Präparate, die sich in der Pre-Launch- oder Launch-Phase befinden, hatten es in den letzten Monaten meist schwer. Wichtige Vertriebswege fielen weg und die Bedingungen, um Ärzte zu erreichen, haben sich verändert. Wie gehen Unternehmen momentan mit Produkt-Launches um? Und was ist aus ihrer Sicht jetzt wichtig, um zur Zielgruppe durchzudringen? Ein aktueller Einblick und 3 Empfehlungen.

Erschwerte Bedingungen für klinische Studien und Launches

Covid-19 hat den Markt gründlich durcheinandergewirbelt: Fast alle Pharmaunternehmen verzeichnen aktuell starke Umsatzeinbrüche. Groß ist der Bedarf, diesen Abwärtstrend durch den anstehenden Launch neuer Präparate umzukehren. Gleichzeitig haben sich die Bedingungen für Markteinführungen durch die Corona-Krise verändert – und oftmals erschwert. Beispielsweise aufgrund von Produktions- oder Lieferengpässen oder weil klinische Studien nicht fortgeführt werden konnten. Nach einer Schätzung des US-amerikanischen IQVIA Instituts von April wird die krisenbedingte Unterbrechung oder Verschiebung von Pharma-Launches bis 2025 weltweit finanzielle Einbußen von rund 19 Milliarden US-Dollar verursachen.

Die erste signifikante Erholung wird ab 2026 erwartet. Das hängt jedoch stark davon ab, wie Unternehmen jetzt mit klinischen Studien umgehen:  30 der 50 größten Pharmaunternehmen bezogen im April dazu Stellung. Knapp die Hälfte gab an, dass sich neue oder laufende Studien verzögern. Doch der Großteil der Befragten will an den Plänen so gut es geht festhalten und eine möglichst hohe Kontinuität beibehalten. Letztlich bleibt aber spannend, wie sich der weitere Verlauf der Pandemie gestaltet und welche Effekte sich dadurch abzeichnen.

Wie ist die Situation hierzulande? Unsere Umfrage-Ergebnisse

Wir haben uns bei 30 Entscheidern aus der Pharmaindustrie umgehört, darunter Business-Unit-Leiter, Medical Director und Marketing Manager. Gut die Hälfte der Befragten war in den letzten 6 Monaten in einen Launch eingebunden. Der Großteil der Unternehmen führte ihre neuen Präparate wie geplant ein, nur bei einem knappen Fünftel wurden Launch-Termine verschoben.

Umgang mit dem Thema Launch

Und wie gut liefen die Produkteinführungen während der Pandemie?

Auf diese Frage gab es unterschiedliche Rückmeldungen. Einige waren „den Umständen entsprechend sehr zufrieden“, andere berichten von „viel Ungewissheit“, weil die Adaption auf ein virtuelles Setting ad hoc geschehen musste. Ein großer Pain Point ist für viele, dass Kongresse und Symposien nicht genutzt werden konnten und digitale Alternativen von manchen wichtigen Zielgruppen nicht angenommen wurden.

Eine echte Krisenstimmung herrscht also nicht, was auch das Feedback auf die folgende Frage zeigt: „Ist es durch Covid-19 schwieriger geworden, Ärzte vom Nutzen neuer Präparate zu überzeugen?“ Diese Einschätzung wird zwar von der Mehrzahl der Befragten geteilt: 54 % stimmen voll oder eher zu. Insbesondere bei Ärzten, zu denen vor der Krise noch keine Beziehung bestand, habe sich der Zugang erschwert, so die Rückmeldung mancher Umfrageteilnehmer.

Allerdings können 40 % die These, dass es durch Covid-19 schwieriger wurde, Ärzte zu überzeugen, nicht bestätigen. Das spricht dafür, dass sich viele Unternehmen stabil aufgestellt haben und den Wegfall der Face-to-Face-Kommunikation gut kompensieren konnten.

Ärzte vom Nutzen neuer Präparate überzeugen

Was ist jetzt wichtig in der Pre-Launch- und Launch-Phase?

80 % der von uns befragten Marketing-Entscheider haben in den nächsten Monaten Produkt-Launches geplant – entsprechend intensiv haben sie sich schon mit der Frage beschäftigt, was jetzt wichtig ist, um die damit verknüpften Ziele zu erreichen.

Das sind die Top 5 der wichtigsten Erfolgsfaktoren:
  • Die geplante Kommunikation auf Effektivität prüfen und bei Bedarf anpassen (68 % stimmen dem zu)
  • Unsicherheiten und Wissenslücken der Ärzte frühzeitig identifizieren (58 %)
  • Direktes qualitatives Feedback der Ärzte (55 %)
  • Digitale Events und Web-Seminare (52 %)
  • Unterschiedliche Formate, um Aufmerksamkeit zu gewinnen (52 %)

Es gibt also drei Favoriten – die schauen wir uns jetzt einmal genauer an.

