, eine stärkere Kundenzentrierung sowie die Digitalisierung von Vertrieb und Marketing.
Ihr Lieblingstool: Welches KI-Tool nutzen Sie besonders gern und warum?
Aktuell arbeiten wir vor allem viel mit generativer KI. Gerade ChatGPT findet bei uns breite Anwendung – bei Rechercheaufgaben, als Inspirationsquelle oder als Unterstützung bei Alltagsaufgaben, von einfachen HTML-Codes bis zur Optimierung von Stellenausschreibungen.
Ähnlich gute Erfahrungen haben wir auch mit Übersetzungs-Tools (z. B. DeepL) oder Design-KIs (Midjourney, Adobe Firefly) gemacht. Wichtig ist uns hier, wie bereits zuvor erwähnt, einen regen Austausch im Team über Erfahrungen, erfolgreiche Prompts und neue Tool-Ideen zu fördern, damit wir uns stetig weiterentwickeln.
Neben generativen KI-Tools haben wir natürlich auch andere Trends im Blick – allen voran Expertensysteme zur Datenverarbeitung. Unser aktueller Fokus liegt vor allem darauf, die notwendigen Grundlagen bei unseren Kunden zu schaffen, um uns für die nächsten Schritte zu rüsten.
Hier verfolgen wir meist einen Omnichannel-Ansatz, da er mehrere zentrale Punkte für zukünftige KI-Trends miteinander verbindet, wie die Verknüpfung von Vertrieb und Marketing, Kundenzentrierung, eine zentralisierte Dateninfrastruktur, crossfunktionale Zusammenarbeit und datengetriebene Entscheidungsfindung. Denn mindestens genauso wichtig wie die KI-Tools selbst sind die internen Transformationsprozesse, die Healthcare-Unternehmen bewältigen müssen, um sich darauf vorzubereiten.
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