3 wichtige Erfolgsfaktoren für Produkt-Launches

1. Die geplante Kommunikation auf Effektivität prüfen und bei Bedarf anpassen

Frühzeitig lernen, was funktioniert, und die gewonnenen Erkenntnisse anwenden – das ist in den ersten Wochen einer Produkteinführung essentiell. Doch das ist nur möglich, wenn ich ab Tag 1 der Kommunikation die Performance messe und intern den Spielraum habe, schnelle Entscheidungen zu treffen.

Schnelle Antworten erhalten

Es klingt banal, aber um die richtigen strategischen Entscheidungen zu treffen, brauche ich zuallererst ein aussagekräftiges Daten-Set. Aus den Daten muss klar hervorgehen, wie gut die geplanten Kommunikationsmaßnahmen greifen und wo ich gegebenenfalls nachsteuern muss. Strategische Fragen können sein:

  • Wie gut habe ich die relevanten Facharztgruppen schon erreicht?
  • Welche thematischen Aufhänger kamen in den letzten Wochen am besten an?
  • Welches Wording funktioniert am besten, um das Interesse zu wecken?
  • Welche Formate performen bei welchem Zielgruppensegment am besten?
  • Welches Thema sollte ich in den nächsten Wochen stärker besetzen?

Hierbei sind zwei Dinge wichtig: Erstens brauche ich möglichst frühzeitig valide Antworten auf meine zentralen Fragen, um den richtigen Weg in puncto Zielgruppen-Ansprache einzuschlagen – und zweitens brauche ich diese Antworten kontinuierlich. Denn Interessensschwerpunkte und Informationsvorlieben verändern sich über die Zeit. Insbesondere, falls Covid-19 den Alltag der Ärzte noch einmal stärker betreffen sollte, ist ein aktueller Blick auf die akuten Bedürfnisse der Ärzte nötig, um die Beziehung zur Zielgruppe aufrechterhalten zu können.

Schnell reagieren

Wer in diesem Frühjahr mit einem neuen Präparat in den Startlöchern stand, musste spätestens Mitte März radikal umdenken. Besonders schmerzhaft war der Wegfall des Außendiensts, da die persönliche Kundenbeziehung nicht in der Form gepflegt werden konnte wie geplant. Viele Unternehmen fanden kreative Wege, den Kontakt aufrechtzuerhalten und den Draht zum Kunden eventuell sogar zu stärken – doch die Adaption der geplanten Kommunikation auf ein neues Setting musste sehr schnell geschehen. Dasselbe galt für Veranstaltungen, die kurzerhand digital umgesetzt werden mussten. Wie schnell solche Entscheidungen im Krisenfall tatsächlich getroffen werden können, ist stark dadurch bedingt, wie der Launch intern organisiert ist.

Bain & Company empfiehlt deshalb – nicht erst seit der Krise – ein agiles Launch-Team, bestehend aus Marketing- und Medical-Experten, das crossfunktional zusammenarbeitet und eigenverantwortlich schnelle Entscheidungen treffen kann. Zu den Aufgaben zählt auch, interne Hürden früh zu erkennen und soweit es geht zu beseitigen, um handlungsfähig zu bleiben. Mehr dazu in diesem Beitrag.

2. Unsicherheiten und Wissenslücken der Ärzte frühzeitig identifizieren

Gerade zu Beginn einer Produkteinführung ist die Spannung groß: Wie werden die ersten Rückmeldungen ausfallen? Wie werden die zentralen Botschaften aufgenommen? Welche Bedenken oder Unsicherheiten äußern die Ärzte – und welche Wissenslücken gibt es noch? Um mögliche Kritikpunkte und Unklarheiten zum Präparat frühzeitig identifizieren zu können, sind zwei Dinge hilfreich: Diskussionen verfolgen und den Wissensstand beobachten.

Diskussionen mitverfolgen

Social Listening beginnt mit Zuhören. Und zwar dort, wo sich die Zielgruppe austauscht: im Internet, in Foren und in sozialen Netzwerken. Wenn diese Orte frei zugänglich sind, ist es für Unternehmen sehr wertvoll, zu beobachten, welche Themen die Ärzte diskutieren und was sie momentan beschäftigt. Gerade in der kritischen Launch-Phase kann ich auf diese Weise schnell herausfinden, ob das Präparat auf Interesse stößt.

  • Wie wird über meine Marke in Zusammenhang bzw. im Vergleich mit konkurrierenden Produkten gesprochen?
  • Über welche Herausforderungen wird in Zusammenhang mit der Indikation und dem Produkt gesprochen?

Solche Diskussionen mitzuverfolgen kann neue Erkenntnisse bringen, die ich wiederum in meiner Kommunikationsplanung einfließen lassen kann. Beispielsweise indem ich die diskutierte Herausforderung gezielt aufgreife und thematisch besetze – was zu einer deutlichen Reichweitensteigerung führen kann, wie dieser Beitrag zeigt.

Den Wissensstand beobachten

Launch-Kommunikation ist ganz klar Überzeugungsarbeit. Deshalb möchte ich so früh wie möglich wissen, wie gut es mir gelingt, meiner Zielgruppe die wichtigsten Botschaften zu vermitteln. Digital kann ich das gut messen: Indem ich regelmäßig abfrage, was meine Zielgruppe über mein Präparat weiß, erfahre ich, welche Schwerpunkte ich in den nächsten Wochen legen muss, um die vorhandenen Wissenslücken zu schließen. Hier ein fiktives Beispiel:

Beispiel Kurz-UmfrageSolche Kurz-Umfragen sind nicht nur für Unternehmen eine wertvolle Wissensquelle – auch die Ärzte profitieren von der Interaktion. Denn Ärzte konsumieren fachliche und produktspezifische Inhalte vorrangig, um etwas Neues zu lernen und vertieftes Wissen zu einer Therapie zu erlangen. Wenn der Arzt sein Wissen spielerisch testen kann – z. B. durch Quick-Polls unter dem Beitrag – erleichtert ihm dies die Wissensaufnahme und bringt einen höheren Mehrwert als redaktioneller Content ohne Interaktionsmöglichkeit. Mehr zur zentralen Rolle von „Wissensvermittlung“ in der Arztkommunikation finden Sie in diesem Beitrag.

3. Direktes qualitatives Feedback der Ärzte

Um Stimmungsbilder und Reaktionen einzuholen, ist der Face-to-Face-Kontakt nur bedingt geeignet. Sicherlich gibt es Kunden, zu denen schon eine vertrauensvolle Beziehung besteht, und die ehrliches Feedback und offene Fragen zurückspielen. Doch die Hürde, sich frei zu äußern, ist im digitalen Setting deutlich niedriger. Aus unserer Erfahrung haben sich zwei Wege etabliert, um Feedback zum Präparat einzuholen:

Kommentare zulassen

Gibt es noch inhaltliche Rückfragen zur Wirkungsweise oder zum Patientenbild? Äußert jemand Bedenken bezüglich möglicher Nebenwirkungen? Engagierte Leser, die sich eine Meinung zu einer Therapie oder einem Arzneimittel bilden und mit anderen teilen, liefern Anknüpfungspunkte für die weitere Launch-Kommunikation – besonders in den ersten Monaten.

Dabei sind selbst kritische Stimmen eine Chance, denn oftmals entsteht auf diese Weise eine Diskussion, die von den Ärzten selbst moderiert wird – geäußerte Bedenken werden so idealerweise relativiert, ohne dass das Unternehmen Stellung beziehen muss. Hier erfahren Sie im Detail, warum es sich lohnt, kritische Kommentare zuzulassen.

Authentische Fürsprecher einbinden

Laut Bain & Company zählt die Fürsprache von Ärzten aus der Mitte zu den unterschätztesten und gleichzeitig effektivsten Maßnahmen für einen erfolgreichen Produkt-Launch. Die These: Nicht mehr die KOLs sind die alleinigen Meinungsbildner, sondern auch „der Arzt von nebenan“, der online diskutiert, Erfahrungen teilt und eine hohe Glaubwürdigkeit mitbringt. Hier ist die Hemmschwelle für andere Ärzte niedriger, offene Fragen, Bedenken und Unklarheiten zu äußern als gegenüber einer absoluten Koryphäe.

In der Launch-Kommunikation kann es sehr wertvoll sein, Early Adopters in die Content-Strategie einzubinden. Indem ich einen Arzt von seiner Erfahrung berichten lasse, stelle ich einen hohen Praxisbezug für meine Zielgruppe her. Das kann die Glaubwürdigkeit meines Unternehmens und die Akzeptanz meiner Produkt-Botschaften steigern – mehr dazu in diesem Beitrag.

Kontakt

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie momentan?

Haben Sie aktuell Launches geplant? Oder bereiten Sie gerade einen Pre-Launch vor? Was sind dabei Ihre drängendsten Fragen in puncto Kommunikation? Gerne können wir uns dazu austauschen und aktuelle Erfahrungswerte aus bereits realisierten Projekten mit Ihnen teilen.

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Nathalie Haidlauf
Nathalie Haidlauf
berichtet für coliquio Insights über die wichtigsten Marketing-Trends und liefert Inspirationen für die Pharmakommunikation der Zukunft.